Die Abwehr des Neuen aus dem Geist des Alten – Matthias Zeeb (EKD) zum bedingungslosen Grundeinkommen

Unter dem Titel „Das bedingungslose Grundeinkommen: nicht unbedingt eine gute Idee“ hat sich Matthias Zeeb, Mitarbeiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland, mit dem bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigt.

Auf neue Einwände stoßen wir in dem Beitrag nicht, doch die Haltung, mit der sie vorgebracht werden, lassen eine Kommentierung sinnvoll erscheinen. Dabei werde ich nur auf manche seiner Einwände eingehen und folge dabei der Nummerierung der Abschnitte, wie sie im Originaldokument vorgenommen ist.

In Abschnitt 23 „Befreiung vom Zwang zur Arbeit?“ heißt es:

Bedeutet es [das bGE, SL] die Befreiung vom Zwang zur Arbeit? Bei entsprechender Höhe wird zutreffen, dass für Menschen mit sehr geringen Einkommenserwartungen weder die Notwendigkeit noch der sozialbürokratische Zwang eigenständigen Einkommenserwerbs tatsächlich noch besteht. Für die Mehrheit der Bevölkerung findet der ‚Zwang zur Arbeit‘ jedoch auf einem Niveau an Lebensstandard statt, das deutlich über der für ein Bedingungsloses Grundeinkommen realistischen Höhe liegt. Dieser auch selbst gewählte Sachzwang hat stärker autonome Elemente als die Sanktionsdrohungen gegen Arbeitslose, führt jedoch ebenfalls dazu, dass Menschen an krank machenden oder in anderer Hinsicht unbefriedigenden Beschäftigungsverhältnissen festhalten.

Befreien muß sich derjenige, der sich solche Zwänge auferlegt, selbst. Wenn er es nicht allein zustande bringt, wird er sich Unterstützung besorgen. Was für Zeeb ein Einwand gegen das bGE darstellt, läßt doch nur auf eines schließen: Ein Sicherungssystem nach seiner Vorstellung soll die Menschen auch noch von selbst auferlegten Zwängen befreien. Das wäre aber nur dort möglich, wo man ihnen ihre Selbstbestimmung nimmt. Der paternalistische Sozialstaat läßt grüßen. Wer die Freiräume nicht nutzt, die das bGE ihm bietet, und dennoch weiter unter ihn krank machenden Bedingungen arbeitet, muß auch die Verantwortung dafür selbst tragen – sonst wird es totalitär.

Zeeb hingegen folgert daraus:

Ein gesichertes Grundeinkommen mag diese individuelle Entscheidungssituation in Einzelfällen marginal verändern, doch wird ein realistisch finanzierbares Bedingungsloses Grundeinkommen immer nur für bescheidene Menschen und Beschäftigte in niedrigen Einkommensbereichen eine echte Alternative darstellen. Das böse Wort von der ‚Stilllegungsprämie‘ beschreibt den Zynismus dieser Wirkung: Die kritische Situation am Arbeitsmarkt würde auf Kosten bereits heute marginalisierter Gruppen durch deren dauerhafte Ausgrenzung entspannt.

Niedrig muß das bGE nicht notwendig sein, wie die Berechnungen zeigen, die Helmut Pelzer und Ute Fischer angestellt haben. Und selbst ein bGE in der Höhe heutiger ALG II-Leistungen wäre ein Schritt aus der Erwerbsfixierung und hin zur Anerkennung der Bürger um ihrer selbst willen – nicht ausgegrenzt würden manche, sie würden erst wirklich anerkannt. Zeebs Einwand ist konstruiert, keineswegs läuft es auf ein niedriges bGE hinaus, das wird davon abhängen, was wir wollen, an Möglichkeiten mangelt es nicht.

Im Abschnitt 24 geht es um „Mehr oder weniger Teilhabe?“:

Ob diese [durch die Wahrung des Lohnabstandsgebots, wie sie die Negative Einkommensteuer ermöglicht, SL] Anreize ausreichend wären, die anzunehmende passivierende Wirkung des Bedingungslosen Grundeinkommens auszugleichen, ist vorher kaum abschätzbar und wird unter anderem auch von der Entwicklung der Arbeitsnachfrage und der Entlohnung im Niedriglohnbereich abhängen.

Die „passivierende“ Wirkung eines bGEs wird behauptet – aus einfachem Grund, so läßt sich vermuten. Matthias Zeeb kann, wie weit verbreitet, Engagement in jeglicher Form auch im Beruf nicht als sinnerfüllend denken. Sonst würde er hier zum Umkehrschluß kommen müssen. Wer durch ein bGE die Möglichkeit erhält, sich dort zu engagieren, wo er es will, wird es auch tun. Wer sich mit seinem Beruf identifiziert, wird selbstverständlich ihn weiter ausüben, aber nicht unter allen Bedingungen. Statt einer „Passivierung“ ist von einem bGE das Gegenteil zu erwarten. Überall, wo Leistungen erbracht werden, bedarf es eines inneren Antriebs des Einzelnen, einer Motivierung, um sie zu erbringen. Auch heute gilt das, das bGE würde dies nur noch fördern. Da nicht nur jegliches Engagement möglich ist, sondern auch jedes Erwerbsengagement sich lohnt, wenn es anrechnungsfrei bleibt (wie bei Götz Werner oder auch uns vorgesehen), wird für jedes Erwerbsengagement auch noch das Lohnabstandsgebot eingehalten.

Weitere Erwägungen Matthias Zeebs zur Frage, wie denn das Bildungsinteresse der Menschen gesteigert werden könne, erübrigen sich, wenn man mit Sonntagsreden ernst machte und den Menschen mehr zutraute. Sonderbar und merkwürdig ist für uns doch nicht die Wißbegierde von Kindern, bevor sie unsere Schulen besuchen. Sonderbar und erschreckend ist eher, wie wenig die kindliche Neugierde in Schulen gefördert und gefestigt wird. Wo Zentralisierung und Standardisierung voranschreiten, nämlich durch Zentralabitur und straffere Lehrpläne in unseren Schulen und durch Bachelor- und Masterstudiengänge an den Universitäten, wo wir gerade dafür sorgen, dass „Pauken“ und Wissensverwaltung an die Stelle von Erfahrung und Problemlösung treten, müssen wir uns über die Folgen nicht wundern. Wer sich den gegenwärtigen Bemühungen in unserem Bildungswesen entzieht, die danach streben, den Nürnberger Trichter zu optimieren – der hat es schwer. Doch diese Verweigerung, die allerorten beklagt wird, ist auch eine Verweigung einer Bildungsvorstellung gegenüber, die den Einzelnen nicht zum Ausgangspunkt nimmt, sondern ihn als Störfaktor betrachtet. Auch hier ist das Mißtrauen in die Fähigkeiten des Einzelnen groß, wie Zeebs Ausführungen uns lehren.

Auch die Frage nach „Beschäftigung“, Abschnitt 27, darf nicht fehlen.

Insbesondere das Entstehen zusätzlicher Niedriglohnarbeitsplätze ist wahrscheinlich, da die Kombination aus reduzierten Lohnnebenkosten und verstärkten positive Anreizen zur Arbeitsaufnahme sich in diesem Bereich besonders stark auswirken dürfte.

Wer im Alten festhängt, sieht das Neue nicht. Das bGE führt zu einer anderen Zusammensetzung des Einkommens. Wer zusätzlich erwerbstätig ist, erhält also das bGE plus Erwerbseinkommen. Selbst wenn das Erwerbseinkommen niedriger ist als unter heutigen Bedingungen, kann die Einkommenssumme gleich oder höher sein. Die Prognose eines Entstehens von Niedriglohnarbeitsplätzen verfehlt die Veränderungen, die ein bGE mit sich bringt. Ganz unbeachtet bleibt in Zeebs Überlegungen, wie attraktiv es wird, Automatisierungspotentiale offensiv zu nutzen, wenn sie dem politischen Konsens nicht mehr zuwiderlaufen, wie es heute der Fall ist. Die
Frage nach der Beschäftigung, an der wir heute kleben, wird der Vergangenheit angehören, denn das bGE erkennt jedes Engagement als „Beschäftigung“ an, aber als eine, die der Einzelne sich sucht oder auch schafft, weil er sich mit etwas beschäftigen will.

Und auch hier, noch im selben Abschnitt, hängt Zeeb fest:

Dem ist gegenüberzustellen, dass die Grundeinkommensleistung als solche mit Sicherheit dämpfend auf das Arbeitsangebot wirken würde. Insbesondere Haushalten mit Kindern, aber auch Geringqualifizierten und Leistungsgeminderten böte sich das Grundeinkommen als Alternative zur Erwerbsbeteiligung an – dies gilt umso mehr, je höher das Grundeinkommen ausfällt.

Von der christlichen Botschaft ist nicht mehr allzuviel übrig in der Evangelischen Kirche, muß man hier schließen. Wer Kinder hat, könnte endlich mehr Zeit für sie aufwenden, ohne in Einkommensnot zu geraten – für Zeeb offenbar eine Verfehlung. Ist das nicht im Sinne ders christlichen Botschaft? Aber nicht nur der, unser Gemeinwesen ohne Familien wäre gar nichts. Die Entscheidung, sich um die Kinder zu kümmern, kann uns nur willkommen sein, wenn wir es mit den Familien ernst meinen. Das will die Kirche wohl nicht.

„Geringqualifizierte“ und „Leistungsgeminderte“ haben ohnehin im Arbeitsmarkt kaum Möglichkeiten, da die Anforderungen an Mitarbeiter weiter zunehmen werden. Statt ihnen etwas aufzudrängen, das sie nicht erfüllen können oder wollen, wäre ihnen mit dem bGE ein Leben in Würde und ein Engagement in anderen Bereichen möglich. Sie könnten sich dann Betätigungsfelder suchen, in denen es nicht auf berufsspezifische Qualifikationen ankommt – wäre das kein Fortschritt?

In Abschnitt 30, „Der Sonderfall Götz Werner“, wird dann richtig schwarzgemalt:

Mit einiger Gewissheit lässt sich sagen, dass die reine Mehrwertsteuerfinanzierung die europäische Wirtschafts- und Währungsunion sprengen dürfte. Deutschland würde eine gigantische Exportwirtschaftszone, wie sie gelegentlich in Entwicklungsländern eingerichtet werden. Die mit der praktisch völligen Steuerentlastung der Exporte einhergehende Abwertung des realen Wechselkurses hätte Hochkonjunktur im Inland und Anpassungsrezession in den anderen Euroländern zur Folge bis gegenläufige Lohnentwicklungen zu einem Ausgleich führen würden.

Einer Einführung eines bGE gehen zuerst einmal lange Diskussionen voran. Je näher die Diskussionen an eine Umsetzung heranrücken, desto mehr werden die Länder um uns herum sich fragen, wie sie darauf reagieren. Das Szenario ist also eine Illusion, es sei denn, man spricht unseren europäischen Nachbarn ihre Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit ab. Auf Selbstentmachtung liefe es hinaus, wenn wir unsere politische Gestaltung von einer EU-Politik abhängig machen, die in die Vergangenheit führt und nicht in die Zukunft. Auch hier gilt zwar, daß geschlossene Verträge einzuhalten sind, doch schließt das keine Verhandlung über ihre Geltungsdauer oder gar Auflösung aus. Gerade an solche Auseinandersetzungen könnte eine politische Union in Europa, die wir bislang nicht haben, wachsen.

Unkenntnis ausführlicher Darlegungen der Zusammenhänge und mangelnde Bereitschaft, sich auf Sachfragen einzulassen, werden besonders an folgender Stelle im selben Abschnitt deutlich:

Aber vielleicht käme alles auch ganz anders, denn eine stärkere Aufforderung zum Steuerbetrug als eine 50%ige (und in der Spitze noch höhere) Mehrwertsteuer lässt sich kaum vorstellen. Kritisch ist an sein Modell, wie auch an andere Vertreter der Fraktion ‚Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit aus‘, die Frage zu richten, wie lange angesichts knapper werdender Energie- und anderer Ressourcen sich der historisch mit der Nutzung fossiler Rohstoffe zusammenfallende rasante Produktivitätsfortschritt wird fortsetzen lassen und welche Verteilungsmuster dann, und vorbeugend möglicherweise heute schon, greifen sollten?

Die Konsumsteuer soll langfristig alle Einkommensteuerarten ablösen, die Preise, so die Argumentation von Götz Werner und Benediktus Hardorp, würden nicht einmal steigen müssen. Zeeb ignoriert die Zusammenhänge zwischen Unternehmensbelastung und Weiterwälzung dieser Belastung in die Güterpreise. Die Konsumsteuer kommt nicht hinzu, mit ihrer Erhöhung soll die Einkommensteuer in ihren verschiedenen Arten abgesenkt werden bis sie ganz verschwunden ist.

Daß gerade ein bGE ernst macht mit der Frage „Wie wollen wir leben?“, damit auch unseren Wachstumsfetischismus und unser Konsumverhalten in Frage stellt, sei hier nur angemerkt. Wer wenig konsumiert, für den muß weniger erzeugt werden, ergo benötigt er auch einen geringeren Anteil seines bGEs für den Konsum. Diesen ökologischen Effekt hat das bGE, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben, denn konsumieren kann dennoch weiterhin jeder nach seinen Möglichkeiten. Er wird dafür nur auch entsprechende Steuern zahlen müssen. Was Zeeb vollkommen übersieht oder übersehen will, ist die Umwertung unseres Handelns durch ein bGE. Wo heute ein Teil des Konsums eine Art Wiedergutmachung für eine als fremdbestimmt empfundene Erwerbstätigkeit ist, wird diese Art von Konsum verschwinden, wenn die Fremdbestimmung einer Ermöglichung von Freiheit gewichen ist. Wer das nicht sieht, hat das bGE nicht verstanden.

Sascha Liebermann

Einkommen ohne Arbeit – ein Unding für Oswald Metzger

Kaum hatte sich der Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen Baden Württemberg für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen (siehe unseren Kommentar), da reagierte auch Oswald Metzger, ebenfalls Grüner, auf den Beschluß. Hier einige Zitate:

Mit diesem von seinen Befürwortern gern apostrophierten „radikalen Systemwechsel in der Sozialpolitik“ haben sich die Grünen, so sie denn beim Bundesparteitag in Nürnberg im nächsten Monat den gleichen Unsinn beschließen, das parlamentarische Totenglöckchen an den Hals gebunden.
[…]
Leistungsloses Einkommen war historisch auch auf Seiten der Linken nie das Ziel der Politik. Selbst in der „Internationale“ intonierte die Arbeiterklasse nicht ohne Grund den Vers: „Die Müßiggänger schiebt bei Seite!“ Und gerade die Linke proklamierte stets das „Recht auf Arbeit“. Doch das alles ist in Zeiten des Edel-Linken Oskar Lafontaine vergessen.

Vielsagend ist, daß Herr Metzger hier sich an der Linken orientiert und dazu noch die Internationale zitiert. Muße bzw. Müßiggang, also eine Sache um ihrer selbst willen zu tun, ist ihm nicht nur ein böhmisches Dorf, sie ist der Untergang. Dabei aber ist Muße gerade dasjenige, was für Bildung unerläßlich ist, das Bildung als Selbstbildung erst möglich macht. Ohne Muße, ohne ein geduldiges Auseinandersetzen mit einer Sache um ihrer selbst willen, kommt kein Neues in die Welt. Für die Linke, die er hier bemüht, gilt dasselbe wie für die so viel bekämpften „Neoliberalen“ – für beide ist Muße bedrohlich, für beide ist sie „aller Laster Anfang“. Oskar Lafontaine, Klaus Ernst und auch Gregor Gysi würden hier nur applaudieren, ganz entgegen der Einschätzung von Herrn Metzger und ganz konsequent für eine Linke, die den Menschen erst durch Arbeit zum Menschen werden sieht.

Man möchte die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens gern in die rauhe Realität sozialer Brennpunkte schicken, damit sie begreifen, welche fatalen Folgen es hat, wenn Menschen den mentalen Zusammenhang zwischen persönlichem Einsatz und Einkommen von Kindheit an verlieren. Der gutgläubige Bildungsbürger, der an die schöpferische Entfaltung der Persönlichkeit glaubt, wenn der Mensch nicht mehr für das nackte Existenzminimum arbeiten muss (sofern er nicht alt, krank oder gebrechlich ist), unterliegt einer gefährlichen Illusion.

Der Kluge und Lebenserfahrene belehrt die Naiven. Welcher Illusion unterliegen die bGE-Befürworter denn? Etwa der, daß die Würde des Menschen bei der Selbstbestimmung beginnt, daß Selbstbestimmung die Voraussetzung dafür ist, den von Metzger genannten Zusammenhang überhaupt zu verstehen? Daß ein demokratisches Gemeinwesen durch die Anerkennung der Bürger um ihrer selbst willen zusammengehalten wird? Oswald Metzger spielt mit dem Sozialneid, wenn er meint, die Erwerbspflicht öffne den Menschen die Augen über Lebenszusammenhänge – in dem von ihm bemühten Beispiel gelingt das ja gerade nicht.

Einer Antwort auf die Frage, weshalb die intrinsische Motivierung, der Antrieb von innen heraus, manchen fehlt, entflieht Oswald Metzger durch die Verehrung der Erwerbsarbeit. Würde er die Sache ernst nehmen, um die es geht, dann müßte er wohl zugeben, daß der Grund für das von ihm benannte Problem woanders liegt. Wer in einem Milieu aufwächst, in dem Bildungsbemühungen nicht gefördert werden, wer eine traumatisierte Lebensgeschichte hat, der ist so sehr mit sich und der Bewältigung des Alltags beschäftigt, daß er sich kaum auf anderes einlassen kann. Dafür hat Oswald Metzger aber nur verächtliche Bemerkungen übrig. Mit dem vermeintlichen Zusammenhang von Einkommen und Leistung hat dies nichts zu tun. Metzger bedient nur das Klischee vom Sozialstaat, der durch Transferleistungen die Menschen von sich abhängig macht. Schon heute wird Leistung ja auch dort erbracht, wo kein Einkommen winkt: im Ehrenamt, in den Familien und nicht zuletzt durch die Loyalität der Bürger zur politischen Ordnung – das dürfte es Metzger zufolge nicht geben.

Wer es ernst damit meint, für die von Metzger genannten Probleme eine Lösung zu finden, der muß sich von der Bevormundung verabschieden, die in verschiedenen Gewändern, auch bildungsbürgerlich, daher kommt. Bei Metzger soll es nichts geben dürfen, wofür keine Gegenleistung erbracht wird. Manche Grundeinkommensbefürworter, wie z.B. Wolfgang Engler, wollen gar die Gewährung des Grundeinkommens von dem Bemühen um Bildung abhängig machen. – Macht es denn einen Unterschied, worin die Pflicht besteht? Und ist es nicht gerade diese Pflicht, die das Gegenteil bewirkt?

Bildung setzt Neugierde voraus, Bildung ist stets Selbstbildung und geht von einem Willen dazu aus. In der Regel läßt sich diese Neugierde bei Kindern schon beobachten und erst das Bildungswesen schafft es, diese Neugierde erheblich zu dämpfen – das sollte uns zu denken geben. Bildung vollzieht sich also nach den Möglichkeiten und Fähigkeiten des Einzelnen. Auch die Schwächsten haben hierzu die Fähigkeit und sei es, daß Bildung nur darin besteht, den eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten gemäss sein Leben zu meistern. Wollen wir das stärken, bedarf es einer Ordnungspolitik, die den Einzelnen darüber befinden läßt, wo und wie er sich einbringen will. Wenn wir endlich die Vorstellung aufgeben, nur bestimmte Leistungen seien wertvoll, dann haben wir die größte Hürde zur Lösung mancher Probleme aus dem Weg geräumt.

Nachtrag: Oswald Metzger hat nun (20.10.) auf seine Kritiker geantwortet. Es heißt dort u.a.:

Denn wer die sozialpolitische Debatte bei den Grünen, aber auch in CDU und SPD, derzeit verfolgt, kann folgendes Strickmuster erkennen: Der Staat soll es richten! Und zwar durch deutlich höhere Transferleistungen.

Hätte Herr Metzger sich mit dem bGE beschäftigt, müßte er den Vorstoß der Grünen kritisieren, weil er nicht weit genug geht, weil er den Bürgern zu wenig zutraut. Diese Kritik könnte er aber nur vorbringen, wenn er denn selbst den Bürgern mehr zutraute, das tut er aber nicht. Eine konsequent gedachtes bGE erlaubt durch eine stärkere Absicherung der Bürger gerade, ihnen mehr Verantwortung in die Hand zu geben. An die Stelle von Kontrolle und Bevormundung träten mehr Freiheit und Verantwortung. Mehr Staat würde zugleich weniger Staat ermöglichen. Bessere Absicherung als Ermöglichung von Freiheit geht damit einher, den Bürgern mehr zu überlassen, ihnen Verantwortung zurückzugeben. Offenbar kann Herr Metzger das nicht zusammendenken. Weshalb? Weil er glaubt, Leistung entspringe Druck und Not sowie „Anreizen“.

An anderer Stelle heißt es:

Denn wenn der Lohnabstand zu den Erwerbseinkommen nic
ht größer, sondern kleiner wird, dann fällt für eine Reihe von gering qualifizierten Menschen der Anreiz zur Arbeit weg.

Worin besteht denn der „Anreiz“? Wenn jeglicher Zuverdienst anrechnungsfrei ist, dann „lohnt“ er sich. Das bGE erlaubt es ja gerade erst, das sogenannte Lohnabstangsgebot auf deutliche Weise einzuhalten. Dazu aber muß man das bGE als von jedem anderen Einkommen unabhängiges Einkommen konzipieren. Erst wenn es mit nichts sonst verrechnet wird, wird es die erhoffte Freiheit ermöglichen.

Wer Transferleistungen als „Wohltat“ begreift, wie Oswald Metzger, und nicht als Absicherung und Ermöglichung von Freiheit, hat nicht verstanden, was demokratische politische Gemeinwesen zusammenhält: die Solidarität der Bürger als Bürger. Jeder Beitrag zählt, ganz gleich, wo er erbracht wird. Erwerbsarbeit ist eben nur eine Form, nicht aber die entscheidende.

Wer die Finanzierbarkeit eines bGE bzeweifelt, sollte sich ernsthaft mit den Berechnungsversuchen auseinandersetzen. Das Transfergrenzemodell von Helmut Pelzer und Ute Fischer zeigt, wie eine Finanzierungsrechnung als Simulation für die Vergangenheit aussehen kann.

Wer das Gemeinwesen noch immer als Zweckbündnis von Steuerzahlern und nicht als Solidarverband von Bürgern denkt, der braucht wohl die Unterscheidung zwischen „rechter“ und „linker“ Politik noch. Doch, wer in solchen Schubladen denkt, zeigt nur, wie sehr er Politik von vorgestern betreibt, nicht aber eine, die uns in die Zukunft führt.

Sascha Liebermann

Grundeinkommen und die Frauen – kann man ihnen trauen?

Zur Diskussion „Grundeinkommen und die Frauen“ hatte die Initiative Grundeinkommen Basel (siehe Blogbeitrag) nach Zürich am 10. Mai ins Cabaret Voltaire eingeladen.
Welche Folgen hätte das bedingungslose Grundeinkommen für die Frauen, dies auszubuchstabieren sollte der Abend erlauben. Doch alles kam anders. Kaum war es möglich, die Idee einmal darzulegen und über ihre Chancen insbesondere für Frauen zu diskutieren. Skepsis machte sich breit, leerlaufende Vorbehalte überwogen, ohne daß einmal die Chancen ausgelotet wurden. Würden Frauen wieder an den Herd zurückgedrängt, würden ihnen berufliche Möglichkeiten verbaut, würde das „Geschlechterverhältnis“ zementiert?

Sonderbare Fragen aus der Sicht eines bedingungslosen Grundeinkommens, die ein Licht auf die Skeptiker werfen. Ob Frauen an den Herd zurückgedrängt würden, das hängt doch wesentlich von ihnen ab. Wenn sie es wollten, gäbe das bGE ihnen die Freiheit dazu; wenn sie es aber nicht wollten, hätten sie dieselbe Freiheit, sich zu engagieren, wo sie es für richtig und wichtig erachteten. Berufliche Möglichkeiten würden gerade durch das bGE eröffnet, denn wer will schon in einem Unternehmen arbeiten, das Frauen benachteiligt? Das bGE erlaubte es, sich selbständig zu machen, auf einfache Weise im Vergleich zu heute, oder auch sich solange umzuschauen, bis Gleichgesinnte gefunden sind und gemeinsam Initiative ergriffen werden könnte. Möglichkeiten zur Selbstbestimmung würden maximiert und nicht minimiert. Gerade für Frauen, die sich in alten Rollenverständnissen zu sehr festgeschrieben oder gefangen sehen, schüfe das bGE Chancen. Es muß einen wundern, woher also die Skepsis gegen den Vorschlag rührt, wenn man ihn mit der heutigen Lage vergleicht. Alleinerziehende, Mütter wie Väter, stünden viel besser da. Das bGE pro Kopf würde sie endlich aus der Überforderung befreien, Fürsorge für die Kinder und Einkommenserwerb unter einen Hut bringen zu müssen. Eltern könnten mit einem bGE, das pro Kopf gewährt wird (2 Erwachsene, 2 Kinder = 4 Grundeinkommen), frei entscheiden, ob sie zuhause bleiben wollten oder eine Betreuungsstelle schaffen wollten – die Mittel dazu hätten sie durch das bGE zur Verfügung.

Aus den Einwänden gegen das bGE sprechen Skepsis und Mißtrauen gegen die Frauen. Ihnen wird unterstellt, sie könnten sich – wider Willen – dazu verführen lassen, an den Herd zurückzukehren. Erstaunlich ist diese Unterstellung, da gerade Feministinnen stets diese Zuschreibung einer Opferrolle kritisiert haben, doch die Skepsis gegen das Grundeinkommen tut genau dies. Die Freiheit, die das bGE eröffnet, mag all diejenigen empören, die vorschreiben wollen, worin Freiheit zu bestehen habe – doch ein solches Vorschreiben wäre nicht freiheitlich. Wer also die Möglichkeiten hat, sich zu entfalten und dazu ein Engagement sucht, das manche für altertümlich, rückständig oder anti-emanzipatorisch halten – auch der nutzte seine Freiheit vernünftig.

Sascha Liebermann

Leerlaufende Abwehr – Daniela Schneckenburger (Bündnis 90/ Die Grünen) zum bedingungslosen Grundeinkommen

„Leerlaufende Abwehr“ – so könnte das Interview mit Daniela Schneckenburger, „grüne Landeschefin“ in Nordrhein Westfalen („Radikale Alternativen sind gerade attraktiv“, taz vom 1.12.2006) übertitelt werden. Anläßlich der Bundesdelegiertenkonferenz in Köln geführt, stößt man in diesem Interview zwar nicht auf interessante oder beachtenswerte Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Statt dessen können wir es vielmehr als Dokument dafür betrachten, wie sehr die Gegner damit ringen, sich die Idee vom Leibe zu halten.

An einer Stelle des Interviews heißt es: „…Ich halte diese Idee [des bGE, SL], wie auch Teile der Gewerkschaften, für eine Stilllegungsprämie, die endgültige Resignation vor der Arbeitslosigkeit.“ Ganz abgesehen davon, daß Menschen nicht stillgelegt werden können – es sei denn, man zählt sie zu den Überflüssigen, wie es heute zum guten reaktionären Ton gehört – ist diese Aussage bezeichnend. Sie spricht uns Bürgern nämlich die Fähigkeit ab, uns gegen Stillegungsversuche zu wehren. Was traut uns Frau Schneckenburger denn noch zu, wenn sie diese Gefahr sieht? Offenbar gar nichts, ihre Äußerung bezeugt nur eine bevormundende Haltung, die sich heute den Mantel der Fürsorge gerne umlegt und sich um unser Wohl vermeintlich sorgt – unser Wohl, das von ihr definiert wird.

Besonders deutlich wird dies, wo die Interviewerin auf die Initiative fördernde Wirkung des Grundeinkommens hinweist und Frau Schneckenburger antwortet: „…Das ist eine sehr idealistische Sicht. Machen wir uns nichts vor: In dieser Gesellschaft ist Arbeit, vor allem bezahlte Arbeit, für viele Menschen sinnstiftend. Nicht jeder Mensch hat die Fähigkeit, aus sich selbst heraus eine Betätigung zu finden…“. Wenn denn bezahlte Arbeit für viele sinnstiftend ist, dann müssen wir uns keine Sorgen darum machen, was die Bürger nach Einführung eines solchen Grundeinkommens tun werden. Aber, aus dieser Regel, in die man vertrauen könnte, folgt für Frau Schneckenburger nicht das, was naheläge. Sie stellt die Erfahrung, in der Regel engagieren sich die Bürger für ihren Beruf, auf den Kopf. Nur weil nicht jeder – also nicht alle, aber doch die meisten – in der Lage sei, aus sich heraus eine Betätigung zu finden, wäre ein solches Grundeinkommen nicht der richtige Weg. „Zwang zur Vermittlung in Arbeit“ mache „keinen Sinn“, so Frau Schneckenburger weiter. Doch, was ist denn eine Erwerbsverpflichtung anderes als Zwang, wenn man sich nur unter Inkaufnahme von Sanktionen dagegen entscheiden kann? Also, alles schönes Gerede. „Aktive Arbeitsmarktpolitik“, die ihr so am Herzen liegt, kann es genauso geben, wenn ein Grundeinkommen eingeführt wird. Werden wir sie noch benötigen? Das können wir dann sehen, wenn es so weit ist.

Die Geistesverwandtschaft mit Hartz IV fällt der Interviewerin auf. Sie fragt, worin der Unterschied zwischen Hartz IV und den Vorstellungen der Grünen bestehe. Darauf die Antwort: „Menschen ohne Arbeit brauchen mehr als Heizung, Kleidung und Essen. Sie müssen auch am gesellschaftlichen Leben teil nehmen können, ihr Kind zum Beispiel ein Instrument spielen lassen. Das Einkommen muss höher sein als das jetzige Arbeitslosengeld II.“ Tatsächlich? Eine mutige Antwort, die der Frage geschickt ausweicht, denn mit einem entsprechend hohen Grundeinkommen wäre das kein Problem.

Um zu sehen, wie weit es mit bürgerschaftlichem Denken her ist, sei zum Schluß noch eine andere Passage zitiert: „…Völlig absurd würde es, wenn – wie in manchen Konzepten gedacht – das Grundeinkommen jeder erhalten soll. Denn warum soll jemand ein Existenzminimum kriegen, der ein hohes Einkommen oder Vermögen hat?“ So spricht, wer nicht die Bürger als Bürger gleichstellen will, wer also das Grundeinkommen nicht als Bürgereinkommen betrachtet, sondern als barmherzige Gabe. Was unterscheidet denn „Vermögende“ von anderen hinsichtlich ihrer Bedeutung für unser Gemeinwesen? Nichts. Sie sind gleich. Nur wenn das bedingungslose Grundeinkommen unabhängig von den Einkommen betrachtet wird, die durch eine Leistungserbringung zusätzlich erzielt werden, ist es in seiner ganzen Bedeutung begriffen. Erst dann hätten wir uns eine freiheitliche Ordnung gegeben, die die Menschen nicht nach ihrem Einkommen bewertet, sondern danach, was sie damit tun: Investieren sie, sollten sie steuerfrei bleiben, konsumieren sie Leistungen, sollten sie besteuert werden.

Sascha Liebermann

"Grüne Grundsicherung" verschenkt Chancen eines bedingungslosen Grundeinkommens

Seitdem nun mehrere Parteien sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) beschäftigen und eigene Vorschläge erarbeitet, gar manche der typischen Gewährungsformeln – „von der Wiege bis zur Bahre“ (auch der hier diskutierte Vorschlag, S. 8) – aufgegriffen haben, ist es umso wichtiger, das Augenmerk aufs Detail zu legen. Dies soll hier bei einem Beitrag geschehen, der anläßlich des Zukunftskongresses von Bündnis 90/ Die Grünen diskutiert worden ist. Es handelt sich um den Entwurf „Grüne Grundsicherung“ von Thomas Poreski und Manuel Emmler.

Wenn Poreski und Emmler von einer Festschreibung des Sockelbetrags auf 500 € für Volljährige und 400 € für Minderjährige (S. 9) (aus Finanzierungserwägungen) sprechen, kann dieser Betrag nur nach heutiger Kaufkraft gemeint sein. Er ist so niedrig, daß auf jeden Fall ein Erwerbseinkommen hinzukommen muß, um ein armutsfestes Einkommen zu beziehen, was die Autoren selbst einräumen (S. 8). Damit aber ist der Ausdruck „bedingungslos“ ad absurdum geführt und seiner Bedeutung beraubt. Denn, wenn die Grundsicherung nicht ausreichend hoch ist, es eines zusätzlichen Einkommens auf jeden Fall bedarf, hat man kaum die Wahl, auf Erwerbsarbeit ganz zu verzichten. Nur wenn das aber ermöglicht wird, ist die Gleichwertigkeit jeglichen Engagements erreicht. Durch die Hintertür bleibt im Papier von Poreski und Emmler das Erwerbsprinzip aufrechterhalten und es wäre nicht dem Einzelnen überlassen, wo er sich engagieren will.

Der Mindestlohn, an dem die Autoren festhalten, wäre bei einem ausreichend hohen BGE überflüssig. Doch dann müßte die Entscheidung für ein wirklich freiheitliches Gemeinwesen getroffen werden, was die Autoren offenbar nicht wollen. Ist aber der Grundsicherungsbetrag zu niedrig, eröffnet dieses Modell gerade nicht diejenigen Freiheitsmöglichkeiten, die mit einem BGE gegeben wären und die aus unserer heutigen Misere erst hinausführten. Eine beim BGE mögliche Delegierung der Verhandlungen über Arbeitsbedingungen an die Mitarbeiter, der Verzicht auf Erwerbsarbeit zu jeder Zeit, ist bei der Grundsicherung nicht möglich. Auch wenn die Autoren hier das Gegenteil behaupten (S. 20) und versichern, daß die Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen gestärkt werde, kann dies mit dem festgeschriebenen Betrag, gemessen an seiner heutigen Kaufkraft, nicht geleistet werden. Ein BGE in ausreichender Höhe hingegen würde den Einzelnen erheblich stärken.

Es wird ein Unterschied zwischen Grundeinkommensempfängern gemacht, die gearbeitet haben (sie erhalten bei Arbeitslosigkeit einen Zusatzbetrag) und anderen. Damit ist die Grundeinkommensidee gerade ihrer umwälzenden Kraft beraubt und die bisherigen Verhältnisse werden im großen und ganzen fortgeschrieben. Zwar können auch beim BGE die Mitarbeiter eine Abfindung aushandeln oder in eine Versicherung vorher eingezahlt haben, die im Fall der Arbeitslosigkeit fällig wird, doch wäre das keine staatliche Leistung. Das BGE zielt ja gerade darauf, auf solche Zusatzleistungen nicht angewiesen zu sein.

Emmler/Poreski halten an der Einkommensteuer (S. 8) fest und bleiben damit im Alten stecken. Die von Benediktus Hardorp und Götz Werner dargelegte Analyse der tatsächlichen Wirkung von Steuern macht deutlich, wer heute schon die Steuerlast trägt: der Verbraucher. Eine Unternehmensbesteuerung führt demnach in die Irre. Sie belastet nur den Prozeß der Wertschöpfung, also der Leistungserbringung, behindert damit auch Innovationen statt die Vernutzung von Leistungen zu belasten. Auch hier geht es aber nicht vor allem um eine technische Frage. Mit der Umgestaltung des Steuerwesens von einer Einkommen- zu einer Konsum-(Verbrauch)Steuer verwandelten wir unser Bewertungsgefüge: Heute bewerten wir, über wieviel Einkommen der Einzelne verfügt und schöpfen davon ab; die Konsumsteuer hingegen bewertet, was der Einzelne mit seinem Geld macht. Die Konsumsteuer entlastet Leistungserbringung und belastet Leistungsvernutzung (Konsum).

Man erkennt an dem Entwurf deutlich, wie wichtig die Systematik eines Vorschlages und die Höhe des BGEs darin ist. Aus diesem Grund reden wir stets davon, daß es so hoch als möglich sein soll, um deutlich zu machen: Die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen ist auch eine Diskussion darum, wieviel Freiheit wir ermöglichen wollen und wieviel wir bereit sind, dafür umzuverteilen.

Sascha Liebermann