„Zugehörigkeit“ und „Nutzen“…

…ist es aber nicht gerade der Vorrang von Erwerbstätigkeit, der genau Moment der Desintegrationsdynamik ist? Zugehörigkeit im Sinne vollumfänglicher Rechte und eines entsprechenden Status hat man in einer modernen Demokratie zuallererst durch Staatsbürgerschaft. Dadurch wird der entscheidende „Zusammenhalt“ zum Ausdruck gebracht und befestigt, sie ist die stärkste Form der Inklusion oder auch Integration. Ein entsprechender Sozialstaat müsste also diese Zugehörigkeit zum Ausgangspunkt der Einkommenssicherung machen, das widerspricht jedoch dem Vorrang von Erwerbstätigkeit, der unseren Sozialstaat regiert.

Sascha Liebermann

Grundeinkommen und Landwirtschaft

Siehe dazu auch diese Beiträge von uns hier und hier.

Die Unterhaltsfrage…

…stellte sich anders, so ist es. Siehe meine früheren Kommentare dazu hier, die in meinem Buch publizierte Fassung hier.

Sascha Liebermann

20 Jahre Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung,…

…wenn uns das damals jemand vorhergesagt hätte, wie lange wir uns einst engagieren würden, um die Diskussion zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) zu fördern, hätten wir wohl eher abgewunken, denn so weit voraus dachten wir gar nicht, vor allem nicht, dass die öffentliche Diskussion eine so zähe Angelegenheit sein würde – in den Debatten, ja geradezu Ausfälligkeiten gegenüber dem „Bürgergeld“ scheint wieder aufzuleben, was man eigentlich für vergangen halten musste. Zugleich wäre es nicht verwegen in unseren Augen, wenn man behauptet, die öffentliche Auseinandersetzung um ein BGE habe einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, zumindest zaghafte Schritte zu eröffnen, die Schärfen von „Hartz IV“ zu mildern.

Bevor wir im Dezember 2003 (hier geht es zu den Plakaten) mit einer Plakataktion in Frankfurt am Main an die Öffentlichkeit traten, es war die Hochzeit der Diskussion um die Agenda 2010, mussten wir zuerst einmal überlegen, wie wir vorgehen wollen, das betraf sowohl die Thesen bzw. Argumente als auch die Form, in der sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Um die Thesen mussten wir lange ringen – die knappe Form, die Zuspitzung, waren ein Prüfstein. Die unbefangenen Blicke anderer, die unvoreingenommen darauf schauten, gaben uns hilfreiche Anmerkungen.

Internetseiten waren damals im Kommen, also griffen wir dazu, zumal es die Möglichkeit bot, auf einfache Weise unsere Überlegungen zu verbreiten. Zu Beginn war sie recht leer, über uns selbst erfuhr man nichts, all das kam mit der Zeit, durchaus auf Anregung anderer, wie auch der Blog erst viel später gestartet (2006) und noch einiges später regelmäßig genutzt wurde, das sieht man an der Beitragsmenge in den jeweiligen Jahren (siehe hier). Gerade in den ersten beiden Jahren war der Aufwand für uns erheblich, denn zum einen sollte der Vorschlag Verbreitung finden, die Aktionen mussten geplant und vor allem, als Folge der Aktionen, die Korrespondenz erledigt werden, das große Interesse überraschte uns. Klar war uns allerdings, dass das nicht ausreicht, es musste eine Auseinandersetzung im öffentlichen Raum stattfinden, entsprechend mussten die Thesen eben dort anzutreffen sein. So kamen wir auf die Idee, Plakate dafür einzusetzen und sie auf Mietflächen anbringen zu lassen, zuerst in Frankfurt am Main, dann in anderen Städten, später kamen noch Fensteraufkleber für U- und Straßenbahnen dazu.

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Ist die Frage nach der Finanzierbarkeit das „wichtigste Argument“ gegen ein BGE?

Marcel Fratzschers Beitrag erschien auf Zeit Online. Er behauptet darin folgendes:

„Das wohl wichtigste Argument dagegen [gegen das BGE, SL] ist die Finanzierbarkeit: Die notwendigen Steuererhöhungen würden das Land in den wirtschaftlichen Ruin treiben.“

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So ist es,…

…dass dies überhaupt herausgestellt werden muss, zeigt, wie missverständlich mit Studienergebnissen aus Simulationen umgegangen wird. Nicht selten werden Schätzungsbefunde auf der Basis von Modellrechnungen als Tatsachenbehauptungen ausgegeben, obwohl doch klar sein müsste, dass diese Schätzungen keine Tatsachenaussagen sein können. Im vergangenen September schon hatte sich Patrick Bernau in der FAZ auf dieselbe Studie bezogen, siehe meinen Kommentar zu Bernaus Ausführungen hier, zum Beitrag von Christoph Sackmann im focus hier. Letzterer gibt immerhin zu bedenken, dass es sich nur um Modellrechnungen handelt. Alexander Spermann hatte sich zu bislang vorgelegten Modellrechnungen ebenfalls schon kritisch geäußert.

Sascha Liebermann

„Wir brauchen Chancen von Menschen, in Arbeit zu kommen“,…

…so Hubertus Heil in dem hier verlinkten Interview. Es gehe „auch um Gerechtigkeit“, es brauche „Chancen“, es gehe um „Eigenverantwortung“. Doch die „kleine hartnäckige Gruppe“, die jedes Angebot ausschlage, sei das Problem.

Nun, wenn es um Chancen geht, dann braucht es keine Sanktionen, denn Chancen sind nur solche aus der Perspektive einer Person, die diese ergreifen oder sie auch nicht ergreifen kann. Chancen sind positiv konnotiert, sie sind etwas Wünschenswertes. Wenn sie keine Wahl hat, wie Heil es vertritt, sind es keine Chancen, dann sind es Auflagen oder Vorschriften bzw. kollektive Erwartungen. Diese sprachkosmetische Verschleierung lüftet Heil sogleich, wenn er deutlich macht, dass es nicht akzeptabel ist, wenn diese „Chancen“ nicht ergriffen werden. Dann sollte man sie nicht als solche bezeichnen, auch wenn diese Redeweise schon unter Bundeskanzler Schröder anzutreffen war. Man könnte stattdessen einfach sagen, dass von dem Gemeinwesen nach gegenwärtiger Lage schlicht und einfach erwartet wird, dass Erwerbstätigkeit geleistet wird, ganz gleich, was die Menschen sonst für Sorgen oder auch Aufgaben haben. Dann spart man sich auch die Überlegung, weshalb denn verweigert wird, was die Hintergründe sind. Ob das dann dem Gemeinwesen zuträglich ist? In jedem Fall werden dann Erwartungen erfüllt.

Sascha Liebermann

„Es dürfen doch nur maximal 30 Prozent gekürzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Hat es nicht“

Daran erinnert Stefan Sell in seinem Blog anlässlich der jüngsten Diskussion um die Vorschläge des Bundesarbeitsministers. Sell zitiert ausführlich aus dem Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 und zeigt auf, wie verschlungen die argumentativen Pfade sind. Zusammenfassend sagt er:

„Eine Exegese des Urteils des BVerfG vom 5. November 2019 eröffnet tatsächlich die grundsätzliche Option einer auch über die immer wieder zitierte „Grenze“ von 30 Prozent-Kürzungen hinausreichende Sanktionierung. Und genau auf diesen Aspekt der Argumentation der Verfassungsrichter wird die nunmehr geplante gesetzgeberische Maßnahme abstellen müssen.“

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