„Offener Brief“ an Heinrich Alt – Reaktion auf Maischbergersendung

Wir berichteten vor kurzem über die Sendung Menschen bei Maischberger, in der es um die gegenwärtige Sozialpolitik insbesondere um „Hartz IV“ ging. Heinrich Alt, dort Gast und im Bundesvorstand der Bundesagentur für Arbeit tätig, bemühte sich in der Sendung, die Gesetzeslage, auf deren Basis Arbeitsagenturen und Jobcenter agieren, mit all ihren direkten und indirekten Folgen, freundlicher darzustellen, als sie ist. Aber nicht nur das, offenbar legte er auch Zusammenhänge unzutreffend dar, wie am Beispiel „Lebensmittelgutscheine“ deutlich wurde. Während er in der Sendung davon sprach, diese Gutscheine werden angeboten, handelt es sich dabei um eine Kann-Leistung, die beantragt werden muss. Eine Kann-Leistung wiederum ist kein Angebot. Die Website Qualkampf – Frank Möller und Michael Hohn-Bergerhoff – reagierte auf die unsachgemäßge Darstellung. In einem offenen Brief wenden sich beide an Heinrich Alt und weisen auf die Sachlage hin. Für diese Zusammenhänge und die vermeintlichen Erfolge der Arbeitsagentur ist auch ein Papier des Hauptpersonalrats der Bundesagentur für Arbeit interessant. Heinrich Alt selbst räumte in einem Interview mit dem Tagesspiegel im Frühjahr 2011 ein, dass nur Lebenskünstler „auf Dauer von 364 Euro leben“ können. Das veranlasste ihn jedoch nicht dazu, die Lobeshymne auf diese Sozialpolitik zu relativieren.

„Wir könnten auch anders“ – Film im ZDF

„Wir könnten auch anders“, dieser Film wird im ZDF in der Reihe Das kleine Fernsehspiel gezeigt. Sendetermine: Montag 17.12.2012, 00:30 – 02:00 und sieben Tage in der Mediathek.

Aus der Ankündigung: Eine Reise ins Jenseits des Wachstums. Regionen und Gesellschaft im Umbruch. Begegnungen mit Menschen, die Zukunft gestalten wollen. In eindrücklichen Bildern erzählt der essayistische Dokumentarfilm von vielen kleinen Aufbrüchen, die Großes bewirken wollen: Bürgermeister finanzieren mit Windrädern den Kindergarten. Eine Kooperative initiiert regionale Saatgutbörsen. Streetworker stärken Kinder in abseitigen Stadtquartieren. Ein Verein erweckt in leeren Häusern neues Leben.
Engagierte Akteure präsentieren Ideen und Projekte, die der politischen Phantasie Flügel verleihen könnten: von Bürgerhaushalt bis Grundeinkommen und der Wiederkehr der Gemeingüter. Ein vielstimmiges Mosaik über Lebenswirklichkeiten in strukturschwachen Regionen, über Zivilengagement, Selbstorganisation und Möglichkeiten der Teilhabe. Ein Dokumentarfilm entlang der Grenzlinien eines sozial-ökologischen Gesellschaftsumbaus als suchendes Plädoyer für eine „Politik des Kleinen“.“

Petitionsunwesen – ein Beitrag von Susanne Wiest

Susanne Wiest, die vor mehr als zwei Jahren im Petitionsausschuss angehört wurde zu ihrer Petition zum Bedingungslosen Grundeinkommen, hat wiederholt beim Petitionsausschuss nachgefragt, wie es um die Bearbeitung steht. Die Auskünfte, über die sie in ihrem Blog berichtet, sind interessant, aufschlussreich und bezeichnend. Sie geben zu erkennen, welchen Rang das Petitionswesen – und damit die Anhörung von uns Bürgern – hat: einen niedrigen. Um so mehr sollte über mehr direkte Einflussmöglichkeiten nachgedacht werden, Volksentscheide sind eine davon.

„Das Geld lieber direkt an den Bürger zahlen“ – sagt James Galbraith

Basic Income News wies kürzlich darauf hin, dass verschiedene Autoren vorschlugen, ein „Quantitative Easing“ direkt an die Menschen zu leisten, d. h. Geldbeträge direkt auszuzahlen. Dabei würde es sich nur um eine temporäre Leistung handeln und womöglich nur an Haushalte. In einem Interview mit der taz äußerte sich James Galbraith ebenfalls in diesem Sinne. Warum aber sie nicht verstetigen bzw. in Gestalt eines Bedingungslosen Grundeinkommens eine dauerhafte Leistung an Individuen einführen?

Der Geist von Hartz IV – bei Maischberger und Anne Will

Zweimal bestand in dieser Woche die Möglichkeit, den Geist der Sozialgesetzgebung in seiner Lebendigkeit zu erfahren. In der ersten Sendung, Menschen bei Maischberger, war durch die Einladung von Ralph Boes und Katja Kipping (Die Linke) auch das Bedingungslose Grundeinkomen Thema (Sendung online verfügbar via youtube). Schon der Titel „Wer arbeitet, ist der Dumme“ zielte auf bestimmte Werthaltungen. So klischeehaft er ist, so sehr fasste er zuspitzend zusammen, weshalb wir Hartz IV haben. Enno Schmidt hat einen guten Kommentar zur Sendung verfasst. Alle vertraten in der Sendung, was sie zu vertreten hatten, eine Diskussion wurde daraus nicht. Schönfärberisch wurde über die Folgen der Sozialgesetzgebung gesprochen, die Anlass der Sendung war. Dabei hätte sachlich darüber diskutiert werden können, was es für unser Gemeinwesen bedeutet, eine solche Sozialgesetzgebung zu haben und ob wir sie zukünftig wollen. Ob wir damit nicht alles untergraben, was für unser Bestehen wichtigt ist: Freiheit, Demokratie, Solidarität und Leistung. Diese Frage ist keine juristische, es geht nicht um Rechtsauslegung, sie ist politisch, es geht um Gestaltung unseres Zusammenlebens.

Das Archiv Grundeinkommen hat einige Presseartikel und andere Stellungnahmen zur Maischberger-Sendung gesammelt.

In der zweiten Sendung, Anne Will, ging es ebenfalls um die Sozialgesetzgebung. Wie in der ersten Sendung erkennen Befürworter wie auch einige Kritiker der Sozialgesetzgebung nicht den Zusammenhang zwischen Anspruchs- bzw. Bedarfsprüfung und Stigmatisierung unter heutigen Bedingungen (mit einem BGE änderte die Bedarfsprüfung für Bedarfe über das BGE hinaus ihren Charakter). Selbst diejenigen, die eine Aufhebung von Sanktionen befürworten, meinen, damit wäre ein Sicherungssystem geschaffen, das Druck von den Menschen nähme (siehe hier und hier). Das kann getrost als naiv betrachtet werden, denn nicht die Sanktionen alleine erzeugen die Stigmatisierung, sie verstärken sie nur. Der Status der Notfallleistungen, die nach Anspruchs- bzw. Bedarfsprüfung stets nach Maßgabe des Vorrangs von Erwerbstätigkeit gewährt werden, ist es, der die Stigmatisierung bedingt. Wer aber, wie auch einige Kritiker der Sanktionen (die häufig den „alten“ Sozialstaat verteidigen), die das Sozialgesetzbuch vorsieht, den Vorrang von Erwerbstätigkeit für richtig erachtet, nimmt die Stigmatisierung in Kauf.

Wertvoll, wirkliche Arbeit ist eben nur Erwerbsarbeit – alles andere ist ein schönes Hobby. Markus Söder bemerkte gar nicht, wie er durch seine Ausführungen in der Maischberger-Sendung, das Engagement seiner Frau, die sich um ihre vier Kinder kümmert, herabwürdigte. Diese Herabwürdigung ist eine Folge der Überbewertung von Erwerbstätigkeit und degradiert Familie ebenfalls zu einer nachgeordneten Angelegenheit.

Sascha Liebermann

 

Im eigenen Saft schmorend – zu einer zustimmenden Rezension von „Irrweg Grundeinkommen“

Auf der Website Wirtschaft und Gesellschaft ist eine Rezension zum Buch Irrweg Grundeinkommen erschienen. Der Autor, Thorsten Hild, bemerkt an einer Stelle:

„…Diese Grundvoraussetzung sehen die Autoren beim BGE nicht gegeben. Die Begründungszusammenhänge, mit denen Flassbeck , Spiecker, Meinhardt und Vesper das BGE angreifen, sind dabei deutlich anspruchsvoller als die BGE-Modelle selbst. Sie analysieren nicht weniger als die Grundvoraussetzungen, die für die Freiheit des Einzelnen gegeben sein müssen, ohne die Freiheit anderer einzuschränken…“

Hat der Autor sich mit differenzierten Begründungen eines BGE befasst und auch die schon erschienen Erwiderungen zum Buch Irrweg Grundeinkommen zur Kenntnis genommen? Sicher gibt es oberflächliche oder auch schiefe BGE-Begründungen. Wir haben die These vom Ende der Arbeit, die als solche schon ungenau ist, nie geteilt, und sind damit nicht die einzigen. Der Slogan Freiheit statt Vollbeschäftigung z.B. bezieht sich nicht auf die Frage, ob Vollbeschäftigung wieder erreichbar ist, sondern dass sie nicht vorrangiges Ziel politischer Anstrengungen sein soll, nicht Ziele ihm untergeordnet werden sollen und letztlich Erwerbstätigkeit nicht den Rang behalten soll, der ihr heute zugemessen wird. Solche Unterscheidungen finden sich bei Thorsten Hild nicht einmal, wie soll es da zu einer differenzierten Diskussion kommen?

Siehe z.B. Sascha Liebermann “Die falsche Solidarität” oder fehlendes Vertrauen? – Anmerkungen zu “Irrweg Grundeinkomen”  (der Beitrag bezieht sich auf einen Artikel der Verfasser des Buches, nicht auf das Buch) und  „“Konstruktionsfehler des Grundeinkommens“ oder der Einwände dagegen?““ (der Beitrag befasst sich mit einer ähnlich angelegten Kritik am BGE wie die von Flassbeck et al.) Andere haben sich zu dem Buch schon geäußert, siehe Ingmar Kumpmann sowie Ronald Blaschke und Herbert Wilkens. Herbert Wilkens hat auch eine aufschlussreiche Korrespondenz mit Jens Berger geführt, der der Argumentation von Flassbeck et al. folgt
Interessant ist auch der Kommentar zum Beitrag von Herbert Wilkens von Manfred Bartl, einem Unterstützer der Nachdenkseiten, zu denen auch Jens Berger gehört.

An einer ernsthaften Auseinandersetzung scheint gar kein Interesse zu bestehen, das zeigen sowohl die Thesen von Heiner Flassbeck et al., Jens Berger, Albrecht Müller und nun auch die Rezension von Thorsten Hild. Die Autoren schmoren im eigenen Saft, ihre Analysen fußen auf Wertvortstellungen, die nicht aufgegeben werden dürfen – aus ihrer Sicht. Viele Thesen und Behauptungen darüber, dass ein BGE so allgemein gesprochen, sich selbst das Wasser abgrabe, sind nur plausibel, wenn die Begründungszusammenhänge, die vorausgesetzt werden, unhinterfragt bleiben. Obwohl Thorsten Hild auf das „Hinterfragen“ große Stücke hält und sich in seinen Dienst stellt, ist in der Rezension davon nicht allzuviel übrig. Schmoren im eigenen Saft statt differenzierter Auseinandersetzung ist das Resultat.

Sascha Liebermann

„Auf Teufel komm‘ raus“ – Grundeinkommen bei WestArt Talk

Grundeinkommen ist ab Minute 17’37 Thema. Es geht allerdings um mehr, darum weshalb Menschen sich einbringen. Bis auf Bruder Paulus ringen jedoch alle Teilnehmer damit, den Wunsch und Willen sich einzubringen, einschränkungslos zuzugestehen. Überhaupt nicht gefragt wird nach den Gründen dafür, weshalb sich jemand womöglich nicht einbringt, darüber wird nur pauschal geurteilt. Hier wären aber Erklärungen gefragt, Bruder Paulus versucht den ganzen Menschen zu sehen, während die anderen von „Anreizen“ sprechen.