„Mehr Gleichheit wagen“…

…so der Titel eines Beitrags von Thomas Piketty in den Blättern für deutsche und internationale Politik. Darin findet sich ein Abschnitt, in dem er „über die Grenzen des existierenden Sozialstaates hinausdenken“ will. Eine Steuerpolitik mit einer stärkeren Progression bei Einkommen und Vermögen ist für ihn ein wichtiges Instrument, das er mit einem „Grundeinkommen“ kombinieren will, das effektiv ist. Was aber meint er damit? „An zahlreichen Unzulänglichkeiten, die insbesondere ihre Zugänglichkeit für Jüngere und Studierende, aber auch für Obdachlose oder Menschen ohne Bankkonto betreffen, leiden auch die derzeit in den meisten europäischen Ländern geltenden Grundeinkommenssysteme. Im Übrigen ist es entscheidend, das Grundeinkommen auf Personen mit niedrigen Löhnen und Erwerbseinkommen auszudehnen und wie im Fall der progressiven Steuer (die ebenfalls an der Quelle erhoben wird) mit einem System der automatischen, also nicht mehr eigens zu beantragenden, Auszahlung über die Lohnabrechnung zu verbinden. Der bescheidene Betrag, der für das Grundeinkommen vorgesehen ist und im Allgemeinen zwischen der Hälfte und drei Vierteln des Mindestlohns liegt, kann freilich, um auch das zu betonen, bloß eine partielle Waffe im Kampf gegen Ungleichheiten sein. Er taugt dazu, eine Untergrenze festzusetzen, und das ist entscheidend – unter der Bedingung, dass es nicht dabei bleibt.“ (In der Fußnote, die auf diesen Abschnitt folgt, schreibt er: „Dieses System erlaubt es darüber hinaus, den Lohnstatus zu verteidigen und der Zersplitterung der Arbeit entgegenzuwirken.“)

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Was meint Thomas Piketty, wenn er von „Basic Income“ spricht?

Was meint Piketty wohl in seinem Artikel, wenn er von Basic Income spricht? Es wird nicht weiter ausgeführt, doch diese Passage lässt erkennen, was er wohl im Auge hat:

„It is also essential to extend the basic income to include low-paid workers, with a system of automatic payment on pay slips and bank accounts, without people having to ask for it, linked to the progressive tax system (also deducted at source).“

Hier kann keine UBI im Sinne einer dauerhaft bereitgestellten Sozialdividende gemeint sein, denn die würde ja alle erreichen und müsste nicht auf eine bestimmte Gruppe – „low-paid“ workers – ausgedehnt werden.

Darüber hinaus behauptet Piketty, ein Basic Income müsse immer niedrig sein – weshalb? Und niedrig gemessen woran?

Kombinieren lassen sich alle möglichen Vorschläge, die Frage ist doch, was soll damit erreicht werden und was sind ihre Implikationen. Hier verabschiedet Piketty vorschnell das UBI, das am weitreichendsten wäre. Unbezahlte Arbeit fällt vollständig unter den Tisch, zumindest in diesem Beitrag.

Siehe meine früheren Kommentare hier und hier. Meine Kommentare zur Jobgarantie finden Sie hier und hier.

Sascha Liebermann

Thomas Piketty – für ein Bedingungsloses Grundeinkommen oder doch nicht oder was?

In einem Interview mit brand eins kommt Thomas Piketty auf ein BGE zu sprechen, führt es aber nicht weiter aus. Zuerst einmal klingt dass so, als sei er nun ein Befürworter einer solchen Einkommenssicherung. In früheren Äußerungen aber war nicht klar, was er genau unter einem Grundeinkommen versteht, siehe unseren früheren Beitrag hier, den Beitrag von Genevieve Shanahan auf den Basic Income News und den Artikel von Rico Grimm. Hat Piketty womöglich seine Haltung dazu geändert?

Sascha Liebermann

Hartz IV = Bedingungsloses Grundeinkommen? Piketty verwirrt oder eher die Berichterstattung?

In einem Beitrag von Anja Ettel und Tobias Kaiser auf Welt Online „Bedingungsloses Grundeinkommen ist erst der Anfang“ zum im nächsten Frühjahr auf Deutsch erscheinenden neuen Buch von Thomas Piketty findet sich folgende Passage:

„Keinesfalls allerdings dürfe dieses Staatserbe mit einem bedingungslosen Grundeinkommen verwechselt werden, sagt der Ökonom. Und es sei schon gar nicht eine Konkurrenzvorschlag. ‚Ich bin für ein bedingungsloses Grundeinkommen, und in den meisten europäischen Ländern haben wir das ja bereits‘, sagt er und spricht damit Sozialleistungen wie Hartz IV an, auf das jedermann Anrecht hat. ‚Aber das bedingungslose Grundeinkommen ist erst der Anfang, es genügt nicht, wenn man wirklich Geld und Macht durch die Gesellschaft zirkulieren lassen will.'“

Hat er das wirklich gesagt? Zwar ist es zutreffend, dass es Sozialleistungen gibt, die als Rechtsanspruch niedergelegt sind, doch die Frage, ob der Anspruch geltend gemacht werden kann, hängt von Bedürftigkeit ab, ist also gerade nicht bedingungslos. Kaum vorstellbar, dass Piketty dieser Zusammenhang nicht klar sein sollte, man kann gespannt sein, ob noch anderes von ihm zu lesen sein wird. Dass ein BGE erhebliche Machtverteilung bedeutet, wenn jemand – vorausgesetzt, es ist ausreichend hoch – nicht von Erwerbsbedingungen abhängt, um Einkommen zu sichern, damit tun sich manche schwer.

Das von Piketty vorgeschlagene „Staatserbe“ wurde vor vielen Jahren schon einmal diskutiert. Als „stakeholder grant“ hatten es Bruce A. Ackermann und Anne Alstott in die Debatte geworfen, siehe den Band Redesigning Redistribution.

Sascha Liebermann