Vielleicht gibt es noch andere Gründe als das #Ehegattensplitting, nicht voll erwerbstätig zu sein? Lebensqualität? Keine Lust auf #Bullshitjob? Eine Art #Weisheit, die in der „Soziologie der kommerziellen Beziehungen“ (frag‘ dazu @MartinWerding😀) nicht vorkommt? #economyiscare?
Es spricht viel dafür, dass es andere Gründe gibt, um das zu bestimmen benötigt man anderes Datenmaterial als standardisierte Befragungen. Die Anreizdenke als Modelldenken führt dazu, dass diese anderen Gründe nicht gesehen oder nicht für relevant gehalten werden. Ganz ähnlich verhält es sich in der Diskussion um die Armutsfalle und andere ähnlich entworfene „Anreiz“-Konstellationen. Darüber hinaus gilt das Ehegattensplitting für die Ehe und nicht nur für einen der Ehegatten, auch wenn Teilzeit von Frauen erheblich mehr genutzt wird als von Männern.
Die Bewertung von Teilzeit erfolgt vor dem Hintergrund dessen, dass Vollzeit das Ideal wäre, als gäbe es kein Leben außerhalb von Erwerbsarbeit. Bei Vollzeit findet das aber kaum noch Platz – man rechne den Alltag einfach durch und sehe, was von ihm bleibt.
Siehe unsere früheren Beiträge zum Ehegattensplitting hier.
Unter diese Überschrift muss man wohl eine Diskussion – oder eher: Diskussionsverweigerung, Schubladendenken oder gar Feindbildpflege – verbuchen, die Elfriede Harth mit ihrem Tweet ausgelöst hat, der auf meinen Beitrag zur begrenzten Aussagekraft von sogenannten Zeitverwendungsstudien hinweist. Ich hatte mich zur Aussagekraft statistischer Erhebungen zum Stundenvolumen „unbezahlter Arbeit“ geäußert, dass sie nicht nur unpräzise sind, sondern durch das zur Erhebung eingesetzte Kriterium für Unklarheit sorgen:
„Zur Abgrenzung der unbezahlten Arbeit von persönlichen Tätigkeiten und Freizeitaktivitäten wird das sogenannte „Dritt-Personen-Kriterium“ herangezogen. Danach zählen alle Aktivitäten, die auch von einer anderen Person gegen Bezahlung übernommen werden können, zur unbezahlten Arbeit.“ („Entwicklung der unbezahlten Arbeit privater Haushalte“, S. 37)
Für diese Sendung wurden die Theologin Ina Praetorius und der Theologe Torsten Meireis (Professor an der Universität Bern) interviewt. Entgegen einer verbreiteten Deutung, die das Bedingungslose Grundeinkommen als nicht vereinbar mit dem Protestantismus hält, führen die beiden Theologen aus, dass sie dies nicht so einschätzen. Vor vielen Jahren hatte in diesem Sinne sich schon Bischof Dr. Hans Christian Knuth (Wikipedia) geäußert. Nachfolgend kommentiere ich ausgewählte Äußerungen, die sinngemäß zitiert werden.
Ina Praetorius hebt die bedingungslose Liebe Gottes heraus, das BGE sei ihre sozialpolitische Umsetzung und insofern konsequent. Die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens korrespondiere mit der bedingungslosen Zuwendung zum anderen Menschen. So würden endlich diejenigen Tätigkeiten Anerkennung finden, ohne belohnt zu werden, die heute als unbezahlte „Arbeit“ zum Privatvergnügen herabgesetzt werden.
Das BGE sei keine Patentlösung, es berge die Gefahr, Menschen damit ruhigzustellen – andere nennen das Stilllegungsprämie. Diese Schlussfolgerung halte ich wiederum für gefährlich, um den Ausdruck zu übernehmen. Jemanden ruhigzustellen erfordert, selbst wo es um Medikamentierung geht, in der Regel die Zustimmung dessen, der ruhiggestellt werden soll. Wenn eine Ruhigstellung nicht gewollt ist, muss derjenige sich dagegen wehren, der nicht ruhiggestellt werden will. Übertragen wir das auf ein ganzes Staatsvolk, darum geht es bei der Eidgenössischen Volksinitiative, geht es nicht um Einzelne. Wo liegt da nun die Gefahr? Selbst wenn die Bürger sich ruhigstellen ließen, müsste dies als Haltung doch auch ernst genommen werden. Das sieht Ina Praetorius offenbar nicht so und setzt dieser Gefahr dann auch ein emanzipatorisches BGE entgegen, das die Menschen befähige, sich zu entscheiden. Sofern damit nicht gemeint sein soll, dass diese Entscheidungen einen bestimmten Inhalt annehmen sollen, dann würde auch die Entscheidung, sich ruhigstellen zu lassen, eine legitime Entscheidung sein. Oder etwa nicht? Wer bestimmt darüber?
Diese Einschätzung würde ich auch für die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung gelten lassen. Sie ist historisch-kulturell gewachsen, das erklärt teils ihr Beharrungsvermögen, aber nicht nur. Familiensoziologisch gesprochen lässt sich z. B. die mit Elternschaft einhergehende Verantwortung nicht einfach organisatorisch gleichmäßig aufteilen. Das ist dort möglich, wo die mit dieser Verantwortung einhergehenden Aufgaben beziehungsunspezifisch sind, d. h. bei Haushaltstätigkeiten wie Reinigung, Essenszubereitung, Hygiene und ähnlichem. Sie kann jeder – lässt man einmal Vorlieben und Neigungen außer Acht – gleichermaßen erledigen. Die frühe symbiotische Beziehung von Mutter und Kind lässt sich jedoch nicht einfach auf den Vater übertragen (siehe z. B. hier und hier) wenngleich seine Präsenz trotzdem wichtig ist: um die Mutter zu entlasten, um in die Position des Vaterseins hineinzufinden (was sich für Männer schwieriger gestaltet, also aufwendiger ist) und um für seine Partnerin als Partner – nicht als Haushaltsgehilfe – da zu sein. Die Beziehungen zum jeweiligen Kind sind aber nicht identisch und deswegen wechselseitig nicht (ohne Einbußen) ersetzbar. Um so wichtiger wäre es, dass Väter viel präsenter sind im Familienleben, als das bisher der Fall ist (weitere Beiträge zum Thema Familie). Ein BGE würde, das sagt Ina Praetorius dann auch, genau das möglich machen.
Sollte aber nun Paaren untersagt werden, dazu eine traditionale Haltung, was heute kaum mehr möglich ist, einzunehmen? So weit würde Ina Praetorius womöglich nicht gehen, verhindern lässt sich das jedoch ebensowenig, sofern das BGE ermöglichen soll, sich frei zu entscheiden. Warum aber ist das dann eine Gefahr? Nur, wenn man diese Option ausschließen möchte, das geht aber in einer Demokratie nicht, es sei denn, man wollte umerziehen (siehe auch hier).
Was allerdings der Fall sein wird mit einem BGE, ist, dass triftige Argumente, die es heute für manche Entscheidungen gibt, nicht mehr greifen werden. Dass Eltern sich heute, wenn sie Zeit für die Kinder haben wollen, entscheiden müssen, wer zuhause bleibt und wer erwerbstätig ist, entspringt der Erwerbsverpflichtung. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Höhe des Einkommens Ausschlag gibt, sofern beide Einkommen auskömmlich sind. Teilzeittätigkeit für beide ist nicht unbedingt eine bessere Lösung, weil sie den Koordinationsaufwand erhöht, doppelte Verpflichtungen für beide schafft, nicht aber die Möglichkeiten verbessert, auf die Bedürfnisse, Sorgen und Nöte der Kinder schnell zu antworten, indem man verfügbar ist. Je kleiner die Kinder, desto wichtiger ist das. Das BGE ist kein Hausarbeitslohn und auch keine Herdprämie, wie manche Kritiker und besorgte Befürworter meinen. Es schützt aber jedoch nicht davor, dass das BGE dennoch so gedeutet wird. Wer will, dass Entscheidungen auf der Basis eines BGE nur in bestimmte Richtungen führen dürfen, verkehrt es in sein Gegenteil. Das wäre also ganz und gar nicht „emanzipatorisch“.
Torsten Meireis gibt zu bedenken, dass Grundeinkommen nicht gleich Grundeinkommen sei, man müsse genau hinschauen, der Initiativtext allerdings lasse das nicht zu. Die entscheidenden Fragen bleiben offen, was kürzlich schon Thomas Straubhaar monierte. Das genau könne für die Initianten zum „Eigentor“, das Vorhaben damit zum „Totengräber des Sozialstaats“ (siehe auch hier und hier) werden. Wie kommt Meireis zu diesen Befürchtungen?
Jedes Vorhaben kann selbstverständlich gegen sich selbst gewendet werden, davor gibt es keinen Schutz bzw. nur einen: dass die Mehrheit genau nicht will, dass eine Sparversion BGE umgesetzt wird. Um noch weiter zu gehen, muss festgehalten werden, dass allerdings auch dies demokratisch legitim wäre. Doch entscheidet nicht der Einzelne, wie der Sozialstaat auszusehen hat, sondern die Willensbildung, die sich dann in Mehrheiten ausdrückt, die Minderheiten nicht einfach unterdrücken.
Meireis fragt dann, wie man diejenigen, die das Ganze bezahlen müssen, dazu motivieren könne, es zu tun. Diese Frage ist einigermaßen verwunderlich, denn „bezahlen“ muss das BGE das Gemeinwesen und seine Folgen aushalten ebenso. Wer fragt denn danach, wie wir diejenigen motivieren, die all die unbezahlte Arbeit leisten, für die sie heute wenig bis gar nichts erhalten (außer Anerkennungspunkten in der Rentenversicherung)?
Eine demokratische Entscheidung kommt nur zustande, wenn eine Mehrheit es will, dann wäre die Mehrheit auch bereit, die Folgen eines BGE zu tragen, eine solche Entscheidung wäre demokratisch bindend. Und wer sie wieder aufheben will, muss sich mit demokratischen Mitteln wiederum um die Willensbildung gegen ein BGE bemühen.
Meireis befürchtet ebenfalls, dass Frauen wieder stärker vom Arbeitsmarkt verdrängt werden könnten, denn angesichts ungleicher Löhne, könne der Mann doch sagen, er habe das höhere Einkommen, also gehe er „arbeiten“. Damit übersieht er jedoch, dass die Höhe des Einkommens, wenn man haushaltsbezogen denkt (BGE kumuliert in einem Haushalt), nicht mehr dieselbe Rolle spielte wie heute. Sie wäre gar kein Argument mehr, um die Arbeitsteilung zu befestigen, es sei denn die Eltern bevorzugten einen Lebensstandard, der entsprechend hohe Einkommen erforderte. Doch kein Erwerbseinkommen der Welt kann einem die Zeit verschaffen, die durch Erwerbstätigkeit für die Familie, also auch für die Kinder, verlorengeht. Es geht also vielmehr, als Meireis zu erkennen gibt, um die Frage, was einem wichtig ist (sofern das BGE ausreichend hoch wäre). Wenn einem die Einkommenshöhe trotz BGE wichtig ist, dann ist die Verantwortung für die Arbeitsteilung in den Händen der Eltern bzw. des Paares.
Interessant sind beider Ausführungen zum Verhältnis von Protestantismus/Puritanismus zum BGE. Die Menschen seien in doppelter Weise berufen, sagt Meireis, in die Gemeinde Christi und zum Dienst am Nächsten. Die Berufung zum Dienst am Nächsten in Liebe ist es, die Anlass zum Tätigwerden ist. Die protestantische (Arbeits-)Ethik ist deswegen keine, die sich an Erwerbsarbeit orientiert. Das halten beide für eine Fehldeutung und Meireis hebt noch hervor, dass sich hier auch eine Fehldeutung der Untersuchungen Max Webers fortschleppt, der nicht die protestantischen Lehrdokumente untersucht habe, sondern was daraus alltagsweltlich geworden sei.
Es mag der theologische Zugang sein, der vor allem Meireis übersehen lässt, dass es auch eine säkulare Gemeinschaftsbildung und ein Dienen gibt, für die die moderne Demokratie der Ort ist. Wir – weder in der Schweiz noch in Deutschland – sind gerade keine „Arbeitsgesellschaft“, was er offenbar an anderer Stelle behauptete, sondern eine Bürgergemeinschaft (siehe hier und hier), auch wenn uns das wohl nicht genügend klar ist. Ein Blick in die Schweizer Bundesverfassung ist hier hilfreich. Das Dienen ist in der Demokratie in säkularer Form erhalten, und zwar in Gestalt des Gemeinwohls, dem zu dienen ist. Es ist aber ein Gemeinwohl, das zugleich den Wert des Individuums in seiner Einzigartigkeit anerkennt. Dieses Gemeinwohl ist weder an eine transzendente Instanz gebunden, noch an einen religiösen Inhalt. Das Gemeinwohl muss durch die öffentliche Auseinandersetzung im Gemeinwesen stets wieder von Neuem bestimmt werden. Gerade durch diesen Zusammenhang einer politischen Vergemeinschaftung erfährt derjenige, der ihr zugehört, eine außerordentliche Wertschätzung, denn seine Zugehörigkeit ist bedingungslos, sein Status als Staatsbürger entspricht dem. Die Bürger eines Gemeinwesens sind also im höchsten Maße einbezogen, während sie in Erwerbsarbeit, auf deren Bedeutung Meireis abhebt, nur um der Erledigung einer Aufgabe willen einbezogen sind. Dass auch dort die Erfahrung gemacht werden kann, etwas Sinnvolles zu tun, widerspricht dem nicht. Das Bedingungslose Grundeinkommen ist also weniger eine „Freiheitsdividende“, es ist wenn schon eine „Demokratiedividende“.