Welche „soziale Integration“? Lisa Herzog über Jobgarantie, Demokratie und ein Bedingungsloses Grundeinkommen

Zu lesen sind Lisa Herzogs Ausführungen in der Basler Zeitung online (Bezahlschranke), wenige Auszüge seien hier kommentiert. Für frühere Anmerkungen zu Ausführungen von ihr, siehe hier.

Im Interview geht es um verschiedene Fragen, die nachfolgend zitierte Passage dreht sich um die Folgen der Pandemie für die Arbeitsplätze und wie darauf geantwortet werden könnte:

„[BAZ] Eine Jobgarantie?

[Herzog] Eine solche finde ich interessanter als ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dass man etwa ein staatlich unterstütztes Praktikum im öffentlichen oder privaten Bereich machen kann. Das wäre reizvoll für Jugendliche und junge Erwachsene, die im Moment den regulären Jobeinstieg nicht gut schaffen. Es eröffnet den Leuten eine sinnvolle Tätigkeit: Arbeit ist ja so viel mehr als nur Einkommensgenerierung, bedeutet oft auch soziale Integration.“

Als Beispiele für eine Jobgarantie und dafür, dass sie „interessanter“ sei als ein BGE, führt Herzog staatlich unterstützte Praktika an. Das ist ein etwas überraschendes Beispiel, denn der Vorschlag einer Jobgarantie soll doch vor allem auf „unfreiwillige Arbeitslosigkeit“ reagieren und Erwerbsbereiten einen Arbeitsplatz anbieten.

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„Wir übersehen die positiven Seiten der Arbeit“ – oder überschätzen ihre Bedeutung…

…so könnte auf den Titel eines Interviews mit Lisa Herzog, Professorin für Politische Philosophie an der Hochschule für Politik in München, das im vergangenen Februar auf Zeit Online veröffentlicht wurde, entgegnet werden. Das ganze Interview dreht sich nur um Erwerbsarbeit, anderes kommt nicht vor, das ist als solches schon erstaunlich, vielleicht aber auch ausdrücklich der Fokus des Buches, das den Hintergrund bildet. An einer Passage lässt sich deutlich machen, was in meinen Augen durcheinander geht:

„Herzog: Wir verstehen Arbeit ja meistens eher instrumentell: Ein bestimmter Job ist dafür da, dass bestimmte Dinge erledigt werden – etwa dass der Müll abgeholt wird oder Flure geputzt werden. Aber Arbeit hat immer auch damit zu tun, dass wir in ihr bestimmte Formen von Gemeinschaft erleben. Arbeit kann uns die Gelegenheit geben, gemeinsam mit anderen Widerstände zu überwinden und Dinge zu schaffen. In einer modernen Gesellschaft ist die Arbeit sehr stark geteilt. Die einzelnen Tätigkeiten greifen ineinander und bedingen einander. Wir arbeiten also immer mit der Hilfe anderer und für andere. Dieser soziale Aspekt der Arbeit ist in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig beleuchtet worden.“

„Instrumentell“ klingt hier negativ, dabei ist doch genau die Bewältigung der Aufgabe ein Positivum, ein Dienst wird damit bereitgestellt. Wer Arbeit darauf bezogen betrachtet, hat ihren Sinn erfasst, für andere etwas zu leisten. Ihr fehlt an dieser Betrachtung das Gemeinschaftliche, das zur Arbeit gehört. Wer aber bestreitet, dass dies durchaus als wichtig wahrgenommen wird, die arbeitsteilige Erledigung unerlässlich ist?

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