Am 12. Oktober letztes Jahr diskutierten auf Einladung des Grünen Kreisverbands Dortmund Markus Kurt (MdB) und Sven Lehmann (NRW-Landesvorsitzender) über Bedingungsloses Grundeinkommen. Zwei Videos von der Veranstaltung stehen nun online: Teil 1, Teil 2
Autor: Sascha Liebermann
Erfolgsmeldungen am Arbeitsmarkt? Ja, aber anders als gedacht
Seit Dezember sind solche Plakate allerorten zu sehen (siehe Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie), die uns in die Irre führen sollen. Zutreffend heißt der Beitrag von Ulrike Herrmann in der taz deswegen „Die Lüge von der Arbeit“, denn die genauere Betrachtung der Statistik lehrt etwas anderes. Das Arbeitsvolumen gemessen in Jahresarbeitsstunden ist weiter gesunken – das ist nicht der Erfolg, den Bundeswirtschaftsminister Rösler mit dieser Kampagne feiern will (siehe auch „Schwache Lohnentwicklungen im letzten Jahrzehnt„). Er könnte aber dennoch gefeiert werden, nur in einem anderen Sinn, denn schließlich belegt er, dass wir weiterhin die Effizienz der Produktion gesteigert haben (siehe unsere Beiträge „So viele Erwerbstätige wie nie zuvor“ und „Es gibt kein Beschäftigungswunder“). Die Meldung ist für die Ideologie der Arbeitsmarktpolitik also ein Schlag ins Gesicht, für den Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens hingegen ein weiterer Beleg.
Meistkommentierter Text…
…meldet Zeit Online zum Interview mit Sascha Liebermann und Theo Wehner:
„@zeitonlineleser ZEIT ONLINE Leser
„Dieses Interview über Grundeinkommen ist jetzt unser meistkommentierter Text aller Zeiten (aktuell 1231 Kommentare): http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-12/bedingungsloses-grundeinkommen-interview„
„Warum wir positiv in die Zukunft blicken können“
Unter dieser Überschrift hat Gerd Bosbach, auf dessen Kritk am verbreiteten Gebrauch statistischer Daten zur Inszenierung von Horrorvisionen wir schon wiederholt hingewiesen haben, einen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht. Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, welcher Schindluder mit Statistik getrieben wird oder wohlwollend ausgedrückt, wie naiv von ihr Gebrauch gemacht wird. Siehe dazu auch den jüngsten Beitrag von Sascha Liebermann im Dezember.
„Das bedingungslose Grundeinkommen macht nicht faul“ – Interview mit Sascha Liebermann und Theo Wehner auf Zeit Online
Auf Zeit Online ist ein Interview mit Sascha Liebermann und Theo Wehner erschienen. Anlass war der Beschluss der Piratenpartei zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Es handelt sich bei der veröffentlichten Version um eine stark gekürzte Fassung. Das ausführliche Interview soll demnächst auf der Website der ETH Zürich veröffentlicht werden.
Ausblick 2012
Die Erfolge der Piratenpartei haben der Grundeinkommensdiskussion Aufwind verschafft. Obwohl die Diskussion seit 2006 als etabliert gelten konnte – alle Parteien, große Interessensverbände und Medien hatten sich bis dahin mit dem BGE befasst – hat sich nun erstmals eine Partei dafür ausgesprochen, die in einem Landesparlament vertreten ist. Eine Anziehungskraft der Piraten mag unter anderem darin bestehen, sich nicht an die übliche Phrasendrescherei zu halten und offen einzugestehen, wo Klärungsbedarf besteht, z.B. zum Bedingungslosen Grundeinkommen (siehe Kommentar von Michael Opielka). Der Piratenpartei, so scheint es bislang, sind Befürchtungen fremd, die etablierte Parteien lähmen: unpopuläre Aussagen könnten „Wählerstimmen“ kosten. Mit dem Beschluss zum BGE, der ebenfalls abwägend und nüchtern daherkommt, empfehlen sie sich schon jetzt für die bevorstehenden Bundestagswahlen 2013 als einzige Partei (bislang?), die der aktivierenden Sozialpolitik des Förderns und Forderns eine wirkliche Alternative entgegenhält. Für die etablierten Parteien, die noch auf die Piraten eher herabschauen, stellt sich die Frage, was sie ihnen entgegenzusetzen haben werden. Die nächste Wahl steht vor der Tür, die Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 5. Mai. Auch hier tritt die Piratenpartei an und auch hier könnte das BGE wieder thematisiert werden.
Volksinitiative in der Schweiz zum Bedingungslosen Grundeinkomen. Im Frühling 2012 startet die eidgenössische Volksinitiative zum bedingungslosen Grundeinkommen, ab dann können in allen Landesteilen Unterschriften gesammelt werden. Zwar betrifft diese Intiative Deutschland nicht, zumindest nicht direkt, indirekt aber doch. Sie wird zeigen, wie weit es mit der tatsächlichen Unterstützung eines BGEs in der Schweiz ist und wie die Initiative aufgenommen wird. Anders als unverbindlich bleibende Umfragen, die nichts darüber sagen, wie Menschen handeln würden, müssen Unterzeichner hier ihren Namen verbindlich hinterlassen. Mit 100’000 Unterschriften kommt es zur Volksabstimmung. Daniel Straub und Christian Müller von der Agentur[zum]Grundeinkommen in Zürich leiten das Projekt Volksinitiative. Ab Mitte Januar finden Sie unter: www.bedingungslos.ch alle wichtigen Informationen und Einzelheiten dazu. Bis dahin werden in verschiedenen Schweizer Städten „Grundeinkommens Werkstätten“ stattfinden.
Im September wird der zweijährliche Kongress des Basic Income Earth Network in Deutschland stattfinden. Organisiert wird er vom Netzwerk Grundeinkommen. Im Vorfeld und zeitgleich soll es auch Veranstaltungen geben, die über den Kongress hinaus in die Öffentlichkeit wirken. Auch das könnte eine Chance sein, das Bedingungslose Grundeinkommen weiter zu verbreiten.
Jüngere Veröffentlichungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen
- „Money for nothing“, Fluter, Bundeszentrale für politische Bildung
- Newsletter Unternimm die Zukunft, mit Hinweisen auf Veröffentlichungen, Aktionen und Berichte
- Newsletter Intiative Grundeinkommen Basel, ebenfalls mit Hinweisen auf Veröffentlichungen, Jahresrück- und Ausblick
Videomitschnitt zum Bedingungslosen Grundeinkommen vom Bundesparteitag der Piratenpartei
Nun ist auch der Videomitschnitt zum Bundesparteitag der Piratenpartei verfügbar. Ab Stunde 4, Minute 5 (4:05) geht es um das Bedingungslose Grundeinkommen, die Anträge dazu, die Begründung und die Diskussion.
Nach wie vor rege Berichterstattung über die „Piraten“ – Marina Weisband bei Markus Lanz
Marina Weisband, politische Geschäftsführerin der Bundespartei der Piraten, war in die Talkshow von Markus Lanz (Sendung vom 13.12.2011) eingeladen. Nachdem vor kurzem in der Sendung über das Bedingungslose Grundeinkommen mit einem Vertreter der Piraten diskutiert wurde (Sendung vom 6.12.2011), ging es auch dieses Mal wieder darum.
Expertenstudien: einfache Feststellungen oder komplexe Herleitungen?
Expertisen sind in unserer Zeit von enormer Bedeutung, ihre Ergebnisse allerdings alles andere als einfach zu verstehend, sie sind Fakten, Gemachtes, nicht einfach Vorfindbares – auch nicht in der Statistik (siehe „Lügen mit Zahlen – Statistik und Demoskopie“ und „Die Soziologin spricht über das Leben – und verwechselt es mit Statistik„). In jeder Diskussionsrunde in Fernsehen und Radio, bei öffentlichen Veranstaltungen wie bei Fachveranstaltungen werden Studien herangezogen, um zur Diskussion stehenden Fragen zu beantworten (siehe „So viele Erwerbstätige wie nie zuvor…“). Sehen wir einmal von solchen Studien ab, die bestimmte Interessenlagen bedienen sollen und nehmen nur Bezug auf solche, bei denen das Streben nach werturteilsfreier unabhängiger Begutachtung angestrebt wird. Die größte Schwierigkeit und Herausforderung besteht immer darin zu erkennen, was sich mit Hilfe einer Studie denn überhaupt aussagen lässt. Welche Schlussfolgerungen auf der Basis welcher Daten sind angemessen und tragfähig?
Studienergebnisse in ihrer Bedeutung einzuschätzen ist ein komplexes Unterfangen, das ohne Fachschulung oder ausgeprägte Beschäftigung damit, nicht möglich ist. Es reicht, um eine solche Bewertung anzustellen, nicht aus, Ergebnisse der einen mit Ergebnissen einer anderen Studie zur gleichen Frage zu vergleichen. Notwendig ist auch zu wissen, welche Daten wie erhoben und ausgewertet wurden. Nur wenn man um die Erhebung weiß, kann man die Qualität der Daten einschätzen. Nur wenn man die Auswertung zu Gesicht bekommt, kann man ermessen, wie ausgewertet worden ist und welche Schlussfolgerungen wie gezogen wurden.
Ein Beispiel für die hier behandelte Problematik bietet die vor wenigen Monaten vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB) veröffentlichte Studie, die sich mit der Wirkung von Studiengebühren auf die Studienneigung von Studenten befasst. Diese Studie hat unter anderem auch Jürgen Kaube in der FAZ (10.10.2011, online nicht verfügbar) rezipiert, um zu behaupten, dass Studiengebühren niemandem vom Studium abhalten. Wolfgang Lieb (Nachdenkseiten) hat sich diese Studie genauer angesehen und gibt somit einen Einblick in die Schwierigkeiten, eine Studie zu bewerten.
Aus diesen Betrachtungen folgt nun nicht, dass politische Entscheidungen, dass das Wollen eines Gemeinwesens von Studien beantwortet werden könnte, auch wenn mancher Experte das suggeriert. Studien können im besten Fall über Zusammenhänge und mögliche Auswirkungen aufklären. Entscheidungen können auf ihrer Grundlage sorgfältiger durchdacht werden. Wohin dann eine Praxis will, welche Folgen sie zu verantworten und auszuhalten bereit ist, das muss sie selbst entscheiden (siehe auch „Bürger, Experten, Demokratie“). Gestalten zu wollen, das ist der Sinn politischer Entscheidungen, geschieht – nach Abwägen von Vor- und Nachteilen – immer im Vertrauen darauf, dass sich auch unerwünschte Folgen bewältigen lassen. Daran führt kein Weg vorbei, es sei denn: man verzichtet darauf, Entscheidunge zu gestalten und lässt das Leben einfach auf sich zukommen
Sascha Liebermann