„Mein Leben zählt nicht mehr – na und?“ – Weshalb aber wird das so wahrgenommen?

Eine Antwort auf diese Frage ist der entscheidende Wegweiser in der Diskussion um eine Sozialpolitik, in deren Zentrum das Individuum steht, und zwar in seiner Würde einfach so. Was Jörg Wimalasena in seinem Beitrag auf Welt Online schildert, in dem er über Ergebnisse einer finnischen Studie berichtet, ist nicht neu und dennoch bleibt eine entscheidende Frage unerwähnt. Weshalb Erwerbslosigkeit diese Folgen hat?

Wie in vielen Studien und ebenso in der sozialpolitischen Diskussion wird allzuschnell festgestellt, dass der Verlust von Erwerbsarbeit zu sozialem Ausschluss führt, zu einer Stigmatisierung der Betroffenen, ohne allerdings zu erklären, woher das rührt. Nicht der Verlust als solcher führt zu diesen Folgen, sondern die Stellung von Erwerbstätigkeit als Erwerbsgebot, als normativ gefasste Bewertung von Handeln, an dem der Einzelne gemessen wird. Deswegen ist der Einkommensverlust, der bedeutsam ist, zugleich eine Abweichung vom Erwarteten, damit ein Versagen derer, die in die Lage geraten, auf Ersatzleistungen des Sozialstaats angewiesen zu sein. Es ist diese Abweichung vom Erwerbsgebot, die hinter den geschilderten Erfahrungen steht, über die Wimalasena berichtet. Das zu sehen ist wichtig, weil dann erst ermessen werden kann, was ein Bedingungsloses Grundeinkommen, das im Artikel behandelt wird, daran ändern würde. Zwei Fliegen schlüge es mit einer Klappe, es stellte verlässlich Einkommen bereit und dieses Einkommen wäre nicht mehr wie heute eine Reparaturleistung dafür, dem Erwerbsgebot nicht zu folgen. Es würde eben zum Ausdruck bringen, dass die Würde nicht am Erwerbsverhältnis hängt, dass der Einzelne eben nicht ins Abseits gerät, nur weil er nicht erwerbstätig ist. Heute ist das aber genau so. Es kommt also darauf an, auf welcher normativen Basis „Bildungs-, Betreuungs- und Beratungsangebote“ ruhen, welche Ziele sie haben, welchem Zweck sie dienen – nicht einfach, dass es sie gibt.

Sascha Liebermann