…ein Interview mit Ernst-Wolfgang Böckenförde in der taz aus dem Jahr 2009, das man als Erläuterung seiner vielzitierten und -diskutierten Äußerung über den „freiheitlichen, säkularisierten Staat“ betrachten kann. Was bei wohlwollender Auslegung schon in seinem frühen Aufsatz zu erkennen war, wird hier nun ausdrücklich formuliert. Es besteht immer die Gefahr, dass sich Zitate, die zu Klassikern werden, wie das Böckenförde-Diktum, abnutzen oder verbrauchen könnten, doch in diesem Fall gilt das nicht. Böckenförde hat auf einfache Weise, komprimiert, ausgedrückt, was den freiheitlichen Staat auszeichnet und woraus er sich fortwährend erneuern muss, ohne dies selbst gewährleisten zu können. Damit sind seine Argumente aktuell wie eh und je, haben an ihrer Brisanz nichts verloren. Man denke nur an die jüngste Debatte über das „Bürgergeld“, an Wahlkampagnen, die eine Selbstverständlichkeit zur Sonderleistung erhoben, nämlich „Respekt“ zu zollen, oder an den dauernden Appell an „Eigenverantwortung“. All das wird durch Böckenfördes Ausführungen als Übergriffigkeit und Anmaßung entlarvt – ruht die politische Ordnung doch längst darauf, unaufgeregt, selbstverständlich, es mag uns nur nicht klar genug sein.
Wenn auch er die Verbindung zum Bedingungslosen Grundeinkommen nie gezogen hat, liegt die Verwandtschaft seiner Überlegungen zu einer genau aus diesem Geiste erfolgenden Begründung auf der Hand: aus dem Geist der Demokratie.
Sascha Liebermann