Verfehlte Nostalgie, einseitige Wahrnehmung und Ausweglosigkeit in der Debatte – zur jüngsten Sendung von Hart aber fair

Frank Lübberding schreibt über die jüngste Sendung von Hart aber fair in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und macht auf manch Interessantes aufmerksam, so z. B. darauf dass einst, und zwar in den Zeiten des sogenannten Wirtschaftswunders, einmal als Maßstab von Wohlstand galt, von einem Einkommen leben zu können, auch als Familie. Dass wir davon weit entfernt sind, wurde in der Sendung an einem Gast deutlich, der alleinerziehenden und erwerbstätigen Djamila Kordus. Sie gehört von ihren Einkommensverhältnissen her eher zu den Working Poor, die gerade so über die Runden kommen. Selbst ein Mindestlohn von 12 Euro würde daran nicht viel ändern.

Obwohl auch heute dieser Maßstab, dass ein Einkommen ausreichen sollte, sein Recht hätte, denn das minderte die Erwerbsverpfllichtung, käme keiner mehr auf die Idee, sich daran zu orientieren. Stattdessen ist der Maßstab heute die möglichst umfängliche Teilnahme am Erwerbsleben, ganz gleich was das mit den anderen Lebensbereichen macht, wie an Frau Kordus Ausführungen zu erkennen war (siehe hierhier und hier).

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Bedingungsloses Grundeinkommen und das Wissenschaftssystem…

…was für einen Unterschied es machte, über ein BGE zu verfügen oder nicht, wird auch hieran deutlich. Wenige wissen womöglich, wie unsicher dieser berufliche Weg ist und wie lange er es sein kann, bis er sogar aufgegeben wird.

Siehe dazu auch hier, hier und hier.

Sascha Liebermann

„World’s Toughest Job“ – nicht neu, macht aber das Besondere des Elternseins deutlich, wenn es hier auch um Mütter geht…

…und weshalb es ebenso besonderer Antworten bedarf, um dieser Eigenheit gerecht zu werden. Familie als Solidarverband lässt sich nicht erfahren, wenn man keine ungeplante Zeit füreinander hat oder das Zusammenleben in die Randzeiten des Erwerbsarbeitstages verbannt. Lösungen dafür zu finden, die nicht dazu führen, dem Einzelnen zu sagen, was er zu tun hat bzw. ein bestimmtes Handeln als erwünscht zu bewerten (Norm) kann es nur geben, wenn der Vorrang von Erwerbstätigkeit aufgegeben wird. Ohne Bedinungsloses Grundeinkommen geht das nicht.

Sascha Liebermann

Karl Reitter über Primär- und Sekundärverteilung

Siehe auch den Kapitelauszug hier.

„…sie dazu bringen, ihr Potential auch leben zu können…“ statt sie mit einem Taschengeld abzuspeisen…

…das ist der weitere Zusammenhang des Zitats aus Gabor Steingarts Morning Briefing mit dem Titel „Wege zur Selbstermächtigung“ aus dem Jahr 2019. Im Gespräch mit Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des Philosophie Magazins, ging es um Gerechtigkeit, hieraus stammt die zuletzt von mir unter Vorbehalt kommentierte Äußerung, ein BGE infantilisiere die Menschen. Sie hat es tatsächlich so gesagt und noch mehr (etwa ab Minute 10).

Gleich zu Beginn der entsprechenden Passage spricht sich Flaßpöhler gegen „Alimentierung“, „Infantilisierung“ und „Pampern“ aus, als werde der Einzelne durch staatliche Unterstützung davon abgehalten, sich zu fragen, wohin er mit seinem Leben wolle. Zu diesem Schluss kann man nur gelangen, wenn man der Auffassung ist, Einkommenssicherheit – darauf bezieht sich Alimentierung – behindere Leistung. Wie kommt sie darauf? Von einem „Pampern“ zu sprechen reiht sich in eine Tradition der Kritik am „Nanny State“ ein, in der der Staat dafür verantwortlich gemacht wird, dass die Bürger nicht mehr Eigeninitiative an den Tag legen. Die ehemals sozialistischen Staaten bieten genügend Anschauungsunterricht, weshalb sich Eigeninitiative dort nur ungenügend entfalten konnte, es lag nicht an der mangelnden „Befähigung“ und auch nicht an der Alimentierung.

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„Erwerbslosigkeit ist ein großes soziales Problem, weil wir kein BGE haben“

Unsere Beiträge zu Stigmatisierung und Erwerbsnorm.

Ein BGE infantilisiere Menschen…

…soll Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des Philosophie Magazins, behauptet haben. Es fehlt bislang eine Quellenangabe dazu, so dass ich mich hier nur unter Vorbehalt äußern kann. Auch wäre der weitere Zusammenhang der Äußerung wichtig, um einschätzen zu können, worum es ging. Weil all dies nicht bekannt ist, betrachte ich die Äußerung einfach für sich. Was ist daran interessant? Es ist der Zusammenhang, der hergestellt wird, denn zum einen steht er in der Tradition libertären Denkens, das im Kollektiv, das dem Einzelnen bestimmend gegenüber treten könnte, die größte Gefahr sieht, eine Art Freiheitsberaubungstheorie wohnt dem inne; zum anderen reiht sie sich ein in die Haltung der Stilllegungsbefürchtungen. Immerhin geht die Äußerung davon aus, dass Bürger sich ihre Selbstbestimmung dadurch nehmen lassen oder sie aufzugeben bereit sind alleine deswegen, weil sie eine Mindesteinkommensgarantie erhalten. Ein BGE spricht dem Einzelnen aber weder seine Selbstbestimmung ab, noch dient es als Erziehungsinstrument. Wie kann es dann zur Infantilisierung führen? Daraus wird nur ein Schuh, wenn jemand der Auffassung ist, staatliche Alimentierungsleistungen bergen per se schon die Gefahr der Entmündigung oder zumindest des Entmündigungsbestrebens. Damit wären grundsätzlich gemeinschaftliche Leistungen in einem politischen Verband, hier unserer Demokratie, in Frage gestellt. Autonomie gäbe es also immer nur bei vollständiger oder weitgehender Unabhängigkeit von anderen – aber das ist illusionär, in keinem Gemeinwesen ist das möglich (siehe hier).

Sascha Liebermann