Hoch, die Arbeit…

…, so könnte der Beitrag von Mirna Funk „Emanzipation gibt’s nicht in Teilzeit“ auf Spiegel Online übertitelt werden. Funk kritisiert einen „Privilegsfeminismus“, der die Vorstellung einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf für unrealistisch halte (das liest man aber selten, meiner Erfahrung nach), und feiert demgegenüber die Erwerbsteilnahme als wirklichen Freiheitsgewinn, als Emanzipation schlechthin. Sie spießt manche Einseitigkeit in der Debatte um „Care-Arbeit“ (ein wenig hilfreicher Begriff) auf, um selbst allerdings einseitig zu werden, indem sie behauptet, es gehe sehr wohl, das mit der Vereinbarkeit, die Frau müsse nur als „autonomes Subjekt“ ernstgenommen werden, sich unsolidarischen Partner verweigern und das gehe am besten, wenn sie unabhängig sei, also Einkommen unabhängig von ihrem Partner habe. Abgesehen von der Feier der Erwerbstätigkeit, die sie vollzieht, statt ihren Vorrang zu hinterfragen und weitgehend polemisch die Degradierung von Zeit für Familie abzufertigen, übergeht sie mit dem Verweis auf ihre DDR-Biographie nonchalant die Erfahrungen, die dort mit dem „flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung“ gemacht und in der Forschung entsprechend aufgegriffen wurden, so die differenzierten Betrachtungen z. B. von Lieselotte Ahnert und Agathe Israel (siehe auch hier). Es darf der Hinweis auf die Vorbilder „Frankreich, Skandinavien und Israel“ nicht fehlen, die angeblich zeigten, dass es ja gehe mit der Vereinbarkeit – nun, sie machen es einfach und nehmen die Folgen in Kauf.

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„Salario Universal“ ist kein Bedingungsloses Grundeinkommen…

…, sofern dieser Bericht, auf den hier verlinkt wird, es richtig darstellt. Es handelt sich vielmehr um ein Mindesteinkommen für Arbeitnehmer („salario“), also so etwas wie ein Mindestlohn käme dem wohl am nächsten. Ganz anders ist die „renta básica“ gedacht.

Sascha Liebermann

„Gratismentalität“ – ohne „Gratis“ gäbe es keine gelingende Sozialisation, keine Familien, keine politischen Gemeinwesen…

…in unserem heutigen Verständnis in einer Demokratie, denn für alles drei gilt: das Gedeihen hängt von der vorbehaltlosen Anerkennung ab, was nicht mit Verantwortungslosigkeit zu verwechseln ist. Wo Anerkennung des Gegenübers an Gegenleistungen gebunden, wo Zuwendung davon abhängig gemacht wird, wird die sie tragende Beziehung zerstört (auch wenn das manche durchaus anders zu sehen scheinen, wie z. B. Dominik Enste hier und hier).

Außer Frage steht, dass ein solches Gefüge in der Tat erodieren kann, wenn diese Anerkennung nicht erfolgt, wenn die Verantwortung dafür nicht übernommen wird, doch das wäre Folge eines Versagens, nicht der Ausgangspunkt.

Sascha Liebermann

„Volksentscheid Grundeinkommen droht zu scheitern“ – jetzt Unterschriften sammeln

„…innere Konflikte…“ statt schönfärberische Formeln…

…das wird im Beitrag von Julia Schaaf über die Bürgermeisterin von Coesfeld in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sehr klar, in dem sich die Bürgermeisterin dazu äußert, wie es ist, kleine Kinder zu haben und berufstätig zu sein:

„Andererseits spricht sie offen über ihre inneren Konflikte als Mutter: „Das gibt es jeden Tag, dass ich hin- und hergerissen bin.“ Auch wenn sie beim Abschied in der Kita morgens nie sage, dass sie zur Arbeit müsse – „ich will zur Arbeit gehen, ich bin glücklich damit“: Zu gehen falle manchmal schwer. „Und natürlich sehe ich andere Familien, die nachmittags einfach auf dem Spielplatz abhängen und mit den Kindern gemeinsam den Sommer genießen.“ Manchmal werde ihr bewusst, wie die Zeit verstreiche, während sie Entwicklungsschritte ihrer Kinder verpasse. Das Seepferdchen zum Beispiel. Und sie war nicht dabei: „Das ist schon schwierig.“

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Steigerung der Erwerbsquoten statt Frage danach, ob der Stellenwert von Erwerbstätigkeit angemessen ist…

…das findet sich im Beitrag von Sabine Rennefanz auf Spiegel Online, die zwar zurecht auf eine einseitig geführte Debatte über die Erhöhung der Erwerbsarbeitszeit hinweist, die aber den Blick auf die Mütter dabei vermisst. Dabei gelte es, so ihre Einschätzung, die Frauenerwerbsquote und -erwerbsarbeitszeit zu erhöhen. Die Folgen erhöhter Erwerbstätigkeit sieht sie glasklar:

„Denn wenn alle mehr arbeiten, wer kümmert sich dann um die Kinder und die Alten? Über 70 Prozent der unter Dreijährigen in Westdeutschland werden zu Hause überwiegend von ihren Müttern betreut, um vier von fünf Pflegebedürftigen kümmern sich Angehörige, auch meistens Frauen. Wer soll das machen, wenn alle arbeiten? Und was macht das mit der mentalen und physischen Gesundheit?“

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Wichtige Einordnung – die Bedeutung eines BGE bestimmt sich nicht von erwünschten Folgen her

„Bürgergeld statt Hartz IV: Was sich Langzeitarbeitslose von der geplanten Reform erhoffen“…

….darum geht es in einem Teil des DIW-Wochenberichts 31/22. Berichtet wird unter anderem über eine standardisierte Befragung von Langzeitarbeitslosen und deren Einschätzung des Reformvorhabens, in der Grafik wird das Ergebnis dargestellt. Interessant sind die Ergebnisse bezüglich der Vorstellung darüber, wie das System ausgenutzt werde und die Einstellung zur Abschaffung von Sanktionen. Dass gerade Leistungsbezieher sich nicht rundweg gegen Sanktionen aussprechen mag manchen überraschen, der ein verklärtes Bild davon hat, wie diejenigen ein Sozialstaatsgefüge betrachten, die davon betroffen sind. Fachlich betrachtet ist das Ergebnis gar nicht überraschend. Was eine solche Befragung aufgrund ihrer methodischen Grenzen nicht freilegen kann, ist die konkrete Haltung der Befragten zu diesem Komplex, die Widersprüchlichkeit ihrer Auskünfte und die viel weniger klare Abgrenzung in den Haltungen zu verschiedenen Fragen. Um das zutage zu fördern wären nicht-standardisierte Forschungsgespräche hingegen sehr geeignet (offene Interviews), die dann detailliert ausgewertet werden müssen (zur Diskussion dazu siehe z. B. hierhierhier und hier).

Sascha Liebermann

„Wir machen weiter!“…

…schreibt das Initiativkommitee zur laufenden Volksinitiative Bedingungsloses Grundeinkommen, nachdem in den Schweizer Medien über die Schwierigkeiten, mit denen sich Volksinitiativen heute konfrontiert sehen, wenn sie ausreichend Unterschriften für ihr Anliegen erreichen wollen, berichtet hatte. Die Schwierigkeiten scheinen allerdings nicht neu und auch nicht mit der Pandemie erklärbar, wenn man einen Blick zurück auf die Volksinitiative von 2012 wagt, die 2016 zur Abstimmung gelangte. Denn damals drohte dasselbe Ungemach, dem die Initiative mit regelmäßigen Berichten und Aufrufen zum Unterschriftensammeln begegnete (siehe hier) und überhaupt mehr auf die mediale Präsenz setzte, während von der laufenden Initiative eher wenig zu erfahren war.

Bis zum Jahresende gilt es, 100 000 Unterschriften zu sammeln, wenn das Vorhaben gelingen soll.