„Happy Bürgergeld: Endlich kein Hartzer mehr, endlich Bürgerin!“…

…mit diesem Beitrag macht Janina Schütt in der Freitag indirekt auf etwas aufmerksam, das schon lange hätte aufgespießt werden können, meines Wissens aber nicht aufgespießt wurde. Auch wenn es in ihrer Stellungnahme nur um den knapp bemessenen Betrag des Bürgergeldes geht, ist dies ein guter Anlass, sich einmal zu fragen, was denn eigentlich ein bzw. der Bürger ist und ob das Bürgergeld dem entspricht und vielleicht sogar das Gegenteil davon darstellt.

Da es sich beim Bürgergeld um eine sozialstaatlich organisierte und damit demokratisch legitimierte Leistung handelt, soll es hier nur um diese Seite des Bürgerbegriffs gehen, den citoyen also (und nicht um den bourgeois). Er kommt in der Diskussion um den Sozialstaat und ebenso um ein Bedingungsloses Grundeinkommen genauso zu kurz wie jetzt beim Bürgergeld (siehe z. B. hier und hier), das hat einen einfachen Grund. Zwar gibt es eine Fürsorgeverpflichtung des Gemeinwesens gegenüber seinen Angehörigen – den Staatsbürgern -, doch ruht diese bislang auf dem normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit. Vom Kindergeld einmal abgesehen setzen alle sozialstaatlichen Leistungen zu ihrem Bezug entweder Erwerbsbeteiligung voraus oder haben sie zum Ziel, da gibt es kein Entkommen. Genau genommen steht also nicht der Bürger als Angehöriger des Gemeinwesens (bzw. davon abgeleitet als Person mit Lebensmittelpunkt in Deutschland) im Zentrum des Sozialstaats, sondern der Erwerbstätige. Das ist keine neue Erkenntnis und dennoch ist es verwunderlich, dass an diesem Umstand selbst außerhalb der BGE-Diskussion wenig kritisiert wird, es herrscht vielmehr große Einigkeit, dass diese so sein solle, auch dort, wo Sanktionen kritisiert werden.

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„Arbeit ist immer auch Last“ – was aber heißt „Befreiung in der Arbeit“ oder vielleicht „zur“ Arbeit?

Diese Frage wirft ein Interview mit Nicole Mayer-Ahuja in der Freitag auf, in dem es um den Sinn von Arbeit, Arbeitsbedingungen sowie veränderte Arbeitsformen und in einer kurzen Bemerkung auch um ein Bedingungsloses Grundeinkommen geht. So sehr die anderen Ausführungen ebenfalls eine Kommentierung wert wären, so sehr fokussiere ich mich hier auf die Bemerkung am Ende des Gesprächs.

„[der Freitag] Ist es nicht ohnehin ideologisch, die Mühsal der Arbeit mit Sinn und Freude aufpeppen zu wollen?

[Mayer-Ahuja] Für die allermeisten Menschen spielt Arbeit eine wichtige Rolle. Nun ist Arbeit nicht gleich Erwerbsarbeit, wie auch Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens argumentieren. Erwerbsarbeit ist immer auch Mühe und Last, und sie bedeutet, dass man einen Teil der Kontrolle über sein Leben abgibt. Da gibt es nichts zu idealisieren. Aber ob man Sinn in anderen Tätigkeiten suchen kann, ist auch eine Klassenfrage. Das muss man sich leisten können oder massiv auf Konsum verzichten. Das ist jedenfalls kein Modell für alle. Mehr Zeit für anderes wäre durch Arbeitszeitverkürzung zu gewinnen. Für Beschäftigte ist das nur dann eine Verbesserung, wenn sie mit Lohn- und Personalausgleich einhergeht – und dann stellt sich die Verteilungsfrage. Grundsätzlich geht es nicht um die Befreiung von der Arbeit, sondern in der Arbeit.“

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„Grundeinkommen – es ist Zeit“…

…, ein Aufruf zur „ernsthaften politischen Debatte über die Einführung eines Grundeinkommens“ ist von Dagmar Paternoga, Werner Rätz, Ronald Blaschke und Franz Segbers initiiert worden. Etliche Unterstützer haben ihn schon unterschrieben. Zeitgleich zum Aufruf ist in der Wochenzeitung der Freitag ein Begleitartikel der Initiatoren erschienen. Auf der Website des Netzwerk Grundeinkommen hat Ronald Blaschke darüber geschrieben.

Die Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung hat den Aufruf nicht unterzeichnet. Wir sind der Auffassung, dass es eine erhebliche Debatte bereits gibt – und das schon seit langem. Der Vorschlag eines BGE ist fest etabliert und wird seit Jahren in der Öffentlichkeit in all seinen Facetten hin- und hergewendet. Nun die Öffentlichkeit zur Debatte aufzufordern, erscheint uns – anders als ein Aufruf, der sich – wie etwa die Petition von Susanne Wiest oder der Aufruf von Tonia Merz – an Entscheidungsträger richtet, redundant.

Sascha Liebermann

„Hier hast du was zu trinken“…

Christian Baron schreibt in der Freitag über die verbreitete Haltung, verächtlich über Armut zu sprechen und erinnert an manche Äußerung von Mandatsträgern aus den letzten 15 Jahren. Eine – wenn auch nicht überraschende – eindrucksvolle Sammlung. Ob sie wohl nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen wieder Urständ feiern? Vielleicht wollen manche auch nichts mehr davon wissen, was sie früher so vertreten haben.

In unserem Blog müssen Sie nur nach Renate Künast, Jens Spahn, Christian Lindner, Oswald Metzger und vielen anderen suchen – nicht immer kommt die Verächtlichkeit offen daher, Sie werden sicher fündig werden.

Sascha Liebermann

„Stolz auf was?“ – Untiefen der Arbeitslosigkeitsstatistik und was sie nicht aussagt

Damit befasste sich Tom Strohschneider in der freitag angesichts der wieder einmal überall zu lesenden Jubelmeldungen und Erfolge. Doch was sagt die Arbeitslosigkeitsstatistik aus? Was nicht? Wofür ist sie relevant?

Siehe frühere Beiträge von uns zu dieser Thematik hier und hier.

„Journalisten wollen nicht am Leistungsmythos rütteln“…

…ein Interview mit dem Journalisten Christian Baron auch darüber, wie die Einkommenssituation von Journalisten ist, geführt von Markus Klöckner für die Nachdenkseiten. Christan Baron hatte jüngst einen Beitrag in der Freitag mit dem Titel „Sie nannten uns Sozialhilfe-Adel“.

„Nichts deutete auf ein prekäres Leben hin“…

…darüber schreibt die Schauspielerin Bettina Kenter-Götte in der Freitag. Es geht um „die Martermühle“ Hartz IV und was es bedeutet, sich darin bewegen zu müssen. Aus dem Beitrag:

„Selbst für JournalistInnen ist es schwierig, Einblicke in die Realität von Hartz IV zu erhalten. Wer nicht betroffen ist, hat keinen Zutritt zu dieser Schreckenskammer der Gesellschaft – und wer dort ist, verliert die Sprache: Schockstarr kämpfen Betroffene ums tägliche Überleben, wohl wissend, dass kaum jemand ihren Geschichten Glauben schenken würde, denn sie sind fürwahr unglaublich. „Hier hast du auch was zu trinken!“, sagte ein Politiker, als er bei einem Weinfest einem Obdachlosen Sekt über den Kopf goss. Fußfesseln für Arbeitslose wurden diskutiert, ein Professor schlug vor, Arbeitslose sollten ihre Organe verkaufen (dürfen). Selbst schwangere Frauen werden „sanktioniert“. Sie können wegen Stromsperren nach Leistungskürzungen ihren Babys kein Fläschchen mehr warm machen. Ich wollte die unglaublichen Geschichten erzählen und schrieb ein Buch, wie das Alltagsleben mit Heart’s Fear wirklich ist: erniedrigend, bedrohlich, bedrückend, aussichtslos, existenzgefährdend, absurd – und mitunter auch komisch. Während einer „Aufstock“-Phase, nach einer auswärtigen Autorenlesung, musste ich mir das Geld für die Heimfahrt leihen, von einer Zuschauerin.“

Wie riskant ein Leben im Schauspielberuf ist, siehe dazu auch frühere Kommentare von uns.

Sascha Liebermann