Das hat es doch immer gegeben in der Vergangenheit,…

…das hat es so noch nie gegeben. Zwischen diesen beiden Polen schwanken die Stellungnahmen zur Digitialisierung häufig. Weder Hysterie noch Verharmlosung helfen allerdings weiter. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche erläutert Carl Frey seine Sicht auf die Digitalisierung. Frey hatte gemeinsam mit seinem Kollegen Osborne vor einigen Jahren eine Studie veröffentlicht, die nach wie vor viel zitiert wird, allerdings nicht selten verkürzt. Auch wird oft übersehen, dass es sich nicht wirklich um eine empirische Studie handelt. Auf den spekulativen Charakter wurde deswegen oft hingewiesen. Ein Grund zur Verharmlosung ist das allerdings auch nicht. Siehe frühere Beiträge dazu von uns hier.

„Mehrheit der Deutschen für bedingungsloses Grundeinkommen“ – oder auch dagegen, je nachdem

WirtschaftsWoche online zitiert eine entsprechende „repräsentative Umfrage“ des Cashbackportals shoop.de, die davon berichtet, wie groß die Zustimmung zum BGE sei. In die Studie selbst erhält man keinen Einblick, man weiß also nicht genau, was gefragt und wie das BGE erklärt wurde. Es ist nicht lange her, da wurde eine Umfrage mit gegenteiligem Ergebnis präsentiert, siehe hier. Oder vielleicht doch besser diese Umfrage nehmen, die positiver ausfiel, siehe hier. Die könnte dann mit einer anderen wieder verbunden werden, siehe hier.

Diese Meinungsumfragen, darüber habe ich schon öfter geschrieben, sind vollkommen nichtssagend – das hat methodische Gründe (siehe hier). Sie erfragen etwas, ohne dass sich der Befragte dazu verbindlich verhalten muss. Sie halten nicht tatsächliche Entscheidungen fest, sondern beschäftigen sich nur mit hypothetischen Welten im Sinne von „Was wäre wenn…?“. Aus Zustimmung bzw. Ablehnung zu einer Frage folgt nichts – so oder so hat es keine Auswirkungen, die verantwortet werden müssen. Für das Leben kommt es aber stets auf darauf an, was tatsächlich getan wird, was also zu verantworten ist. Solange man etwas nicht konkret verantworten muss, kann man große Reden halten, das ist ein bekanntes Phänomen. Man kann gegen dieses und jenes oder auch für dieses und jenes sein. Doch wie sieht es aus, wenn es nicht beim Reden bleibt, sondern eine Entscheidung verantwortet werden muss?

Deswegen ist es ein eklatanter Unterschied, ob jemand befragt wird, nachdem er eine Entscheidung getroffen hat, wie z. B. bei Wahlen, wenn Wähler gerade das Wahlbüro verlassen haben. Oder ob er befragt wird, ohne dass eine konkrete Entscheidung bevorsteht. Was könnte aus diesen methodischen Eigenheiten von Meinungsumfragen folgen? Sie sollten als das genommen werden, was sie sind: als unverbindliche Befragungen, in denen man nichts darüber erfährt, weshalb jemand die Antwort gegeben hat, die er gegeben hat. Sie sagen nichts darüber aus, was die Befragten tatsächlich täten, wenn… . Deswegen ist es ein Akt der Mündigkeit, sie in ihre Schranken zu verweisen, was viel zu wenig geschieht. Oder am besten: gar nicht erst teilnehmen, wenn man darum gebeten wird. Auch das ist klärend.

Sascha Liebermann

Zahlreiche Artikel zum Bedingungslosen Grundeinkommen in den Medien – eine Auswahl

Angesichts der sich in den Medien überschlagenden Berichterstattung über die Volksabstimmung in der Schweiz finden Sie hier eine Auswahl weiterer Beiträge der letzten Tage:

 

 

„Glücksrezept Grundeinkommen: Geld und Glück für alle“ – die Wirtschaftswoche zum Grundeinkommen

Am 11. Juni ist dieser Beitrag von Felix Ehrenfried in der Wirtschaftswoche erschienen. Der Autor hat im Rahmen seiner Recherche mehrere Interviews geführt, auch mit Sascha Liebermann. Vom Titel ausgehend lässt sich schon mutmaßen, wie er endet, denn von einem „Glücksrezept“ zu sprechen, kommt einer gewissen Veralberung gleich. Sie gibt allerdings auch den Blick auf etwas frei, was für die Grundeinkommensdiskussion hilfreich ist: die Vorstellung, mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen könnte ein konkflikt- oder dissensfreies Leben zu gewinnen, ist eine Illusion. Denn Freiheit ist kein Schlaraffenland, sie ist eine Zumutung im wahrsten Sinne des Wortes.