„’Wer nach sechs Monaten immer noch keinen Job hat,…

… muss einer gemeinnützigen Tätigkeit nachgehen. Wer dem nicht nachkommt, dem muss die Stütze deutlich gekürzt werden‘, sagte der 46-Jährige.“ Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, äußerte sich in dieser Weise laut Tagesspiegel.

Man kann sich nun über den Ton ärgern, der hier angeschlagen wird, dass es Konsequenzen für unerwünschtes Verhalten geben müsse usw., man kann sich aber auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit „Rechte, Pflichten und Leistungskürzungen“ durchlesen und fragen, inwiefern sich Linnemanns Vorschläge davon nun unterscheiden – außer im Ton? Gemeinnützige Tätigkeit (siehe Bürgerarbeit), das wäre etwas Neues, erinnert ein wenig an die „chain gangs“ aus der „welfare to work“-Diskussion, an dem sich manche Politiker Ende der 90er Jahre orientierten, unterstützt durch meinungsstarke Beiträge mancher Sozialwissenschaftler (von denen manch einer sich wiederum für ein Grundeinkommen erwärmen kann). Vereine, die von bürgerschaftlichem Engagement leben, würden sich gewiss bedanken, wenn nun jemand einen Dienst bei ihnen ableisten müsste oder doch dann eben „chain gangs“, Straßen kehren, Parks aufräumen?

Was will Linnemann damit erreichen? Leistungsfähigere Unternehmen? Steigerung des Bruttoinlandsprodukts? Qualifizierte Mitarbeiter gewinnen? Mit diesem Instrument? Oder nur eine bestimmte Haltung an den Tag legen, dass wir Faulenzerei nicht dulden, sofern jemand erwerbsfähig ist?

Gibt es nicht genügend Befunde aus verschiedenen Richtungen, dass Sanktionen im früheren Arbeitslosengeld II nicht die gewünschte Wirkung haben – und dass es dafür Gründe gibt?

Wem es darum geht, Leistungsbereitschaft zu unterstützen oder ihre Entfaltung zu fördern – wir reden hier vorerst nur über Erwerbstätigkeit -, dann muss man danach fragen, unter welchen Bedingungen das am besten möglich ist. Da Leistungsbereitschaft nicht erzwungen werden kann und Druck kein guter Ratgeber ist, muss an erster Stelle die Möglichkeit stehen, sich für etwas entscheiden zu können: aus Neigung, Interesse, Neugier, Verbundenheit. Dann sind die Aussichten am besten, dass daraus etwas wird. Nicht zu vergessen sind die Arbeitsbedingungen in jeder Hinsicht, die dazu erheblich beitragen oder hinderlich sein können.

Sicher, die Grundlagen hierfür werden in der Sozialisation gelegt, aber die vollzieht sich nicht im luftleeren Raum, sondern in einem Gemeinwesen, das ein bestimmtes Verständnis von Leistung pflegt – und hier wird es entscheidend. Wenn Leistung dadurch entleert wird, dass an ihre Stelle Beschäftigung bzw. Beschäftigtsein tritt, es nicht mehr vor allem um Prozess und Ergebnis geht, das Ergebnis nicht entscheidend ist, dann erhalten Organisationen einen Auftrag, der sie zu Erziehungsanstalten verwandelt, obwohl sie Unternehmen sein sollen. Was Linnemann hier also betreibt, ist eine ethische Überladung von „Arbeit“, sie dient aber der Sache nicht, sondern nur ihrer Sinnentleerung. Wenn es ein fulminantes Problem mit dem Leistungsverständnis gibt, dann besteht es hierin. Es wirkt schleichend und wirkmächtig – seit einigen Jahrzehnten schon.

Siehe unsere früheren Kommentare zu Äußerungen Carsten Linnemanns hier.

Sascha Liebermann