„Im Grunde ein 1-Euro-Job“ – stattdessen eine „sanktionsfreie Grundsicherung“?

Darüber schreiben Sven Lehmann und Lisa Paus (Bündnis 90/ Die Grünen) in der taz und nehmen den Vorschlag eines solidarischen Grundeinkommens auf’s Korn. Ebenso kritisch  schreibt Arno Widmann „Trickserei und Dummheit der SPD“ in der Frankfurter Rundschau. Selbst bekannte Nachrichtensendungen wie die Tagesschau berichten differenziert über den Vorschlag und seine irreführende Bezeichnung.

Was schreiben Lehmann und Paus?

„Da schau an: Auch innerhalb der SPD mehren sich die Stimmen, dass wir Hartz IV überwinden und durch ein neues System der sozialen Sicherung ersetzen müssen. Das begrüßen wir Grüne sehr. Und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, hat auch ein Modell eingespeist: das „solidarische Grundeinkommen“.“

Dass „wir Grüne“ das begrüßen, so ganz allgemein gesprochen, ist doch für den unbefangenen Betrachter ziemlich erstaunlich, siehe z. B. hier und die jüngsten Einlassungen von Brigitte Pothmer, immerhin arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Deutschen Bundestag. Unbestritten ist die deutliche Zahl an Befürwortern, die es unter den Grünen für ein Grundeinkommen in der einen oder anderen Art gibt.

Lehmann und Paus machen dann deutlich, welche Mogelpackung ein solidarisches Grundeinkommen darstellt und schreiben dann:

„Richtig ist, dass die Grundsicherung künftig unbürokratisch und sank­tions­frei ausgezahlt werden sollte. Das würde auch die Arbeit der Jobcenter verbessern, die sich vor allem auf ihre Hauptaufgabe, die Qualifizierung für und die Vermittlung in Arbeit, konzentrieren sollten.“

„Sanktionsfrei“? Beziehen sie sich nur auf das solidarische Grundeinkommen? Das soll doch nur erhalten, wer erwerbstätig ist, für andere gilt weiterhin Hartz IV. Wie soll da eine sanktionsfreie Grundsicherung möglich sein? Dazu müsste das erwerbsorientierte Sicherungssystem verlassen werden. Man kann lange Reden über die Abschaffung der Sanktionen halten, ernst lässt sich damit nur machen, wenn die bisherige Legitimationsstruktur der Sicherungsleistungen aufgegeben wird.

Was schließen die Autoren?

„Eine sanktionsfreie und würdevolle Grundsicherung ist mit Müllers Vorstoß nicht möglich. Denn er knüpft Leistungen an die Bedingung „gemeinnütziger Arbeit“. Im Grunde ist das nicht mehr als die alten „1-Euro-Jobs“, die weder angemessen bezahlt werden noch eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt bieten. Müllers Modell ist weder wirkungsvolle noch würdevolle Sozialpolitik – also eine Mogelpackung.“

Volltreffer, so ist es und wurde mittlerweile andernorts ebenfalls deutlich gemacht. Die Gegenforderung?

„Wir fordern eine sank­tionsfreie, armutsfeste Grundsicherung als Schritt zu einem emanzipatorischen Grundeinkommen. Denn ein Bedingungsloses Grundeinkommen könnte den Freiraum schaffen, Arbeit neu zu denken – auch über die klassische Erwerbsarbeit hinaus.“

Letzteres ist unstrittig, das wäre genau, was ein BGE leisten könnte. Der Zwischenschritt aber lässt sich innerhalb des bestehenden Gefüges nicht machen, ohne es gleich aufzuheben. Warum dann nicht gleich BGE fordern, vielleicht aus strategischen Gründen?

Sascha Liebermann