… so Peter Schallberger, Schweizer Soziologe, in einem Interview in der „Wochenzeitung“. Die Missstände, die er dabei aufdeckt, sind nicht schweiz-spezifisch; wir finden sie in ähnlicher Form auch in der Bundesrepublik. Dort geht es um sogenannte Sozialfirmen, die folgendermaßen mit Arbeitskräften versorgt werden: „Sozialämter weisen dieser Firma Klienten zu. Die Zuweisung kommt allerdings nicht über einen freien Arbeitsvertrag zustande, sondern über eine administrative Verfügung. Wer sich dieser über die kantonale Sozialhilfegesetzgebung abgesicherten Verfügung widersetzt, wird sanktioniert. Das Arbeitsverhältnis basiert also auf Zwang, es handelt sich formal folglich um eine Zwangsbeschäftigung.“ Um Zwangsbeschäftigung handelt es sich auch hier in der Bundesrepublik, wenn Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger in Arbeitsverhältnisse eintreten müssen um Sanktionen zu entgehen; letztlich aber handelt es sich auch um Zwangsbeschäftigung, wenn man „freiwillig“ einen Arbeitsvertrag schließt, um ein Einkommen zu erzielen, denn die Alternative wäre der Verzicht auf Erwerbseinkommen, das Eintreten in die Mühlen von „Arbeitsagentur“, „Jobcentern“ und „fördern und fordern“, womit man wieder am Ausgangspunkt wäre. Also nicht lediglich diese Form der „Förderung“ ist ein Problem, wie Schallberger aufzeigt: „Den Lohn bezahlt die Sozialhilfe. Es findet also ein Transfer von Sozialhilfegeldern zu privaten Unternehmen statt.“ Dies fordern ja auch bundesdeutsche Ökonomen wie etwa Hans-Werner Sinn und seine Kollegen vom IFO-Institut mit ihrem Modell der „aktivierenden Sozialhilfe„: den Kombilohn zur Erhaltung des Niedriglohnsektors. Schallberger hält dem entgegen: „Es gibt glücklicherweise Alternativen“. Welche sind dies nun? „Es gibt glücklicherweise Alternativen, die eine echte Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt anstreben. Beispielsweise mit unterstützendem Jobcoaching. Ein Coach begleitet Personen zurück in eine ordentliche Anstellung, er berät auch die Unternehmen in diesem Prozess. Hier geht es um ordentliche Anstellungen, die Löhne bezahlen die Unternehmen – und nicht der Staat.“ – Da allerdings verkennt Schallberger die oben benannte grundsätzliche Zwangsstruktur der erwerbsorientierten Sozialpolitik. Denn was passiert mit demjenigen, der nicht zum „Jobcoach“ geht? Wenn der „Coach begleitet“ – was tut er dann? Führen und fordern? Oder beraten? Zur Beratung gehört aber unabdingabar die Freiwilligkeit und zu der gehört, dass man eine echte Alternative hat. Wie könnte die eröffnet werden? Da wundert man sich, dass Schallberger, bei aller triftigen Kritik, nicht über den Tellerrand der Erwerbsarbeit hinausschaut zu seinen ja gerade in der Schweiz sehr rührigen Eidgenossen, die aufzeigen, wie die für die Freiwillgkeit erforderliche Alternative eröffnet werden kann, und die dies in der Schweiz ja auch öffentlichkeitswirksam diskutieren. – Wenn diejenigen, die sich der Kritik der De-Autonomisierung der Bürger annehmen, nicht die Bedingungen einer Autonomie der Bürger aufzeigen – einer Autonomie, die unsere Demokratie gleichzeitig als Fundament in Anspruch nimmt –, gießen sie letztlich Wasser auf die Mühlen dessen, was sie kritisieren. Erst ein Anerkennung der Chancen, die ein Bedingungsloses Grundeinkommen eröffnete, würde diesen Mühlbach in den Strom einer freien Gesellschaft von freien Bürgern münden lassen.
Thomas Loer