„Es ist still ums Thema“…

…schreibt Reinhard Wolff in der taz und verweist auf den Endbericht (Zusammenfassung in Englisch hier, ein Gespräch dazu hier, ein Beitrag von Scott Santens hier) zum finnischen Experiment und der Diskussion darüber, was es wohl in Finnland zu Beginn der Pandemie bedeutet hätte, eine solche Einkommenssicherung gehabt zu haben. Doch sei es still geworden um das Thema, wobei man sagen muss, dass es diese mediale Stille immer wieder gegeben hat (siehe meine Kommentare z. B. dazu hier). Sie ändert allerdings nichts am festen Platz, die ein Bedingungsloses Grundeinkommen in der öffentlichen Diskussion hat. Die Frage ist nur, wann daraus ernst werden könnte?

Es gab wiederholt Dokumentationen, in denen Gesprächsausschnitte gezeigt wurden, die manchen Einblick geben, den standardisierte Befragungen, wie sie in der Regel durchgeführt werden, nicht erlauben, und zwar zu erfahren, wie konkret jemand mit dem Grundeinkommen umgegangen ist und darüber denkt, z. B. in dieser Dokumentation, die auf ARTE gezeigt wurde.

Norbert Blüm meinte zum Experiment „Die Bürger sind doch keine Mäuse, an denen man wie im Labor etwas ausprobiert“, womit er einen wichtigen Punkt bei all diesen Experimenten getroffen hat.

Weitere Beiträge von uns zum Experiment hier und hier.

Sascha Liebermann

„Das System wirkt, als wäre es gemacht, um es den Empfängern schwer zu machen“ – das ist seine tatsächliche Wirkung

„Beim Bedingungslosen Grundeinkommen nimmt der Staat der Öffentlichkeit die Illusion, Erwerbstätige sorgen für sich selbst“

Siehe auch unsere früheren Kommentare zu Ausführungen von Dominik Enste und Holger Schäfer, beide Institut der deutschen Wirtschaft, zum Bedingungslosen Grundeinkommen und zur Frage der Abhängigkeit vom Staat, die es angeblich erhöhe.

Sascha Liebermann

„Why should we pay UBI to rich people?“

Siehe dazu auch den Kommentar zu einer Anmerkung Gregory Mankiws, Professor of Economics an der Havard University, zum Universal Basic Income hier.

Sascha Liebermann

„Faulheit sei nichts typisch Menschliches, das […] abtrainiert werden müsse“…

…, das ist zutreffend. Wie ließe sich das zeigen? Dafür hilfreich ist, was Ulrich Oevermann in seinem „Strukturmodell von Religiosität“ herausgearbeitet hat und zahlreich in fallrekonstruktiven Analysen gezeigt wurde. Die Lebenspraxis muss stets Entscheidungen treffen – und das ist als solches herausfordernd (siehe dazu diesen Vortrag und auch hier). Die moderne Demokratie als politische Herrschaftsform hat diese Selbstbestimmung zur Norm erhoben. Vor diesem Hintergrund ist „Faulheit“ ohnehin nur etwas, das sich als Abweichung von dieser Norm verstehen lässt, wobei Selbstbestimmung damit gleichgesetzt wird, sie in Erwerbstätigkeit bzw. Erwerbserfolg münden zu lassen. Jemandem „Faulheit“ zu attestieren, wenn er nicht genügend Aktivität oder Anstrengungsbereitschaft an den Tag legt,  spiegelt diese Engführung wider und verabscheut Muße als Zustand der zweckfreien Auseinandersetzung mit etwas um seiner selbst willen.

Sascha Liebermann

„Fördern und Fordern“ = pädagogisierende Bevormundung statt Selbstbestimmung…

…,wer es mit dem Fördern hingegen ernst meint, muss Selbstbestimmung absichern, damit sich jemand für Angebote entscheiden kann, ohne bei Zurückweisung Sanktionen befürchten zu müssen. Das wäre autonomiebekräftigendes Fördern ohne pädagogisierende Anleitung. Apropos Finnland: vielleicht hat denjenigen, die dortiges Grundeinkommen erhalten haben, das in ihrer Situation am meisten geholfen. Statt einseitige Auslegung der Ergebnisse, differenzierte Betrachtung nötig.

Sascha Liebermann

„Es kann keine Daten geben, wie sich ein BGE auf Löhne auswirkt“…

…deswegen kann man sich, wie BGE Eisenach zurecht sagt, auch auf keine Studien beziehen. Außerdem müssen solche Studien, sollen sie brauchbare Daten haben können, ex post durchgeführt werden, also nach Einführung. Erst dann lassen sich Schlüsse darauf ziehen, wie Unternehmen reagiert haben. Da Mindestlöhne – das ist der Vergleich hier – aber nicht zu einer Machtverschiebung zwischen Arbeitnehmern und -gebern führen, sind die Daten ohnehin nicht vergleichbar. Dass höhere Ausgaben von Unternehmensseite „eingepreist“ werden ist zum einen eine Binsenweisheit, weil der Absatz die einzige Einnahmequelle ist, zum anderen allerdings unsicher, denn die Einpreisung gelingt nur, wenn der Absatz nicht nachgibt, Kunden also weiterhin die Produkte kaufen.

Sascha Liebermann

Treffende Entgegnung auf kein Argument und Behauptungen

Der Beitrag von Thieß Petersen, auf den David Stier Bezug nimmt, weist auf „große Unsicherheiten“ bezüglich der Folgen im Falle einer Einführung eines BGE hin, das sind aber nur Vermutungen: „Im Ergebnis sind die makroökonomischen Folgen, die sich aus der Einführung eines BGE ergeben, mit einer hohen Unsicherheit verbunden. Diese Folgen hängen maßgeblich von den Verhaltensänderungen der privaten Haushalte und der Unternehmen ab. Deren Reaktionen ’sind jedoch bei großen strukturellen Veränderungen schwer vorauszusehen‘.“ Die entscheidende Frage ist also, auf Basis welcher „Verhaltensannahmen“ wird argumentiert und wie lassen sich diese empirisch belegen?

Sascha Liebermann

„Das bedingungslose Grundeinkommen und die Schweiz. Eine republikanische Perpektive“…

…nachdem jüngst verkündet wurde, dass es in der Schweiz wieder eine Eidgenössische Volksinitiative zum Bedingungslosen Grundeinkommen geben soll, sei ein Literaturhinweis erneuert, den wir schon für die Volksabstimmung 2016 veröffentlicht hatten.

Im Jahr 2010 veröffentliche Eric Patry seine Doktorarbeit, für die er an der Universität Sankt Gallen promoviert wurde. Sie erkundet die Wurzeln des Schweizer Republikanismus und untersucht, welche Anknüpfungspunkte das Schweizer Gemeinwesen historisch und politisch konkret für das Bedingungslose Grundeinkommen aufzuweisen hat. Die Arbeit folgt damit einem Zugang zur Thematik, der äußerst selten gewählt wird und ist deswegen angesichts der bevorstehenden Volksabstimmung von besonderem Interesse.

Bedauerlicherweise scheint der Verlag das Buch nicht mehr anzubieten, Grund genug für eine Neuauflage.

„Eine Möglichkeit, wieder aktiv zu werden“ – Rückschau auf ein instruktives Missverständnis

Viele Jahre liegt es zurück, da gab Philippe Van Parijs, anlässlich des Grundeinkommenskongresses 2005 in Wien, neues deutschland ein Interview. Es war die Zeit, als die BGE-Diskussion wieder in Gang gekommen ist (zu Entstehung und Verlauf der Debatte siehe hier und hier), die dazu beigetragen hat, dass der Vorschlag heute seinen festen Platz in der sozialpolitischen Diskussion hat. Van Parijs spricht im Interview über seine Anfänge in der Beschäftigung mit der Idee, über BIEN, dessen Gründungsmitglied er ist, und äußert sich zum Slogan „Freiheit statt Vollbeschäftigung“, mit dem meine Mitstreiter und ich damals anfingen, uns für eine öffentliche Debatte einzusetzen. Was sagte Van Parijs?

„Nicht alle Grundeinkommensbefürworter – auch auf dem Kongress – stimmen damit überein, dass der Begriff der Arbeit so eng an das Grundeinkommen geknüpft ist. Das kann zu Missverständnissen führen.

Das habe ich gemerkt. In Deutschland gibt es eine kleine Organisation für die ich Sympathie habe. Aber ihren Slogan: »Freiheit statt Vollbeschäftigung« kann ich nicht gutheißen. Für mich ist das nicht die richtige Opposition. Bezahlte Arbeit darf zwar nicht das einzige Ziel im Leben sein aber man sollte auch nicht einen derartigen Kontrast zwischen Grundeinkommen und Vollbeschäftigung herstellen. Wenn man Vollbeschäftigung nicht als Vollzeitarbeit für alle deutet, sondern als Möglichkeit für alle Leute, die eine Arbeit wollen, eine Arbeit zu finden, bekommt der Begriff eine ganz andere Dimension. Grundeinkommen bedeutet nicht die Arbeit aufzugeben. Im Gegenteil – es ist eine Möglichkeit, dass die Leute wieder aktiv werden. Zur Zeit gibt es eine repressive Form des aktiven Sozialstaates – wie in Deutschland Hartz IV. Aber es gibt auch eine emanzipatorische Form des aktiven Sozialstaates: das Grundeinkommen.“

„Eine Möglichkeit, wieder aktiv zu werden“ – Rückschau auf ein instruktives Missverständnis weiterlesen