Ein Interview in SWR 2 vom 11. Februar zur Volksabstimmung in der Schweiz mit dem Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Universität Hamburg, drehte sich um das Bedingungslose Grundeinkommen. Die Bemerkung des Moderators zu Beginn des Gesprächs, wie denn das „Bergvolk“ dazu komme, darüber abzustimmen, ist an Hochnäsigkeit kaum zu überbieten. Straubhaar übergeht das höflich und verweist sogleich auf die direkte Demokratie, die in der Schweiz fest verankert sei. Er sieht die Chancen für eine Zustimmung zur Volksiniatitive schlecht, da nicht spezifiziert sei, wie das BGE aussehen solle. Zugleich aber eröffne die Volksinitiative die Chance, über die Zukunft der Sicherungssysteme zu diskutieren. Es sei ein Irrglaube, dass Arbeit nur ein Muss sei, „das ungerne geleistet“ werde.
Dann folgen überraschende Ausführungen darüber, dass es „gerade für Deutschland“ sinnvoll sei, ein bescheidendes Grundeinkommen einzuführen. Überraschend für dieses Gespräch, Straubhaar hatte sich aber über die Jahre immer wieder einmal so geäußert (hier) oder gar die „Hartz-Gesetze“ gelobt (hier). Wie er auf seine Einschätzung kommt, erschließt sich nicht, offenbar aber befürchtet Straubhaar, ein zu komfortables BGE könne besonders für Deutschland, den „Arbeitsanreiz“ senken. Um „sicherzustellen“, dass dies nicht geschehe, müsse das BGE eben niedriger ausfallen. Straubhaar hat hier das „Armutsfallentheorem“ im Kopf, nach dem Arbeitsanreize durch zu umfangreiche öffentliche Absicherungsleistungen gesenkt werde. Das Problem mit diesem Theorem ist nur, dass ihm die empirische Basis fehlt. Noch vor Einführung der Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt haben Georg Vobruba und Kollegen das Theorem empirisch überprüft – und seine Unhaltbarkeit aufgezeigt („Wer sitzt in der Armutsfalle“ (Georg Vobruba, Hanna Petschauer, Ronald Gebauer). Gebauer hat sich in einer eigenen Arbeit der Frage nochmals gewidmet „Arbeit gegen Armut“ (Ronald Gebauer) und die Befunde erhärtet. Wie das mit Theoremen so ist, sind sie schnell aufgestellt, verbinden sich mit gewissen Vorurteilsstrukturen der Alltagswelt und verbreiten sich dann als Gewissheiten.
Ein anderer Punkt sei hier noch erwähnt. Der Moderator hatte derweil von das in Finnland diskutierte Grundeinokmmen von 800 Euro ins Spiel gebracht und dies als Grundeinkommen auf Hartz IV-Niveau bezeichnet. In diesem Zusammenhang wird häufig mit einer Selbstverständlichkeit behauptet, dass so ein BGE gar nichts sei, zumindest keine Verbesserung sei, dass man staunen kann. Für ein alleinstehende Person würde es sicher nicht erlauben, ohne Erwerbstätigkeit auszukommen. Bei Erwerbsunfähigkeit und weiter bestehenden bedarfsgeprüften Leistungen wäre das aber schon anders, zumal alle bedarfsgeprüften Leistungen auf ein anderes Fundament gestellt würden. Sie leiteten sich nicht mehr von der Erwerbsnorm her oder müssten ihr dienen, vielmehr stünden die Bürger im Zentrum sozialer Sicherung. Es wäre also schon eine erhebliche Verbesserung, 800 Euro zu haben und nur wenig erwerbstätig sein zu müssen um das aufzustocken. Für Haushalte wiederum veränderte sich die Lage schon drastisch, weil die BGE der Personen kumulieren würden.
Was salopp daher gesagt würde, dass 800 Euro nur ein Grundeinkommen auf Hartz-IV-Niveau wäre, bedarf einer differenzierten Betrachtung. Die größte Hürde für die Einführung eines BGE ist nicht die Betragshöhe in Kaufkraftverhältnissen, sondern die Bedingungslosigkeit.
Sascha Liebermann