„Abwrackprämie“ zurechtgerückt…

…von Hartmut Rosa in diesem Gespräch. Allerdings würde ich das insofern anders deuten, als die gegenwärtige Grundsicherung zwar, wie Rosa zurecht sagt, signalisiert, wer nicht erwerbstätig ist, leistet nichts für das Gemeinwesen, doch will die Grundsicherung die Bezieher gerade an eine Stelle lenken, die das Gemeinwesen als die richtige erachtet. Nicht werden sie als solche also „abgewrackt“, nur das Leben jenseits der Erwerbstätigkeit wird nicht für sich gelten gelassen. Vielleicht wird im Gespräch, wovon hier nur ein Ausschnitt zitiert wird, deutlicher, dass Rosa das auch im Auge hat.

Sascha Liebermann

Treffende Antwort. Wenn der Mensch zur Ressource wird, ist er kein selbstbestimmtes Subjekt mehr…

…, das mag man für eine sprachliche Kleinigkeit handeln, ist aber keine. So wie der Mensch hier zur Quelle degradiert wird, die abgeschöpft oder benutzt werden kann, begegnet man ihm auch in der politischen Diskussion, wenn Bürger nicht als mündige Individuen betrachtet werden, sondern als solche, die gelenkt und gesteuert werden müssen. Alleine schon solche Begrifflichkeiten wie „Abwrack-„, „Stilllegungs-“ oder „Stillhalteprämie“, mit denen das BGE belegt wird, behaupten, die Bürger würden durch eine Geldleistung zur Manövriermasse, dadurch in die Passivität verdammt. Dafür symptomatisch ist die überall präsente Rede von „Anreizen“, von denen in der Regel genauso undifferenziert gesprochen wird.

Sascha Liebermann

Ein Umschwung – ohne grundsätzliche Änderung,…

…wie ist das möglich, wenn doch Sanktionen erhalten bleiben? Wohin sollen denn die Sanktionen führen, etwa nicht in Erwerbstätigkeit?

Sascha Liebermann

„Armut ist über die vergangene Dekade deutliche angestiegen“

Fahrlässig…

…, auch wenn ich nicht von „Lügen“ sprechen würde, so ist es doch fahrlässig, Berechnungen anzustellen, die sehr schnell als falsch erkannt werden von Dritten und damit in die öffentliche Debatte an so prominenter Position einzugreifen. Von einem Journalisten muss man mehr Sorgfalt erwarten, wie von manch anderem auch.

Sascha Liebermann

Kommentar zur überarbeiteten Version der Studie des IfW Kiel…

…, wieder ist es aufschlussreich, wie Sozi Simon kommentiert, wie unübersichtlich das Leistungsgefüge ist und wie schnell Berechnungen aufgrund bestimmter Annahmen in eine bestimmte Richtung weisen.

Was ich allerdings nicht teile, ist die sehr vereinfachte Betrachtung von „Anreiz“, denn hier haben schon die Studien von Vobruba und Kollegen vor Jahren gezeigt, dass die Gründe dafür, die Erwerbsteilnahme nicht zu erweitern, vielfältig sind und keineswegs mit dem Lohnabstand zuerst zu tun haben.

Überhaupt ist der Begriff schon irreführend, weil es sich bei „Anreizen“, so wie meist darüber gesprochen wird, nur um Handlungsmöglichkeiten handelt, um mehr nicht. Wer mit fallrekonstruktiver Forschung (siehe auch hier) vertraut ist und detailliert Forschungsgespräche (Interviews) auswertet, den wird das ohnehin nicht überraschen, denn die Eindimensionalität und der Reduktionsmus mancher Behauptungen, die bezüglich der Leistungsmotivation immer wieder im Raum stehen, resultiert daraus, dass in standardisierten Daten (Befragungen), die Komplexität und durchaus auch Widersprüchlichkeit der Deutungswelten der Befragten, nicht zum Ausdruck kommt. Eine methodische Beschränkung führt hier zu abstrahierenden Vereinfachungen.

Sascha Liebermann

„Die Debatte über die Sanktionen war überzogen“…

…ein sehr interessantes Interview mit der Leiterin des Frankfurter Jobcenters in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Bezahlschranke). Sie sagt zwar nichts, was einen überraschen kann, wenn man sich mit der Materie ein wenig befasst hat, aber ihre Ausführungen sprechen aus Erfahrung, sind bodenständig und verklären nicht die Asymmetrie zwischen Jobcenter und Leistungsbezieher zu einem Verhältnis „auf Augenhöhe“.

Sie bedauert, dass das Bürgergeld in einer veränderten Variante zur Entscheidung steht, weil dem Jobcenter damit Möglichkeiten verloren gehen, auf Sanktionen zu Beginn zu verzichten. Sie erkennt darin dennoch eine neue Grundlage für ihr Handeln und hält es auch für wichtig „Menschen dauerhaft aus der Arbeitslosigkeit zu holen“, das sei „das richtige Ziel“. Hier ist sie der gängigen Deutung treu, als müssten sie herausgeholt werden, statt sie dort hinausgehen zu lassen, wenn sie es für richtig erachten.

Vollkommen klar sieht sie die Lage derer, mit denen das Jobcenter zu tun hat. Unter denjenigen, die das Jobcenter aufsuchen, sind Langzeitarbeitslose gemäß der Definition des Sozialgesetzbuches:

„Darunter sind viele Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, viele Alleinerziehende, viele Ausländer, viele Geringqualifizierte ohne eine abgeschlos­sene Berufsausbildung. Neu hinzugekommen sind die Soloselbständigen, deren Einkommen in der Pandemie plötzlich wegbrach. Daneben gibt es nicht wenige, die Vollzeit arbeiten, aber ergänzend Grundsicherung beziehen, weil das Geld sonst für sie und ihre Familie nicht reicht.“

Ungeschminkt, von Arbeitsverweigerung, Hängematten usw. ist keine Rede. Und sie fährt fort:

„Da kommen oft mehrere Probleme zusammen: Ein großer Teil der Langzeitarbeitslosen hat Schulden oder eine schwere Erkrankung, zum Beispiel eine Suchtproblematik oder psychosoziale Nö­te. Auch eine fehlende Qualifizierung und mangelnde Motivation können eine Rolle spielen. Und manchmal ist es alles auf einmal. Dann haben die Menschen gar nicht den Kopf dafür frei, sich eine Arbeit zu suchen.“

„Die Debatte über die Sanktionen war überzogen“… weiterlesen