Alleine schon die Frage ist bezeichnend…

…, denn wenn in der Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen die mit Sorge bedachte Frage gestellt wird, wer denn dann wohl noch die „unangenehmen“ Arbeiten machen würde, ist das nicht irgendeine Frage. Dass es etlichen Regelungsbedarf gibt, bevor ein BGE eingeführt werden kann, ist nicht strittig, all das muss bedacht werden. Doch die hier in Rede stehende Frage zielt gar nicht auf Regelungsbedarf, sie zielt auf eine die politische Ordnung auszeichnende Selbstverständlichkeit, auf ihr Fundament. Wenn die Sorge formuliert wird, es könnten bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden, wird davon ausgegangen, heute könnte deren Ausführung garantiert werden – das ist jedoch gar nicht so. Wo es keine Zwangsarbeit gibt, wie bei uns, kann auch nichts garantiert werden diesbezüglich. Und selbst der Zwang würde noch nicht dafür sorgen können, dass diese Aufgaben angemessen erledigt würden. Wir können alle möglichen Regelungen verabschieden, erlassen, uns ausdenken, doch eines erreichen sie nicht: etwas zu garantieren, ohne dass diejenigen, denen die Regelungen gelten, sie auch tragen. Ohne die Bürger in ihrer unverfügbaren Stellung geht eben gar nichts. Zwar sorgt der normative Vorrang von Erwerbstätigkeit heute dafür, dass erheblicher sozialer Druck auf den Einzelnen entsteht, Einkommen auf diesem Weg zu erzielen und dieses Sollen ist sogar mit Sanktionen abgesichert. Doch es stellt nicht sicher, dass Aufgaben auch erwerbsförmig erledigt werden. Deswegen also ist die Frage so bezeichnend, sie sorgt sich um etwas in der Zukunft, um das sie sich in der Gegenwart schon sorgen müsste. Sie täuscht sich selbst darüber, wie die gegenwärtigen Verhältnisse sind. Diese Selbsttäuschung ist die größte Hürde.

Sascha Liebermann

FRIBIS-Nachwuchsforschungsgruppe schreibt Promotionsstellen aus

Das Freiburger Institut zur Erforschung des Grundeinkommens (FRIBIS) an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bietet zum nächstmöglichen Zeitpunkt im Rahmen der
FRIBIS-Nachwuchsforschungsgruppe
insgesamt
6 Promotionsstellen (wissenschaftliche Mitarbeitende)
befristet für die Dauer von zunächst 3 Jahren mit 75 % und Vergütung gemäß TV-L 13.

Weitere Infos finden Sie hier.

Das Menschenbild des Grundeinkommens ist keine Zukunftsmusik – Sozialstaat und Demokratie im Widerspruch

In einem Interview mit Jürgen Schupp auf der Plattform Xing werden etliche Fragen rund um ein Grundeinkommen gestellt, die Antworten geben Einblick in den Stand der Diskussion und darein, wie Jürgen Schupp die Aussichten für eine Einführung einschätzt. Zwei Stellen seien hier kommentiert. Gleich zu Beginn geht es um die Frage, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, in der Pandemie ein BGE einzuführen, statt die vielen nicht zielgenauen Hilfsmaßnahmen zu ergreifen. Schupp antwortet darauf:

„Jürgen Schupp: Es ist komplex, ein Grundeinkommen blitzartig zu verzahnen mit unseren bestehenden Leistungen der sozialen Sicherung und auch der Besteuerung. Außerdem wissen wir noch zu wenig über die Makroeffekte, die ein Grundeinkommen auslösen würde. Dazu brauchen wir eine grundlegende Debatte innerhalb der Wissenschaft und auch entsprechende empirische Studien. Was macht es mit den Preisen, wenn den Einwohnerinnen und Einwohnern einer ganzen Kommune ein Grundeinkommen gezahlt wird? Hilft es gegen Armut? Zieht es Menschen aus anderen Orten an? Was passiert mit den Löhnen? Diese Fragen müssen wir zuerst klären.“

So treffend hier die Komplexität des Zusammenwirkens herausgestellt wird und wir in der Tat tatsächliche Auswirkungen nicht kennen, können wir doch sagen, was ein BGE strukturell veränderte, welche Handlungsmöglichkeiten es schüfe, welche normativen Umwertungen es vornähme. Die Frage, zu welchen Auswirkungen das führt, hängt ganz wesentlich davon ab, wie die Bürger auf der Basis dieser Handlungsmöglichkeiten tatsächlich handeln. Genau das aber lässt sich nicht simulieren bzw. nur im Sinne einer Scheingewissheit (siehe dazu hier und hier, zum Pilotprojekt auch hier). Nun ist das nicht nur hier der Fall, es gilt ganz allgemein für Veränderungen, das sehen wir in der Pandemie lediglich ganz besonders deutlich und es ist ein Signum allen Entscheidens, das der Ausgang offen ist.

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