Vor einigen Wochen haben wir in unserem Blog den Entwurf zu einer „Grünen Grundsicherung“ kommentiert und auf systematische Schwächen dieses Vorschlages aufmerksam gemacht. Anlaß war, daß es mehr und mehr Vorschläge gibt, die als bedingungsloses Grundeinkommen dargestellt werden, in ihrer Konzeptionierung aber das bedingungslose in ein bedingtes Grundeinkommen verwandeln, z.B. durch einen zu niedrig angesetzten Betrag.
Mittlerweile hat Bündnis 90/ Die Grünen (Baden Württemberg) ein Diskussionsportal zur Grünen Grundsicherung eingerichtet. Der dort abgelegte längere Eröffnungsbeitrag, verfaßt von Thomas Poreski (einem der Verfasser des kommentierten Vorschlags), ist hier Anlaß zu einem Nachtrag.
Es heißt dort: „Jede Alternative muss deshalb so konkret ausformuliert sein, dass sie nicht nur philosophischen, sondern auch politischen Maßstäben genügt“. In der Tat ist dies wichtig, doch läßt die Gegenüberstellung von philosophisch und politisch erahnen, wodurch ein Vorschlag „konkret“ wird. Grundsätzliche Erwägungen, wie wir sie seit Beginn vorgenommen und in der öffentlichen Diskussion zu verbreiten versucht haben, gelten wohl eher als philosophisch. Sie sind nicht darauf gerichtet, Umsetzungsschritte zu entwerfen, sondern grundlegende Fragen auszuleuchten, die es dann erst erlauben, bedacht über Umsetzungsschritte zu diskutieren. Das „Philosophische“ ist also in der Tat sehr „praktisch“, wenn es darum geht, Wirkungszusammenhänge menschlichen Handelns deutlich zu machen und damit mögliche Wirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens auszuleuchten.
Da die öffentliche Diskussion aber noch nicht so weit ist, daß der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens in der Breite aufgenommen wird, wäre es zum einen zu früh, detaillierte Festlegungen vorzunehmen, zum anderen illusionär, wenn man glaubte, über Auswirkungen mehr als begründete Vermutungen aussprechen zu können. Wenn es in dem besprochenen Statement heißt: „Das Modell ist durchgerechnet, aber nicht ‚fertig‘, sondern wird mit vielen Inputs ständig weiterentwickelt“, dann wird – bei allem guten Willen – etwas behauptet, das in der Tat philosophisch abstrakt, aber nicht praktisch ist. Ein Modell kann allenfalls eine Zukunft simulieren, nicht aber sie errechnen. Was nun nach der Einführung eines bGE passieren wird, wie sich die Wirtschaftsdynamik entwickelt, wie sich die Wertschöpfung verändert, wie sich die Preisrelationen für Güter entwickeln – all das läßt sich nicht errechnen. Vom Handeln der Menschen aber hängen die Statistiken, die Datenkorrelationen, ab, mit denen wir über die Offenheit jedes Handelns allzuoft hinweggetäuscht werden sollen.
Weiter heißt es, bGE und Mindestlöhne schließen sich nicht aus. Ganz recht, wer das Grundeinkommen niedrig ansetzt, muß Mindestlöhne anstreben, damit Erwerbsarbeit auch tatsächlich das Auskommen sichert – doch nur für die Erwerbstätigen. Der fürsorgliche Vorbehalt Thomas Poreskis, daß Mindestlöhne diejenigen schützen, die weniger selbstbewußt im Aushandeln eines Lohnes sind, ist noch erwerbsfixiert. Er löst sich in Luft auf, wenn das bGE hoch genug ist. Was der Einzelne dann aushandelt, muß er auch verantworten, diese Last sollte ihm nicht genommen werden, zumal er jederzeit wieder von neuem und damit seinen Vorstellungen gemäß wieder verhandeln kann.
Wird nun das bGE in Verbindung mit einer Negativen Einkommensteuer gebracht, geschieht mit dem Grundeinkommen dasselbe wie im Vorschlag von Dieter Althaus: es wird vor seiner Auszahlung verrechnet. Damit ist ein entscheidender Charakter des Grundeinkommens (siehe den Beitrag zu Althaus) verloren: Daß jeder Bürger das bGE zu jeder Zeit erhält, und zwar nicht nach Besteuerung der Einkommen, sondern davon unabhängig. Die Umstellung unseres Steuerwesens von der Einkommens- zur Verbrauchsbesteuerung (Konsum) ist dafür wesentlich.
Sascha Liebermann