Der reißerische Titel des FAZ-Podcastes „Geld fürs Nichtstun: Ansturm auf das Grundeinkommen“ gibt nicht das Maß an Differenziertheit wieder, das geboten wird. Der erste Gesprächspartner ist eine Gewinnerin der Grundeinkommensverlosung bei Mein Grundeinkommen. Zuerst rechtfertigt sie sich beinahe dafür, dass die Aussicht auf einen Geldgewinn für sie anfangs das wichtigste war, um an der Verlosung teilzunehmen. Dann berichtet sie, was sie damit gemacht hat, ziemlich unspektakuläre Dinge, die aus ihrer Lebenssituation naheliegen. Sicherheit war eine wichtige Erfahrung.
Jürgen Schupp berichtet über das Pilotprojekt, die gewaltige mediale Resonanz und das Erstaunen über die große Zahl an Anmeldungen für die Teilnahme. Erläutert wird auch, wie die Teilnehmer der Experimental- und der Kontrollgruppe ausgewählt werden. Die Grenzen des Projektes werden benannt und das gewaltige Finanzierungsvolumen, das aus Spenden bestritten werden soll. Wenn das gelingt, ist es Ausdruck einer großen Bereitschaft, das Projekt zu fördern, das haben die Spender von Mein Grundeinkommen in der Vergangenheit aber auch schon gezeigt. Schupp hält es für wichtig angesichts der bevorstehenden Veränderungen über Sozialstaatsreform grundsätzlicher Art nachzudenken, er sieht das Problem der starken Ausrichtung des Sozialstaats an Sozialversicherungen und hält es für sinnvoll, sich mit Alternativen zu befassen und über sie zu streiten, das BGE sei eine solche.
Abschließend wird noch Patrick Bernau, selbst Mitarbeiter der FAZ befragt. Er fand die Idee eines BGE im ersten Moment charmant, als er noch jünger war. Seine Bedenken zur Finanzierung richten sich vor allem auf den Hinweis – hier bezieht er sich auf Götz W. Werner, der das BGE in die Diskussion gebracht habe (was so nicht richtig ist) -, dass es ein gewaltiges Sozialbudget gebe und die Finanzierung deswegen kein Problem sei. Bernau dekliniert dann durch, was es bedeuten würde, die Leistungen des Sozialbudgets durch ein BGE zu ersetzen (was kaum jemand ernsthaft vertritt), dafür bringt er ein interessantes Beispiel, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die auch wegfallen würde. Hier erwähnt er an keiner Stelle, dass mit der Einführung eines BGE der Anteil des Lohnes am Einkommen sich gewiss verändern würde, also nicht mehr dasselbe Gewicht hätte wie heute. Folglich wäre der Anteil der Lohnfortzahlung auch ein anderer. So viel Differenzierung müsste schon sein. Er erwähnt auch nicht, dass in einer Haushaltskonstellation mit verfügbaren BGE sich die Lage anders darstellen würde, wenn dort nur eine Person lebte oder mehrere (Kumulation der BGE). Die Einführung wäre also „sehr, sehr teuer“. Was heißt teuer, aus welcher Perspektive? Es geht letztlich um die Aufteilung des Volkseinkommens, das erwirtschaftet wird, ein Teil für hoheitliche Aufgaben und die Einkommen der Mitarbeiter dort, ein Teil für Löhne, ein Teil für das BGE (das gleichwohl im öffentlichen Dienst Auswirkungen auf den Sold hätte). Auch das wird von Bernau nicht erwähnt. Würden denn angesichts der hohen Steuern (die Rede ist von 70%, ohne genauer zu werden) die „Leute“ noch arbeiten, da doch heute schon viele in Teilzeit gehen? Bernau fragt aber nicht, weshalb sie in Teilzeit gehen, erwähnt die Steuerlast als Begründung, das mutet oberflächlich an, welche Gründe wären noch relevant? Ein BGE würde die „Leute“ also eher vom „Arbeiten abhalten“, dann gehen aber die Steuereinnahmen zurück. Weiter begründet wird das nicht. Darüber hinaus erhalte jeder das gleiche – Bernau erwähnt hier den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer mit keiner Silbe, der auch heute bei steuerbarem Einkommen greift. Wichtig sei noch, dass ein BGE gegen zwei Gerechtigkeitsprinzipien verstoße: 1) Wer mehr arbeitet, soll mehr kriegen – Verstoß? Genau das wäre beim BGE der Fall; 2) wer nicht arbeiten kann, dem wollen wir helfen – ja, das BGE stellt in Frage, dass dieses Sozialstaatsprinzip, das häufig mit Subsidiarität begründet wird, angemessen ist. Deswegen bedarf es einer öffentlichen Auseinandersetzung – auch weil hier wieder unbezahlte Arbeit unter den Tisch fällt. Außerdem sind bedarfsgeprüfte Leistungen eben nicht ausgeschlossen (z. B. Wohngeld), wenn denn das BGE nicht ausreichen würde. Hier würde wiederum die Haushaltssituation beachtet werden müssen. Er sieht im BGE sogar eine „gewisse Gefahr“, sich um diejenigen nicht weiter zu kümmern, die vielleicht durch die Digitalisierung ihren Arbeitsplatz verlieren, dann wäre es eine Stillhalteprämie für die „Verlierer des technischen Wandels“. Dass dieses Schlagwort hier fällt, ist etwas überraschend. Bernau vertraut offenbar gar nicht zuerst einmal darauf, dass jemandem schon etwas einfallen wird, was er mit seinem Leben anfängt. Davon abgesehen enthebt es das Gemeinwesen nicht der Verantwortung dafür, sich arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Fragen zu stellen. Die ausgesprochen stark inkludierende Wirkung eines BGE kann sich Bernau offenbar nicht vorstellen – gerade im Unterschied zu heutigen Leistungen. Ganz ähnlich wie in diesem Podcast hatte er sich früher schon einmal geäußert, siehe hier.
Von der Demokratie (siehe auch hier) aus den Sozialstaat zu denken, das kommt im Podcast übrigens gar nicht vor.
Sascha Liebermann