„Wage and Job Guarantees reinforce the lies that only people who sell their labor to others have societal value“

Vermeintliche Realpolitik – und doch nur Fortsetzung von Polemik

Dem Bedingungslosen Grundeinkommen bzw. seinen Befürwortern wird es so richtig gezeigt in diesem Beitrag von Anna Mayr auf Zeit Online. Wieder – nach etlichen Wortmeldungen von ihrer Seite – ein Beitrag voller Polemik, der sich um die differenzierte Diskussion nicht schert. Wer vertritt denn ernsthaft, dass ein BGE die „Lösung aller sozialpolitischen Probleme“ sei? Wieder wird behauptet, ein BGE ersetze alle bestehenden Leistungen des Sozialstaats – wer vertritt das neben ein paar wenigen Befürwortern? Man wird sicher, wie in jeder Debatte, verklärende Ausführungen und Hoffnungen finden, die mit einem BGE verbunden werden, doch ist das für die Diskussion charakteristisch oder eher für die journalistische Berichterstattung dazu?

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Etwa ganz paternalismusfrei? Da scheint mir die Diskussion um ein BGE anderes zu zeigen (ganz im Sinne der Tweet-Antwort)…

…abgesehen davon ist die Frage, welche Rechte hier gemeint sind und wie sie im Verhältnis zum Erwerbsgebot stehen. Zwar werden solche Rechte nicht unmittelbar vom Erwerbsgebot angetastet, doch solange Erwerbsteilnahme über allem steht, verbleibt nur ein enger Korridor des Möglichen, der zugleich alles, was nicht Erwerbstätigkeit ist, normativ degradiert. Bekräftigt wird das noch durch die sanktionsbewehrten Einkommensersatzleistungen. An dieser normativen Vorrangstellung ändert sich nichts, wenn neue Arbeitszeitmodelle entwickelt werden, die eine andere „Vollzeit“, mit weniger Stunden, vorsehen, denn das Erwerbsgebot wird dadurch nicht angetastet.

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Sozialversicherungspflicht mit hohem Mindestbeitrag bei geringem Einkommen…

…führt zu grotesken Auswirkungen, sofern ein Einkommen aus selbständiger/ freiberuflicher Tätigkeit 450 Euro monatlich überschreitet. Im hier interessierenden Beispiel geht es um das Einkommen aus Lehraufträgen an Hochschulen.

Bekannt ist seit langem, dass deutsche Hochschulen einen erheblichen Anteil ihrer Lehre durch Lehrbeauftragte bestreiten (50-70 % je nach Fach). Einst als Ergänzung gedacht, gehören sie heute zum festen Bestandteil des Hochschulalltags und sie werden schlecht vergütet. Die zu erfüllenden Voraussetzungen, um einen Lehrauftrag zu erhalten, können hoch sein – je nach Fach bis zur Promotion.

Dieser Missstand hat noch eine andere Seite, die womöglich weniger bekannt, aber nicht weniger skandalös ist. Wer über das Jahr gerechnet ein Durchschnittseinkommen von 450 Euro monatlich überschreitet, fällt unter die Sozialversicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung und muss dort Beiträge entrichten.

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Sinn und Zweck: Unabhängigkeit vom Auf und Ab der Meinungsschwankungen und des „Markt“-Erfolges…

…während der Legislaturperiode. Was hier für ein Mandat gilt, gälte im Falle eines BGE im Allgemeinen, zumindest solange es verteilbares Einkommen und eine entsprechende Leistungserstellung gäbe.

Wenn Vogel das so gesagt hat, wie es hier zitiert wird, fragt man sich unweigerlich, welche Vorstellung er davon hat, weshalb Bürger bereit sind, Verpflichtungen zu übernehmen – etwa nur weil sie etwas dafür erhalten? Und er als Abgeordneter – etwa weil er eine Diät dafür erhält? Dann wäre die Demokratie wirklich im Abstieg begriffen.

Sascha Liebermann

„UBI ‚will take the government out of people’s lives'“ –

…das trifft zwar einen wichtigen Punkt, den auch Milton Friedman schon stark machte. Doch die Haltung hier muss vor dem Hintergrund einer ausgeprägten Abneigung gegenüber staatlichen Eingriffen gesehen werden, die in den USA sehr verbreitet ist – obwohl es erhebliche staatliche Regulierungen gibt. Dennoch ist dieser Aspekt für die kontinentaleuropäische Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen ebenso wichtig, denn die Frage ist grundsätzlich, ob ein Gemeinwesen die Existenzsicherung nur an Zugehörigkeit, also um der Bürger willen und um des Gemeinwesens selbst willen knüpft, oder an Wohlverhalten bezüglich definierter Ziele: Erwerbsteilnahme. Zu deren Erreichung müssen „Mitwirkungspflichten“ eingehalten werden. Während Friedman mit der Negativen Einkommensteuer zumindest in „Capitalism and Freedom“ das gesamte Sozialleistungsgefüge ersetzen wollte, ist das keineswegs notwendig mit einem BGE verbunden.

Siehe unseren früheren Beiträge zu Äußerungen Greg Mankiws hier.

Sascha Liebermann