Unbezahlte und bezahlte Tätigkeiten – Abgrenzung und Fallstricke

Auf diese Schwierigkeit der Abgrenzung ist schon von verschiedener Seite zu Recht hingewiesen worden, sehr differenziert z. B. von Norbert Schwarz und Florian Schwahn. Zwar ist es nachvollziehbar, wenn dennoch versucht wird, den Umfang „unbezahlter Arbeit“ zu quantifizieren, gerade wenn man auf ihre Bedeutung hinweisen will, man begibt sich aber auch in ein schwieriges Fahrwasser. Das zur Abgrenzung bemühte Drittperson-Kriterium muss vom konkreten Beziehungsgefüge abstrahieren, soweit es möglich ist und damit genau eine entscheidende Dimension vernachlässigen, und zwar die zwischen Beziehungen, die sich auf die ganze Person als solche beziehen und solchen, die klienten- bzw. kundenorientierten Charakters sind. In ersteren sind die Personen nicht austauschbar, in letzteren schon. Setzt man beide Beziehungstypen gleich, ebnet man den grundlegenden Unterschied beider ein. Genau das ist in den vergangenen Jahrzehnten besonders in der Frage zu beobachten, wie sich inner- und außerhäusliche Betreuung von Kindern zueinander verhalten. Letztere konnte mit der Abstrahierung von der konkreten Beziehung forciert werden.

Siehe zu dieser Frage diesen Beitrag und hier.

Sascha Liebermann

Anderer Blickwinkel…

…, der die Erwerbszentrierung deutlich bezeugt und daraus folgend das Ausblenden unbezahlter Arbeit.

Sascha Liebermann

Ist das ein Erkenntnis- oder nicht vielmehr ein Bewertungsproblem?

An Veröffentlichungen dazu mangelt es nicht, Vorschläge zur Veränderung rütteln aber an einer entscheidenden Säule nicht: dem Vorrang von Erwerbstätigkeit. Allenfalls gibt es Konzepte wie z. B.  „atmende Lebensverläufe“, eine andere Vollzeit oder Lebenszeitkonten, am Vorrang von Erwerbstätigkeit ändern sie jedoch nichts und damit auch nicht an der Degradierung anderer, nicht-erwerbsförmiger Tätigkeiten. Sie rütteln also nicht grundsätzlich an der Bewertung von Erwerbstätigkeit, solange sie das nicht tun, ist es unwahrscheinlich, dass sich etwas ändern wird.

Sascha Liebermann

„Bedingungslosigkeit irritiert Paternalismus“

In seinem Beitrag in Jacobin – zumindest in den Ausführungen zu Beginn, da er hinter einer Bezahlschranke ist – beschreibt Alexander Brentler gleich zu Beginn die Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit, ohne deren Grund zu nennen. Es ist nicht (Erwerbs-)Arbeitslosigkeit als solche, die diese Folgen verursacht, es ist ihre normative Seite, ein gesellschaftlich unerwünschter Zustand zu sein, der deswegen sobald als möglich wieder verlassen werden soll. Darauf sollen alle vom Gesetzgeber bestimmten Instrumente hinwirken. Stigmatisierung ist also Folge einer normativen Bewertung eines bestimmten Handelns. Dann schreibt er:

„Als Kompensation für Sorgearbeit ist das BGE ein wenig zielgenaues Instrument. Wer sich wirklich Vollzeit um andere kümmert, hat mehr verdient als ein Existenzminimum. Die »Freiheit«, die das BGE verspricht, zielt eher auf Selbstentfaltung ab – daher sein besonderer Appeal unter Kreativen. Die unausgesprochene Erwartung lautet, das Leben über die Erwerbsarbeit hinaus als zielorientierte Karriere zu begreifen.“

„Bedingungslosigkeit irritiert Paternalismus“ weiterlesen

Sehr konsequent und gar nicht überraschend im bestehenden Sozialstaat – Existenzsicherung ist nicht „zielgenau“

„Kein Grund zum Feiern“ – von der Abwertung der „Hausfrau“

In der Neuen Zürcher Zeitung hat Joachim Güntner sich zum Verfall des Bildes von der Hausfrau geäußert. Am Beispiel dieses Verfalls kritisiert er das heutige Emanzipationsverständnis, das eben nicht – wie einst Simone de Beauvoir und andere erstrebten – zu einer Aufwertung der Haus- oder Sorgetätigkeiten geführt hat, sondern zu deren forcierter Abwertung. Siehe auch einen älteren Kommentar zur Sache von Sascha Liebermann.