
Die Chimäre von der „Vereinbarkeit“ – dennoch muss sie sein…
…so zumindest liest sich der Beitrag Livia Gersters in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (Bezahlschranke) vor dem Hintergrund des Rücktritts der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Anne Spiegel. Die darin zitierten Politikerinnen, die selbst Mütter sind, sehen den Rücktritt und seine Begründung aus verschiedenen Perspektiven. Sie begrüßen, dass sichtbar wird, wir fordernd der „Politikbetrieb“ ist, wie unterschiedlich seine Erwartungen an Väter und Mütter, wie wenig er auf die Herausforderungen von Familien Rücksicht nimmt. Zugleich aber soll es möglich sein, beides zu „vereinbaren“, das Vollzeit-Engagement in der Politik und Familienleben. Dass der Alltag anders aussehen könnte, Abstimmungen zusammengelegt werden könnten usw. wird mit Blick auf das Europäische Parlament aufgezeigt. Die hierfür zitierte Politikerin kommentiert das so:
„Deshalb war es auch selbstverständlich, dass die Abgeordneten abends bei ihren Familien waren“.
Immerhin, doch: vereinbar? Wo ist die Vereinbarkeit, wenn der Alltag mit Vollerwerbstätigkeit beider Eltern gepflastert ist und das Familienleben in die Randzeiten entschwindet? Von einem realistischen Verständnis von Familie ist das weit entfernt, eben doch Un-Vereinbarkeit.
Sascha Liebermann
„Gleiches gleich“
Wir behandeln Gleiches ungleich.
Fürsorge ist Fürsorge, ob entlohnt oder nicht. Wird sie entlohnt, gewähren wir den Grundbedarf bedingungslos (= Freibetrag). Wird sie nicht entlohnt, fordern wir Erwerbsbereitschaft für seine Gewährung.
Lösung? #BGE. Behandelt Gleiches gleich.
— BGE Eisenach (@bge_esa) April 23, 2022
Eine wichtige Frage, die heute schnell unter dem Vereinbarkeitsgebot verschüttgeht…
Höre ich selten (nie?), dass neben der historischen Bedeutung einer Person auch die Frage beantwortet wird, wie ihre inhaltliche Arbeit mit #Sorgearbeit (un-)vereinbar war. Als Mutter frage ich mich das immer. Bei @Herstory_pod kommt es vor!
— Johanna Wenckebach (@jo_wenckebach) April 22, 2022
…nicht nur für Mütter, für Väter ebenso, wie einst ein Manager es laut eines Beitrags in brandeins ausdrückte:
„Seine Managerkollegen von früher schmunzeln vermutlich schon über die Wortwahl. Alexander May ist ein Beispiel dafür, was in keiner erbaulichen Ministeriumsbroschüre steht, aber jeder schnell merkt, der Kinder bekommt: Familie hat ihren Preis. Karriere auch. Ob die Gleichung aufgeht, muss jeder für sich selbst entscheiden.“
Siehe unseren früheren Beiträge hierzu.
Sascha Liebermann
„Was würde sich ändern?“
55 unserer Gewinner*innen leben in #Sachsen. Achtung, Ankündigung: Wir sind bald in dem schönen Bundesland unterwegs – und neugierig. Wer von euch kommt aus Sachsen oder wohnt dort? Und: Was würde sich dort verändern, wenn alle Bewohner*innen ein #Grundeinkommen erhalten? pic.twitter.com/hysgWuLwyy
— Mein Grundeinkommen (@meinbge) April 22, 2022
Die ehrwürdige Gießkanne – zielgenau
Wer die Gießkanne ablehnt, um knapp bemessenen Gelder nur den wirklich Bedürftigen zu geben, übersieht, dass diese zielgerichtete Unterstützung einen (stigmatisierenden) Nachweis verlangt, der genau dazu führt, dass es wirklich Bedürftige nicht haben. #BGE #Grundeinkommen (MS)
— BGE Eisenach (@bge_esa) April 21, 2022
„Lohnarbeit […] sinnstiftend […] wichtige soziale Integration und für viele Quelle der Identifikation und des Selbstbewusstsein“ – Verklärung…
Wenn Lohnarbeit sinnstiftend ist, dann müssen wir uns doch nicht dazu zwingen, sie auszuüben. Dann zieht’s uns auch ohne existenziellen Zwang zu ihr. Diesen Zwang nähme das #BGE raus. (MS)
— BGE Eisenach (@bge_esa) April 19, 2022
…und wer das ernst meint, könnte um so mehr darauf vertrauen, dass ein BGE daran nichts änderte. Siehe auch hier.
Sascha Liebermann
„So geht das nicht weiter…
…Die Nachfrage steigt, die Spenden gehen zurück: Die Lage bei den Tafeln spitzt sich zu. Sie rufen zu mehr Spenden auf und fordern ein Umdenken der Politik. Eine Entlastung ist aber nicht in Sicht“, meldet tagesschau.de.
Automatisierung, Millionärssöhne, Erwerbstätigkeit – und wieder einmal die Demokratie übersehen. Grundeinkommen bei Markus Lanz
Die Sendung Markus Lanz vom 14. Juli (hier der Ausschnitt zum Bedingungslosen Grundeinkommen) widmete sich dem Zusammenhang von Sozialversicherungssystemen, Sinn von Erwerbstätigkeit und Entwicklung der Erwerbsarbeitswelt angesichts von Automatisierungsmöglichkeiten, deren Wirkungsbreite schwer einschätzbar ist. Es war sicher kein Zufall, dass gerade Richard David Prechts neues Buch erschienen ist, das sich damit prächtig bewerben ließ. Die in der Sendung behandelten Fragen sind in ihrer Bedeutung weder neu (siehe hier und hier) noch sind sie auf eine ungewöhnliche Weise behandelt worden, selbst in Lanz‘ Sendung waren sie wiederholt Gegenstand, in Fachdebatten ohnehin.
Interessant ist der Ausschnitt zum BGE wegen der Antworten Monika Schnitzers, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der LMU-München und Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der die Bundesregierung berät. Weshalb interessant? Zum einen weil sie erstaunlich kurz greifen und teils doch nur Werthaltungen erkennen lassen, ohne zu analysieren; zum anderen weil sie deutlich machen, dass manche, die gerne in das Precht-Bashing einstimmen, es sich zu einfach machen. Denn Schnitzers Antworten sind teils erstaunlich, wie Prechts Überlegungen durchaus widersprüchlich sind, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es von „Freiheit“ handelt. Für die gesamte Diskussion ist eine Verengung symptomatisch, da sie stets um die Frage kreist, wie sich denn nun die Erwerbsmöglichkeiten und -bedingungen verändern werden und was davon zu halten sei. Dabei könnte über Automatisierungsmöglichkeiten ganz anders diskutiert werden, wenn es eine alternative legitime Einkommensform zu Erwerbseinkommen gäbe – an ihr wird, aufgrund ihrer normativen Stellung, alles gemessen, was teils groteske Folgen hat, so z. B. die ständige Hoffnung darauf, Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen bzw. Beschäftigung zu sichern, statt Wertschöpfung ins Zentrum zu rücken, wozu allerdings Einkommen auch in anderer Form bereitstehen müsste als durch Erwerbstätigkeit.
Grundeinkommen Schweiz – Unterschriftensammlung soll starten

Im März informierte der Verein Grundeinkommen Schweiz, dass bis Anfang 2023 die Unterschriften für die eidgenössische Volksinitiative „Leben in Würde – Für ein finanzierbares bedingungsloses Grundeinkommen“ gesammelt werden müssen, damit es zu einer Abstimmung kommen kann. Seit der Lancierung der Volksinitiative ist mehr als ein halbes Jahr vergangen, lange war nichts zu hören von der Initiative, vielleicht wurde auch nur im Hintergrund daran gewerkelt, dass es losgehen kann. Sollte es den Initianten gelingen, ausreichend Unterschriften zu sammeln, dann wäre die zweite Volksabstimmung zum Bedingungslosen Grundeinkommen möglich.
Die erste Volksinitiative wurde im Jahr 2012 lanciert und kam im Jahr 2016 zur Abstimmung – unter enormer internationaler Aufmerksamkeit. Die Website der damaligen Initiative ist immer noch online und bietet eine umfangreiche Sammlung an Berichten zur Kampagne.
Siehe unsere Beiträge auch zur ersten Volksinitiative hier.
Sascha Liebermann
