Videoaufzeichung eines Vortrags von Sascha Liebermann online

Am 10. September hielt Sascha Liebermann einen Vortrag im Rahmen der „Coesfelder BürgerUniversität“, verantaltet von der FernUniversität Hagen. Er referierte unter dem Titel „Freiheit statt Vollbeschäftigung? Der Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger“. Der Vortrag steht nun in der Mediathek der FernUniversität zum Anschauen bereit.

„Wo sind unsere Utopien hin?“ – Literaturwochen in der Studiobühne Siegburg


Vom 8. bis 15. November finden die Literaturwochen in der Studiobühne Siegburg statt. Hier die Termine:

Ulrike Hermann „Sieg des Kapitals“ | „Aufruf zur Revolte“ | Dokumentarkino im Theater  „Frohes Schaffen“ | „Das Bedingungslose Grundeinkommen“ Prof. Dr. Sascha Liebermann | Raphael Fellmer „Glücklich ohne Geld“

 

 

Lokführerstreik, Bruttoeinkommen und Rentenanwartschaft

Da die Streiks von Lokführern (GDL) und Piloten (Cockpit) Gegenstand breiter Berichterstattung waren, sei hier auf eine Meldung der Nachdenkseiten (Nachdenkseiten, Hinweise des Tages, 1e) hingewiesen, die auf einen Zusammenhang hinweist, der in der Berichterstattung vernachlässigt wird.

„Sehr geehrte Damen und Herren der NachDenkSeiten,
auch wenn ich nicht gerade studiert habe und daher vielleicht auch nicht ausreichend intellektuell erscheine, so erlaube ich mir dennoch im Zuge der Streiks von GDL und Cockpit auf 2 Phänomene aufmerksam zu machen, die aus meiner Sicht zu wenig Beachtung finden! […] In der breiten Bevölkerung scheint diese Problematik aber nicht angekommen zu sein, worauf ich auch meine beiden Töchter, die glücklicherweise eine unbefristete Stelle als Industriekauffrauen mit jeweils ca. 2.400,00 Brutto monatlich erhalten haben, erst aufmerksam machen mußte! Sie waren mehr als sprachlos!“

Augenscheinlich ist, worum es geht. Das Bedingungslose Grundeinkommen böte hier eine Perspektive, die in eine andere Richtung weist.

Irrwegige Begründungen für „so etwas wie ein Grundeinkommen“

Von Anerkennung der Bürger um ihrer selbst und des Gemeinwesens um seiner selbst willen, ist keine Silbe zu vernehmen. Die Begründungen, die Richard David Precht für das Grundeinkommen, vom BGE spricht er gar nicht, anführt, beziehen sich auf die Arbeitsmarktsituation. Damit bliebe das BGE jedoch eine Kompensationsleistung, wobei nicht einmal klar ist, ob er ein solches vor Augen hat (genauso wenig wie bei Jean-Claude Juncker oder dem früheren Bundespräsidenten Horst Köhler). Das wird in einem anderen Interview deutlich, wenn er Grundeinkommen und Bürgergeld in einem Atemzug nennt. Prognosen über die Entwicklung des Bedarfs an menschlicher Arbeitskraft sind immer provokant, aber letztlich genauso wenig tragfähig, wie alle Prognosen. Dass BGE in seiner systematischen Bedeutung ist davon jedoch ganz unabhängig. Ganz gleich wie sich das Arbeitsvolumen entwickelt (siehe „Geht der Gesellschaft die Arbeit aus?“), selbst wenn „Vollbeschäftigung“ wieder erreicht würde, wäre es in keiner Form hinfällig. Werden jedoch BGE und Arbeitsvolumen in einen Begründungszusammenhang gebracht, verliert das BGE gerade dann sein Existenzrecht, wenn das Arbeitsvolumen bzw. die Nachfrage nach Arbeitskraft wieder zunimmt. Hilft es der Diskussion weiter, wenn solch, wohlwollend ausgedrückt, missverständliche Argumente vorgebracht werden? Eher nicht.

Sascha Liebermann

„Bedingungsloses Grundeinkommen“ auf dem Schweizer Portal für Philosophie

Aus der Ankündigung: „Das Projekt ‚Bedinungsloses Grundeinkommen‘ umfasst ein philosophisches Themendossier einen Online-Lehrpfad (Ende Oktober), einen interaktiven Blog (Start Mitte November) sowie eine Veranstaltung am 7. Dezember 2014 im Roten Saal im Unternehmen Mitte in Basel.“ Zur Website von Philosophie.ch

Gelassenheit oder Überfrachtung?

diese Frage stellt sich angesichts einer Veröffentlichung von Ulrich Schachtschneider (Freiheit, Gleichheit, Gelassenheit. Mit dem Ökologischen Grundeinkommen aus der Wachstumsfalle. München: oekom Verlag 2014). Schachtschneider setzt sich sehr für eine Umweltpolitik ein, die – entgegen der gegenwärtigen – nicht nur steuerlich effektiv und sozial gerecht, sondern vor allem freiheitlich ist (s. seine Internetseite). Die gute Absicht, die ökologische Frage ernstzunehmen, vermengt er aber in seinem Buch – sofern die Einleitung und die weiteren frei zugänglichen Seiten hier ein Urteil erlauben – mit der Einführung eines Grundeinkommens. Auf S. 10 etwa heißt es: „Wenn wir sagen, die Idee des Grundeinkommens ist eine Antwort auf die Krise des Sozialstaates, dann müssen wir auch sagen können, in welcher Weise dies eine Antwort auf die Krise des Umweltstaates ist.“ Abgesehen von dem ungeklärten Ausdruck „Umweltstaat“ ist die Schlussfolgerung weder in sich plausibel, noch belegt. Das Bedingungslose Grundeinkommen ist nicht die Lösung für alle politischen Probleme, die wir haben, aber es macht es vielfach leichter, sich diesen Problemen ernsthaft und mit entschieden weniger sogenannten Sachzwängen zuzuwenden. Bezüglich der ökologischen Frage gehört dazu, dass die Alternative „Arbeitsplatz vs. Umweltschutz“ (gemeint ist ja stets: „Einkommensplatz vs. Umweltschutz“) schlicht nicht mehr relevant ist, da ja das Bedingungslose Grundeinkommen eben das Einkommen grundsätzlich sichert. Wenn Schachtschneider schreibt: „Ein Grundeinkommen darf nicht zu mehr problematischer Umweltnutzung führen und es darf auch nicht von Wachstum abhängig sein, etwa durch die Art seiner Finanzierung“ (S. 11), so ist dies richtig, sofern Wachstum als ressourcenverbrauchendes Wachstum verstanden wird. Wie generell in der Diksussion wird aber von ihm hier nicht zwischen Produktivität im Sinne von Wertschöpfung und Wachstum im Sinne von Ressourcenverbrauch unterschieden. Wertschöpfung kann gerade auch darin bestehen, für bestimmte, ressourcenintensive Produkte andere zu entwickeln. Produkte stellen immer Lösungen für bestimmte Probleme dar; für Probleme gibt es aber immer mehr als eine Lösung. Die Produktivität im Sinne von Wertschöpfung kann also dadurch gesteigert werden, dass ressourcenschonendere Lösungen entwickelt werden. Das Ziel einer ressourcenschonenden Wirtschaft ist über Steuern zu erreichen – Schachtschneider beschreibt es so: „Produkte mit großem ‚ökologischen Fußabdruck‘ werden unattraktiver, weil sie deutlich teurer werden. Letztlich können wir mit der Höhe der Öko-Abgaben die Größe unseres ‚Gesamt-Fußabdrucks‘ steuern udn damit auf ein nachhaltiges Maß begrenzen.“ (S. 11) Das Grundeinkommen an diese Stuern zu binden, ist aber eine unnötige Festlegung und eine Überfrachtung, ja eine Fesselung der befreienden Idee. Dies schadet beidem: dem Bemühen um Grundeinkommen wie dem um Umweltschutz. Ohne die Engführung auf ein „ökologisches Grundeinkommen“ (warum sollte es dann nicht auch andere spezifizierte Formen des Grundeinkommens geben – etwa ein „Bildungsgrundeinkommen“, das aus Steuern finanziert wird, die Bildungsbemühungen ent- und bildungsverhindernde Ausgaben belasten würden…) könnte man durchaus die Geistesverwandtschaft von Grundeinkommen und Umweltschutz herausstellen, zielen sie doch beide darauf ab, den Grad unserer Freiheit zu erhöhen und langfristig zu sichern.

Thomas Loer

„Das ‚Alles ist möglich‘-Mantra ist eine Lüge“…

…so ist ein Beitrag im Deutschlandradio Kultur übertitelt, der über das Buch „Die Alles-ist-Möglich-Lüge“ berichtet. Es geht darin um die vermeintliche „Vereinbarkeit“ von Familie und Beruf, der die Autorinnen – Susanne Garsoffsky und Britta Sembach -, wie sie schreiben, selbst aufgesessen sind. Doch, wie wäre es anders möglich? Sie plädieren für mehr Flexibilität der Lebensgestaltung, Phasen, in denen die Familie im Zentrum stehen und solche, in denen der Beruf im Zentrum stehen kann, beide müssten sich abwechseln können. Weshalb kann die Hochzeit beruflichen Engagments nicht auf die Zeit der Familiengründung (zwischen 30 und 40) nachfolgen, fragen sie? Es bedarf anderer Vorstellungen von Leben und Arbeit, auch damit Väter mehr Zeit für Familie haben könnten. In den Beiträgen ist von abwechselnden Lebensphasen die Rede, von mehr Teilzeit- und Telearbeit. Würde das aber die Stellung von Erwerbstätigkeit tatsächlich relativieren und Freiräume schaffen, über Arbeitsbedingungen anders verhandeln zu können? Das Bedingungslose Grundeinkommen wird zumindest in den hier verlinkten Beiträgen (siehe Kurzbeiträge der Autorinnen hier und hier) nicht erwähnt, könnte jedoch die eigentliche Konsequenz sein.

Zu „Vereinbarkeit von Famlie und Beruf“ siehe frühere Kommentare hier.

Sascha Liebermann