…der muss demnächst „Bürgerarbeit“ leisten. Damit macht Bundesministerin von der Leyen ernst mit den Ankündigungen von Anfang dieses Jahres. Vielleicht ein später Erfolg des Soziologen Ulrich Beck, der Bürgerarbeit (siehe auch hier) einst ins Gespräch gebracht hat?
Über Reaktionen von Gewerkschaftsseite darf gestaunt werden. In einer Pressemitteilung des DGB heißt es: „Zudem kritisiert der DGB, dass die Bürgerarbeit nicht auf freiwilliger Teilnahme beruht, was in aller Regel Erfolg versprechender ist, sondern im Fall der Ablehnung scharf sanktioniert werden soll.“ – Bitte, lesen wir recht? Freiwillige Teilnahme? Das klingt beinahe so, als fordere der DGB bald ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dabei kritisiert er etwas, das für ALG-I- und ALG-II-Bezieher das Selbstverständlichste ist: unter der Androhung von Sanktionen leben zu müssen. Hat er das vergessen? Willkommen in der Gegenwart.
Laut Leipziger Internet Zeitung wird von Ver.di und einer Stadträtin der Linkspartei das Workfare-Prinzip kritisiert, dem die Bürgerarbeit folge. Ihre Maxime sei, dass es „Keine Leistung ohne Gegenleistung“ gebe. Das aber gilt seit dem Bundessozialhilfegesetz 1961 und ist mit im Zuge der Agenda 2010 nur verschärft worden. Sozialhilfe war nie zum Ausruhen gedacht oder dazu herauszufinden, wie man leben will. Sie beinhaltete stets die Verpflichtung, wieder aus ihr hinauszugelangen.
Während Verdi nicht im Verdacht steht, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu befürworten, denn nur mit ihm gäbe es keine Erwerbsverpflichtung, so gibt es bei der Linkspartei zumindest ein paar Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens. Doch davon ist in der Zeitungsmeldung nicht die Rede. Stattdessen wird der Bürgerarbeit eine repressionsfreie Mindestsicherung gegenübergestellt. „Repressionsfrei“ – klingt liberal. Tatsächlich handelt es sich um eine Leistung, die dem Bedürftigkeitsprinzip folgen soll. Sie ist zwar als Individualanspruch konzipiert, dennoch wird die Leistung mit dem Haushaltseinkommen verrechnet. Damit bleibt vom Individualprinzip nichts übrig. Selbst wenn es anders wäre, dann bleibt dennoch die Erwerbsverpflichtung als normatives Ideal erhalten – also würde sich auch damit nicht grundsätzlich etwas ändern. Wo „repressionsfrei“ drauf steht, muss also nicht Repressionsfreiheit drin sein.
All dies wäre der Erwähnung nicht wert, denn es handelt es nicht um Neuigkeiten von der Arbeitsfront. Indes sind sechs Jahre Grundeinkommensdiskussion vergangen und bei den Parteien hat sich nichts getan. Oder werden etwa die Grünen sich nun als Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens ‚outen‘? Da müssen wir keine Sorge haben, es gibt ja den Bundesvorstand.
Für die Befürworter eines bGEs kann das nur heißen: noch mehr öffentliche Veranstaltungen, Diskussionen, Filmvorführen, Info-Stände, Aktionen jeglicher Art organisieren, um auf das bGE aufmerksam zu machen. Es gilt, nicht zu verzagen, denn die Erfolge der Grundeinkommensdiskussion sind erheblich, das bGE hat seinen festen Platz in der öffentlichen Debatte, das war 2004 noch kaum vorstellbar. Das reicht aber nicht.
Sascha Liebermann