Ist es nun „notwendig“ oder nicht?

Mehr oder weniger mit dieser Frage befasste sich Ane Hebeisen in Der Bund schon Ende Juli (also einige Wochen vor dem gestern kommentieren Beitrag von Markus Städeli), ob denn KI nun dazu führe, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen unausweichlich werde, weil usw. usf. Es ist eine bedauerliche Seite der BGE-Diskussion, diese befürchtete oder erhoffte Entwicklung als Argument dafür hervorzuziehen, dass nun also wirklich ein BGE nicht mehr abzuwenden oder aufzuhalten sei. Ganz gleich, was die KI nun mit sich bringt, ein BGE ist auch so eine interessante Alternative, doch dazu müsste man sich ernsthaft damit beschäftigen, das ist in dem etwas launischen Beitrag nicht zu erkennen.

Hebeisen schreibt an einer Stelle:

„Ich versuchte zu erklären: Die Schweiz betrachte ihren Wohlstand eben nicht als selbstverständlich. Die Zeiten, in denen die hiesige Landbevölkerung mit Hungersnöten und Überlebenskummer zu kämpfen gehabt habe, lägen bloss 200 Jahre zurück. Das habe das Volk demütig gemacht. Und in dieser Demut habe man einen Arbeitseifer entwickelt, der die Schweizerinnen und Schweizer zum – jedenfalls statistisch – dritt-fleissigsten Volk Europas gemacht habe. Weit vor den Deutschen und den hoffnungslos abgeschlagenen vereinigten Königreichlern.“

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„Normal gestrickte Menschen“…

…sind das Risiko schlechthin der Demokratie. So könnte man den Kommentar Markus Städelis in der Neue Zürcher Zeitung zusammenfassen, der dort den Vorschlag Sam Altmans und Elon Musks kommentiert, die im Bedingungslosen Grundeinkommen ein Mittel sehen, um den Folgen der KI-Nutzung, die ihrer Auffassung nach hohe Arbeitslosigkeit mit sich bringen werde, begegnen zu können. Ein BGE erlaube, so Städeli, ohne Existenzängste Möglichkeiten zu ergreifen, die dem Einzelnen gemäß seien.

Nicht ganz geheuer ist ihm dieser Vorschlag, weil er von zwei Unternehmern kommt, die doch selbst für diese Folgen verantwortlich seien, was ganz danach klingt, als sollte eine solche Entwicklung vermieden werden, wenn denn die KI tatsächlich diese Folgen hätte. Doch warum? Wenn nun KI zur Substituierung menschlicher Arbeitskraft in der Breite führen würde, weil sie Routinetätigkeiten zuverlässiger erledigen könnte, gewönne doch der Einzelne Zeit für das zurück, was die KI eben nicht kann. Wo ist das Problem?

Tja, das Problem ist die Grundverfasstheit des Menschen, so hat man den Eindruck, denn:

„Falls KI wirklich Massenarbeitslosigkeit verursachen sollte, sind gesellschaftliche Probleme programmiert: Arbeit ist ja nicht bloss eine Quelle des Einkommens, sondern auch ein wichtiger Teil der sozialen Identität und des Zusammenhalts. Der Wegfall einer Tagesstruktur würde zu mehr Alkohol- und Drogenkonsum sowie zur gesellschaftlichen Isolation führen.“

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Hart arbeiten, fleißig sein, es muss sich lohnen,…

…es reicht nicht, einfach seine Arbeit (=Erwerbsarbeit) zu erledigen (ab Minute 5 etwa), „hart“ muss gearbeitet werden, „fleißig“ müssen die Leute sein. Wer dann „hart“ gearbeitet hat, hat sich den Aufstieg und letztlich die Rente „verdient“. Klingbeil bedient damit Aufstiegsmythen, als sei Vieles nicht von glücklichen Umständen abhängig. Woran wird darüber hinaus „hart“ zu arbeiten festgemacht, muss man das sehen können, müssen sich die Leute sichtbar quälen?

Klingbeil bedient mit dieser Sprache Vorurteile, weil sie nahelegen, es könne ohne weiteres bestimmt werden, was „hart“ zu arbeiten auszeichnet. Dabei ist „harte“ Arbeit eben nicht ohne weiteres sichtbar. Der Beruf des Lehrers wird hierzu häufig nicht gezählt, der des Erziehers ebensowenig, Sachbearbeitung in der Verwaltung wohl auch eher nicht, wenn man an die Vorurteile denkt – es könnten noch andere aufgezählt werden. Arbeiten etwa Softwareentwickler hart, die hocken doch nur am Computer und tippen?!

Wer was als „hart“ beurteilt, ist eine ganz andere Frage, man muss sich nur entsprechende Gespräche über andere Berufsgruppen anhören, in denen leichtfertig über die „low performer“ gesprochen wird, die die Leistungsträger nur behindern.

À propos – ganz vergessen wird natürlich, diejenige Leistung, die nicht in Erwerbsarbeit erbracht wird, also die sogenannte „unbezahlte Arbeit“, aber die ist ja nur ein Hobby.

Sascha Liebermann

„Sogar ‚die‘ Griechen arbeiten mehr als ‚die‘ Deutschen?…

.. Und schon geht sie (wieder) los, die Debatte, dass wir mehr und länger und überhaupt arbeiten sollen müssen“ – ein Beitrag von Stefan Sell zur wiederkehrenden Debatte um – wie er treffend schreibt – politisierte Arbeitszeitvergleiche.

Dass mit statistischen Daten nach- bis fahrlässig umgegangen wird, ist zwar keine Neuigkeit, aber ein anhaltendes Problem, weil damit ernsthafte Fragen und Diskussionen erschwert werden. Sell weist zurecht auf die Bedeutung von Sorgetätigkeiten hin, die in der Forderung nach erhöhten Erwerbsarbeitszeiten in der Regel keine Rolle spielt, so als erledigten sich diese Aufgaben von alleine.

Eines lässt sich in den schiefen Arbeitszeitvergleichen dann doch erkennen, und zwar die Vorstellung, es komme darauf an, viel zu arbeiten, also viele Stunden, weil viel macht viel. Seit Jahren wird der Zuwachs an Arbeitsstunden gefeiert und als Erfolg verkauft von Politikern und in Talkshows, häufig ohne weitere Differenzierung.

Siehe unsere früheren Beiträge zu diesem Themenkomplex hier, zu Sorgetätigkeiten, also „unbezahlter Arbeit“ hier.

Sascha Liebermann

Die Verkürzung der Frage ist das Problem

Siehe unsere früheren Beiträge zu dieser Debatte hier.

Sascha Liebermann

Die Überschätzung der „Sonntagsfrage“

Obwohl methodisch fragwürdig, weil auf hypothetische Fragen ebenso hypothetische Antworten gegeben werden, die dann so behandelt werden, als bildeten sie eine tatsächlich Entscheidung ab. Solche Befragungen sind überflüssig und nicht zu vergleichen mit Nachwahlbefragungen. Man kann sich Diskussionen darüber also sparen.

Siehe unsere frühen Ausführungen zu diesem Thema hier.

Sascha Liebermann

Degradierung der Bürger…

…als Bürger um ihrer selbst und des Gemeinwesen um seiner selbst willen. Das Bürgergeld als „Anreizsystem für Arbeitslosigkeit“, so Amthor in dem Gespräch mit Die Welt.

Der Sozialstaat ist dann „zielgenau“, wenn er denjenigen mit Einkommen im Sinne des Existenzminimums absichert, der ihn trägt und ihn als Vergemeinschaftung immer wieder von Neuem in Vollzug alltäglichen Handelns bekräftigt. Genau in dieser Hinsicht hinkt der heutige Sozialstaat den Grundlagen des Zusammenlebens hinterher. Dass diese Existenzsicherung dann für alle gelten muss, in der Verlängerung von dem Hautargument aus, die ihren Lebensmittelpunkt in ihm haben, liegt auf der Hand.

Siehe unsere früheren Beiträge zum Zusammenhang von Existenzsicherung, Demokratie und Republik hier; der Behauptung, wir lebten in einer Arbeitsgesellschaft hier; zur Bedeutung von Staatsbürgerschaft hier; zur politischen Vergemeinschaftung der Bürger hier; zu einem der wichtigsten Signalworte (Anreiz) der vergangenen Jahre hier.

Sascha Liebermann