…ach, nein, ein Missverständnis oder vielleicht eher ein Vorurteil bzw. eine Verleumdung?
In einem jüngst erschienen Beitrag (mit einem missverständlichen Titel) zu dieser Diskussion schreibt focus:
„Minderungen und Sanktionen wegen einer Arbeitsverweigerung seien jedoch selten. Die Zahl dieser Gruppe, bei denen der Regelsatz aufgrund von Weigerung gekürzt wurde, betrug laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit in den ersten elf Monaten des Jahres 2023 insgesamt 13.838. Von den 1,6 Millionen arbeitsfähigen Bürgergeld-Empfänger sind somit 0,86 Prozent „Totalverweigerer“ von Arbeit oder Ausbildungen.“
Darüber hinaus heißt es:
„‚Generell lässt sich feststellen, dass zuletzt mehr als 80 Prozent der Minderungen wegen Meldeversäumnissen festgestellt werden‘, so der Sprecher gegenüber der ‚Tagesschau‘ weiter. Dies betreffe etwa versäumte Termine bei ihrem Träger oder beispielsweise bei einem medizinischen sowie psychologischen Untersuchungstermin. Von Januar bis November 2023 wurden demnach insgesamt in 201.465 Fällen Leistungen gemindert.“
Nein, das ist ja gar nicht möglich, hätten wir das früher gewusst. Äh – das wissen wir aber schon ziemlich lange, z. B. 2018 gab es schon eine solche Meldung (hier). Stefan Sell wies schon 2014 darauf hin, dass die meisten Sanktionen (70%) wegen Meldeversäumnissen verhängt werden (hier). In einer Studie der Friedrich Ebert Stiftung wird bis 2007 dasselbe ermittelt (hier, S. 9).
Selbst der Wert von 0,86% „Totalverweigerern“, von denen der Beitrag spricht, muss hinterfragt werden, weil an ihm die Gründe für die „Verweigerung“ nicht zu erkennen sind, so dass schon der Ausdruck „Verweigerung“ womöglich an der Sache vorbeigeht und nur der Gesetzeslage geschuldet ist. Es werden also seit Jahr und Tag dieselben Aufreger erzeugt, durch die Medien gereicht und zugleich wieder revidiert, ohne dass sich etwas verändert hätte. Weiß man es nicht besser oder will man es nicht besser wissen? Will also auch der Spitzenkandidat der CDU, der Verschärfungen anstrebt, es nicht wissen und all jene, die diese Debatte kurz vor der Bundestagswahl befördern? Wo bleiben die Alternativvorschläge der anderen Parteien? Einst gab es von Robert Habeck den Vorschlag einer Garantiesicherung, zwar etwas unausgegoren, aber immerhin – vom Winde verweht, so scheint es.
Eine solche Debatte und das Niveau kann man zurecht als Denkstagnation bezeichnen, ohne das irgendein Problem gelöst würde.
Sascha Liebermann