…unter dieser Überschrift rezensiert – wenn man diese Besprechung so nennen kann, in der man über das Buch ziemlich wenig erfährt – Jürgen Kaube in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung das Buch von Anton Jäger und Daniel Zamora Vargas, Welfare for Markets: A Global History of Basic Income (siehe auch hier). Zwei Dinge seien hervorgehoben.
Zum einen ist es ist ja immer wieder erstaunlich, dass Milton Friedman als wichtiger Vordenker benannt wird, hat er doch gerade kein bedingungsloses Grundeinkommen vor Augen gehabt, sondern einen Freibetrag, der durch eine Negative Einkommensteuer (siehe hier und hier) praktisch umgesetzt werden sollte. Die NES bleibt aber dem Erwerbsvorrang verhaftet, ganz anders als das BGE, hierbei handelt es sich um einen strukturellen Unterschied und nicht um eine Kleinigkeit.
Zum anderen schreibt Kaube am Ende dies:
„In einer Arbeitsgesellschaft aber bleibt die Warnung in Kraft, die der englische Science-Fiction-Autor Edward Bellamy schon 1888 in seinem Roman ‚Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 auf 1887‘ geäußert hatte: Nicht zu arbeiten bedeute, sich vom großen Rest der Bürger zu isolieren.“
Man fühlt sich unweigerlich an das jüngste Buch von Axel Honneth erinnert (siehe hier und hier), der den Zusammenhalt gefährdet sieht, wenn Erwerbsbeteiligung nicht mehr von jedem erwartet werde oder gar dessen Pflicht sei. Dabei steht ein BGE der Erwerbsbeteiligung gar nicht im Weg, wie seine Befürworter seit Jahren stetig deutlich zu machen versuchen. Nur steht sie auf einem anderen Fundament, wird vom Sockel geholt – die Entscheidung wird graduell freier, wo der Einzelne sich einbringen will. Davon abgesehen ist es erstaunlich zu glauben, dass sich Bürger als Bürger vor allem am Arbeitsplatz oder in Erwerbsarbeit begegnen. Weiß Kaube denn nicht von all der unbezahlten Arbeit, in der sich ebenso Bürger begegnen und da noch viel mehr als Bürger, als es keine Erwerbsarbeit ist? Gerade in Erwerbsarbeit ist der Status, Mitarbeiter zu sein, verfügbar, also disponibel, das Bürgersein spielt am Rande eine Rolle, ist aber für Erwerbstätigkeit nicht konstitutiv. Man könnte also auch sagen, gerade deswegen ist das kein Ort, an dem sich Bürger als Bürger begegnen, nicht erwerbstätig zu sein führt deswegen auch nicht dazu, „sich vom Rest der Bürger zu isolieren“.
Dass die „Krise der Arbeitsgesellschaft“, wenn man sie als „Ende der Arbeit“ deutet, ein schlechtes, wenn nicht gar kein Argument für ein BGE ist, damit trifft Kaube einen Punkt. Er übergeht aber, dass die Verherrlichung von Erwerbstätigkeit – beinahe um jeden Preis – nun gerade gar nichts mit Leistung und dem Erstellen von Problemlösungen zu tun hat, sondern vielmehr einem paternalistischen Beschäftigungsverständnis folgt.
Sascha Liebermann