In diesem Videozusammenschnitt von den Hamburger Utopie-Wochen 2014 reagiert Niko Paech, Befürworter einer Postwachstumsökonomie, auf das von Ulrich Schachtschneider vertretene „Ökologische Grundeinkommen“. An einer Stelle wird Paechs Haltung zum BGE besonders deutlich (ab Minute 5:40). Wenn „ich“ Geld erhalten will, „dann muss ich auch verdammt noch mal den Arsch hochkriegen und selber in dieser Maschinerie irgendwie Leistung erbringen“. Das sei nötig, weil der Bezieher sonst in einem Schlaraffenland lebe, was naturwissenschaftlich nicht möglich sei.
Kategorie: Postwachstum
Bedingungsloses Grundeinkommen? Aber nicht ohne Umwandlung der Bildungssysteme
Richard David Precht hat sich schon öfter zum Bedingungslosen Grundeinkommen geäußert, ich habe seine Ausführungen immer wieder einmal kommentiert und finde die jüngsten in einem Interview mit Tilo Jung ebenso kommentierenswert. Wie begründet Precht seine Haltung zum BGE (Ab Stunde 1:43)?
Wenn die „Auflösung der Arbeitsgesellschaft“ bevorstehe, dann sei ein BGE aus verschiedenen Gründen wichtig, sagt er: 1) Um den Binnenmarkt zu stärken (Kauftkraftstabilisierung; 2) für das Glück jedes Einzelnen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, und 3) weil ein BGE in Verbindung mit einem umgewandelten Bildungssystem erlaube, auch dann ein erfülltes Leben zu haben, wenn man keinen „nine-to-five-job“ habe.
Ob die „Arbeitsgesellschaft“ sich auflösen wird im Sinne mancher Prognosen bezüglich etwaiger Folgen der Digitalisierung sei dahingestellt. Es mag so sein, vielleicht auch nicht, und wenn es so kommen sollte, so können wir über den Umfang der Auswirkungen nichts Genaues sagen.Technologienutzung ist ein sozialer Prozess und erfolgt nicht automatisch. Das zeigte der französische Historiker Marc Bloch schon für die Verbreitung der Wassermühle. Darüber hinaus steht in Frage, ob es überhaupt angemessen ist, unsere heutigen Lebensverhältnissen als „Arbeitsgesellschaft“ zu bezeichnen, siehe meine früheren Ausführungen dazu hier und hier. Eine Demokratie stützt sich nicht auf Erwerbstätige, sie benötigt Bürger, die sie tragen.
Dass ein BGE den Binnemarkt stärken würde, steht außer Zweifel, denn die Kaufkraftstabilisierung würde zugleich eine Stabilisierung von Investitionen und Verbrauch nach sich ziehen können. Ein Argumente, das viel zu selten bemüht wird.
Von daher wäre es auch erheblich einfacher für den Einzelnen, seinen Bedürfnissen nachzugehen, sofern er dazu ein stabiles Einkommen benötigt. Die normative Relativierung von Erwerbstätigkeit würde dazu führen, heute degradierte Tätigkeiten aufzuwerten, so dass sie zu Haupttätigkeiten werden könnten, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Das wäre ein großer Unterscheid. Precht spricht von solchem Engagement allerdings gar nicht konkret, es ist also nicht ganz klar, was er an dieser Stelle vor Augen hat.
Der dritte Aspekt, den er nennt, ist besonders interessant, weil sich darin eine sehr häufig anzutreffende Vorstellung von Autonomie und Bildungsprozessen zu erkennen gibt. Er unterscheidet zwei Varianten von BGE, die anthroposophisch-humanistische und die Silicon Valley-Version. Diese Gegenüberstellung ist zugespitzt, denn „die“ anthroposophische Variante gibt es ja nicht, da sich unter Anthroposophen ebenso Gegner eines BGE finden, und zwar vehemente. Unter den Befürwortern aus dem Silicon Valley gibt es auch Stimmen wie Albert Wenger, der sehr differenziert argumentiert, wenn es um das BGE geht. Dann sagt Precht etwas, was folgenreich ist. Das BGE alleine könne nicht die gewünschten oder erhofften Wirkungen entfalten, es müsse eine Umwandlung des Bildungssystems dazutreten, da es heute die Menschen „fehlkonditioniert[e]“. Nun kann man manche Kritik am Bildungssystem anbringen, doch von einer Konditionierung zu sprechen, geht in meinen Augen zu weit. Abgesehen davon, dass Bildungsprozesse sich nicht durch Konditionierung vollziehen, fördert das Bildungssystem im besten Fall Bildungsprozesse, im schlechtesten hemmt sie diese. Es kann also entweder dazu beitragen, dass der Apfel etwas weiter vom Stamm fällt oder aber eben genau dies nicht tun. Es ist aber nicht in der Lage, Menschen zu etwas zu machen, das sie nicht sind. Hier überschätzt Precht den Einfluß des Bildungssystems und unterschätzt die Bedeutung von Bildungsprozessen in familialen Zusammenhängen. Kinder müssen auch nicht „lernen“, intrinsisch motiviert zu sein, das sind sie in der Regel ohnehin. Die Frage ist vielmehr, ob dieser Erkundungsdrang von Eltern – und später vom Bildungssystem – unterstützt oder gehemmt wird.
Was traut Precht den Bürgern heute zu? Offenbar nicht allzuviel, wenn er ein BGE nur dann für erstrebenswert erachtet, wenn es ein anderes Bildungssystem gibt. Man könnte dementgegen gerade in die andere Richtung argumentieren, dass, wenn ein BGE einmal gewollt wird, das Denken über Bildung sich vermutlich ebenfalls schon verändert hat. Letztlich läuft Prechts Haltung darauf hinaus, das BGE vorzuenthalten, weil die Bürger nicht selbstbestimmt genug seien, um mit ihm umgehen zu können. Das sehen andere durchaus auch so, z. B. Wolfgang Engler. Wer aber so denkt, muss auch die Gefahr sehen, dass sich Bürger mit etwas „abspeisen“ lassen. Wenn sie das tatsächlich täten, hätten sie es nicht selbst zu verantworten? Ist es aber nicht anmaßend, davon auszugehen, dass sich jemand abspeisen lässt, ohne dafür Gründe zu haben?
Entsprechend entwirft Precht am Ende ein Szenario, welches BGE wohl zu erwarten sei und fragt „Auf wen hört die Bundesregierung“? Nun, auf wen die Regierung hört, das entscheiden die Bürger, wenn sie es wollen. Und wenn nicht, wer ist dann dafür verantwortlich? Die Bürger, wer sonst.
Sascha Liebermann
Erwerbsarbeit, Konsum und das Bedingungslose Grundeinkommen – ein vernachlässigter Zusammenhang
Seit einiger Zeit wird der Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens mit weiteren Vorschlägen verknüpft, die für notwendig erachtet werden, damit das BGE als emanzipierend (Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung) sowie ökologisch sinnvoll und nicht als neoliberal oder konservativ bezeichnet werden könne. Diese Auffassung vertitt z. B. die BAG Grundeinkommen, jüngst wieder Ronald Blaschke, aber auch Ulrich Schachtschneider hält das in seinem Vorschlag für ein ökologisches Grundeinkommen für unerlässlich (siehe hier und hier).