Das sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zum Tag der Arbeit Hans-Jürgen Urban (Vorstandsmitglied, IG Metall). Er äußerte sich auch zur Diskussion um etwaige Folgen der Digitalisierung und darüber, wie wenig wir wirklich darüber wissen, was kommen wird. Der DLF-Moderator fragte ihn:
„Moritz Behrendt: Sie sprechen von höheren Löhnen. Ein anderes Instrument ist, Arbeit ganz anders zu entlohnen. Eine Möglichkeit wäre das bedingungslose Grundeinkommen, eine andere eine finanzielle Aufwertung gemeinnütziger Arbeit. Wäre das sinnvoll?“
Die Frage ist nun etwas missverständlich, weil ein BGE ja gerade keine Entlohnung von Arbeit, ganz gleich welcher Art, ist, vielmehr ermöglicht es sie. Dass gerade durch die Ermöglichung einer Entscheidung, welches Engagement für wichtig erachtet wird, ein BGE zu einer Aufwertung heute unbezahlter Arbeit führen würde, ist wiederum eine wichtige Folge. Was antwortet darauf Hans-Jürgen Urban?
„Eine Aufwertung gemeinnütziger Arbeit wäre auf jeden Fall sinnvoll, das voraussetzungslose Grundeinkommen meiner Auffassung nach nicht. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass die Debatte gegenwärtig vor allen Dingen von den Arbeitgebern losgetreten worden ist. Mal etwas polemisch, aber zugespitzt gesagt: Die könnten sich das gut vorstellen, damit den Mindestlohn zu unterlaufen, weil die Menschen ja ein Einkommen mitbringen und das von den Arbeitgebern nicht mehr gezahlt werden muss. Und wenn dann die Entlassungen ohne größere Proteste abgehen, weil die Menschen ja durch das Grundeinkommen angeblich gesichert sind, dann gefällt denen das auch. Das gefällt mir aber überhaupt nicht. Ich will auch sagen, es gibt auch emanzipatorische Vorstellungen von Grundeinkommen, aber auch da bin ich skeptisch, und auch da will ich in gebotener Kürze sagen, warum.“
Zuerst einmal stellt er heraus, dass die Aufwertung gemeinnütziger Arbeit sinnvoll wäre. Doch, was genau ist „gemeinnützig“? Wie steht es um die für gewöhnlich als Privatangelegenheit (daran ändern auch Steuerentlastungen nichts) betrachtete Leistung der Familien? Ist sie gemeinnützig oder nicht (ich meine das nicht im juristischen Sinn)? Anders gefragt: Könnte ein Gemeinwesen ohne diese Leistung leben? Könnte es einen Tausch von Leistungsvermögen geben („Arbeitsmarkt“), wenn nicht zuvor sozialisatorisch alles einigermaßen „rund“ gelaufen wäre, weil verlässlich für die Kinder gesorgt wurde? Diese Leistungen gelten nicht im engeren Sinn als gemeinnützing, was dazu führt, dass sie zwar gerne in Anspruch genommen, aber nicht anerkannt und so gut es geht ermöglicht werden durch Einkommenssicherheit.
Dass die Arbeitgeber die Debatte losgetreten hätten, entspricht nicht der Entwicklung der Diskussion ums BGE, auch nicht in jüngerer Zeit, lediglich Götz W. Werner hat sich früh schon hierfür stark gemacht. Andere sind vielmehr erst später aufgesprungen, und zwar auf die ganz junge Debatte über etwaige Folgen der Digitalisierung. Selbst wenn es nun so wäre, dass die Arbeitgeber sie losgetreten hätten, folgte daraus nichts, es kommt auf die Argumente an, die vorgebracht werden. So hat z. B. Götz W. Werner stets viel breiter für das BGE argumentiert als die meisten Silicon Valley-Vertreter.
Urban trifft einen wichtigen Punkt, wenn er darauf aufmerksam machen will, welches BGE denn jeweils gemeint ist, es gibt aber eben verschiedene Vorschläge. Wenn, wie jüngst wieder zu beobachten, in den Medien ein Befürworter rauf- und runterzitiert wird, weil er gerade ein Buch dazu veröffentlicht hat, dann ist das ein Medienphänomen und bildet nicht die Diskussion in der Breite ab. Insofern ist Urban hier entweder nachlässig oder er stellt das BGE in eine Ecke, die ihm gerade passt, und zwar in die Ecke der arbeitgeberfreundlichen Maßnahme.
Die von Urban geäußerten Entwicklungen (siehe auch hier und hier), was denn die Arbeitgeber dann wohl tun werden, wenn es ein BGE gibt, sind Befürchtungen. Die kann man haben, nur, was sagen sie über das BGE? Nichts. Was die Bürger mit den durch ein BGE objektiv geschaffenen Möglichkeiten anstellen, ist doch deren „Bier“, um es einmal salopp auszudrücken. Wenn sie die Freiräume nicht in ihrem Sinne nutzen würden, wäre das ihr gutes Recht, aber auch ihre Verantwortung. Ein BGE muss keineswegs die Folgen haben, die Urban skeptisch stimmen, wenn denn die Bürger sich für die Wahrung ihrer Interessen als Arbeitnehmer einsetzen. Beides, das Einmischen wie das Unterlassen, wäre legitim. Wir konnten gerade in den letzten zwanzig Jahren erfahren, was geschieht, wenn bestimmte Dinge für richtig gehalten und andere nicht und sich dagegen keine Mehrheit bildet. Deswegen haben wir die Verschärfung der Sozialpolitik erlebt – und sie ist bis heute geblieben. Wenn die Bürger sich nicht gegen solche Entwicklungen stellen oder für Alternativen werben, dann sind sie doch mit den Entwicklungen einverstanden oder nehmen sie zumindest hin. Braucht es deswegen die IG Metall, um sie zu beschützen? Das wäre anmaßend. Das BGE ist keine Weltverbesserungstheorie, es will Möglichkeiten schaffen und die Freiheit, sie so nutzen zu können, wie es für richtig gehalten wird. Das kann genauso gut heißen, die Gewerkschaften zu stärken, die aber sicher mit einem BGE nicht mehr dieselben sein werden.
Er fährt fort:
„Die Gesellschaften, in denen wir leben, werden Arbeitsgesellschaften bleiben. Und ich bin, wir sind der Auffassung, dass die Integration in gute Arbeit der bessere Weg ist – weil das kann gewollt oder ungewollt auch sehr schnell, wie das André Gorz, ein Sozialphilosoph, mal gesagt hat, zur „Schweigeprämie der Ausgegrenzten aus der Gesellschaft“ werden, dieses Grundeinkommen. Und ich glaube, das wäre nicht gut. Das würde eher eine neue Spaltung in die Gesellschaft hineintragen zwischen denen, die für die ökonomische Wertschöpfung verantwortlich sind, aus der das Grundeinkommen finanziert wird, und denen, die es in Anspruch nehmen. Ich glaube, das wäre nicht der richtige Weg.“
Sind wir denn überhaupt eine „Arbeitsgesellschaft“ (siehe hier und hier)? Ein Blick ins Grundgesetz kann helfen, dies zu klären, die Würde des Menschen ist keine, die er durch Arbeit erhält, sie besteht einfach so. Auch ist Arbeit keine Voraussetzung dafür, Staatsbürger zu sein bzw. zu bleiben. Alle Staatsgewalt geht vom Volke (der Staatsbürger), nicht von den Erwerbstätigen aus (GG Art. 20, 2).
Sicher, ein BGE könnte in der Tat zur „Schweigeprämie“ werden oder wäre es eher eine Schweigeermöglichung? Wie auch immer, wer schweigen will, kann dies mit einem BGE selbstverständlich, sollte das etwa verboten werden? Worauf will Urban hinaus? Letztlich zeigt sich hier wieder die paternalistische Bevormundung im Mantel der Fürsorge (wie auch bei Christoph Butterwegge), die für das Gute streitet und es im Zweifelsfall auch gegen diejenigen, für die gestritten wird, errungen werden soll. Das kann man manchmal durchaus auch von BGE-Befürwortern lesen, wie vor Jahren schon von Wolfgang Engler, aber auch Richard David Precht ließ das schon anklingen.
Ähnlich wie Urban argumentierte vor vielen Jahren schon die Broschüre „Bedingungsloses Grundeinkommen? Geld allein genügt nicht“ (Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD, 2008). Für die Auseinandersetzung mit Gewerkschaftern siehe auch den Band „Arbeit und Freiheit im Widerspruch“
Sascha Liebermann