…meldet neues deutschland: „…Die staatlichen Zuwendungen für Arbeitslosengeld-II-Bezieher sind sehr knapp bemessen, das gilt für Bürger mit und ohne Kinder. Und wenn Hartz-IV-Empfänger ihre sogenannten Pflichten nicht erfüllen, werden sie mit Geldentzug bestraft. Auch das gilt für Menschen mit und ohne Kinder. Im vorigen Jahr gab es jeden Monat durchschnittlich rund 132 000 Hartz-IV-Bezieher, die mit Sanktionen belegt wurden. Etwa weil sie nicht zu einem Termin beim Jobcenter erschienen waren oder ein Arbeitsangebot abgelehnt hatten. Unter den Bestraften waren monatlich 42700 Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die mit Kindern in einem Haushalt lebten. Das zeigt eine Sonderauswertung von Daten der Bundesagentur für Arbeit für das Kooperationsprojekt »O-Ton Arbeitsmarkt«.“
Gegen Ende des Beitrags heißt es:
„…Stefan Sell hält die Sanktionspraxis der Jobcenter prinzipiell für fragwürdig. Bei der staatlichen Grundsicherung gehe es um ein Grundrecht auf Gewährleistung des Existenzminimums. »Wie kann das unterschritten oder gar vollständig entzogen werden?« Es werde Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht abschließend kläre, ob die Sanktionen zulässig sind, sagte Sell dem »nd«.“
In der Tat stellt sich die Frage, nach welchen Bedingungen unser Gemeinwesen das Existenzminimum bereitstellen will und ob die heutige Praxis angemessen ist. Aber zugleich muss man fragen, wie in einem Sicherungssystem, das sich auf den Vorrang von Erwerbstätigkeit vor allem anderen stützt, auf Sanktionen verzichtet werden soll? Sicher, der Gebrauch des Instruments lässt sich ändern, weniger restriktiv könnte er sein. Doch macht es den erwerbszentrierten Sozialstaat aus, sanktionieren zu können, das war auch vor der Agenda 2010 schon so. Die Forderung nach einer „repressionsfreien Grundsicherung“ ist entweder eine, die zum BGE führen soll, oder sie verbleibt im heutigen Gefüge. Dann ist sie politisch naiv, denn ohne Sanktionen, kein erwerbszentrierter Sozialstaat.
Sascha Liebermann