In der Tat ein blinder Fleck…

…in der Diskussion des ifo-Instituts zum Bedingungslosen Grundeinkommen, die ich gestern kommentiert habe. Zwar konnten Ausführungen von Jürgen Wegge durchaus so gelesen werden, dass ein BGE genau dem entspricht, was den Menschen auszeichnet, nämlich in der Welt wirken zu wollen und diese Bereitschaft alles andere überragt. Wegge verlässt diesen Pfad am Ende der Diskussion allerdings, wie überhaupt in der ganzen Diskussion das Leben jenseits von Erwerbstätigkeit so gut wie nicht zur Sprache kommt. Seine Ausführungen hätten aber durchaus Anlass gegeben sich zu fragen, ob nicht grundsätzlich Existenzsicherung heißen müsste, dass diese immer unverfügbar ist und eine entsprechende Höhe haben muss. Es ist banal, aber dennoch muss man immer wieder darauf hinweisen, dass auch BGE-Befürworter durchaus wissen, dass es finanzierbar sein muss, die Finanzierungsfrage ist aber erheblich komplexer als es Mikrosimulationsstudien suggerieren, denn letztlich ist sie auch eine Frage danach, wie sehr sich die Bürger in einem Gemeinwesen in allen Belangen einbringen, Erwerbstätigkeit ist nur einer davon.

Sascha Liebermann

Gutachten zum Bedingungslosen Grundeinkommen – historisch fragwürdige Vergleiche und Ungenauigkeiten

Nachdem wir heute schon einmal auf das im vergangenen September vorgelegte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen zum Bedingungslosen Grundeinkommen hingewiesen haben, das schon von verschiedener Seite kritisiert wurde (siehe hier), sei hier noch ein Hinweis diesbezüglich gegeben. Erstaunlich in diesem Gutachten sind die vielen Ungenauigkeiten, sei es bezüglich der Definition eines BGE, seien es historische Vergleiche, die gezogen werden, z. B. mit der DDR, sei es die Einordnung, wer denn ein solches fordere oder wer die bekanntesten Vertreter seien. Anekdotisch sei hier bemerkt, dass ich diese Erfahrung, in der DDR habe es ja so etwas wie ein Grundeinkommen gegeben, selbst mit Diskutanten schon gemacht habe, die den größten Teil ihres Lebens dort verbrachten (siehe hier). Das Netzwerk Grundeinkommen hat einige davon dankenswerterweise kommentiert (siehe hier), wenn ich auch nicht alle Einwände teilen würde.

Wenn wissenschaftliche Expertise dazu beitragen soll, politische Entscheidungsträger über Zusammenhänge zu informieren, und ihnen so eine Urteilsbildung zu ermöglichen, wäre besonders wert daraufzulegen, keine fragwürdigen Vergleiche zu bemühen, normative Bewertungen offenzulegen und sich aus der Frage, was die „richtige“ Entscheidung wäre, herauszuhalten.

Sascha Liebermann

Diskussion mit ungewöhnlicher Stimme und unerwarteten Schlussfolgerungen – Jürgen Wegge zu Motivation und Erwerbsarbeit

In der Online-Diskussionsreihe „60 Minuten“ des ifo-Institut ging es am 12. Juli um das „Bedingungslose Grundeinkommen“. Diskutanten waren: Prof. Ronnie Schöb, Prof. Jürgen Schupp, Prof. Jürgen Wegge.

Ronnie Schöb war am Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministerium der Finanzen beteiligt und hatte sich schon früher dazu geäußert, dass ein darin simuliertes BGE vielfach unerwünschte Effekte habe (siehe hier). Seine Einwände waren erwartbar, vor allem bezogen sie sich auf die Folgen für das Arbeitsangebot aufgrund höherer Steuerbelastung (laut Gutachten). Jürgen Schupp ist dem BGE äußerst aufgeschlossen und sieht Chancen darin. Er begleitet für das DIW das Pilotprojekt Grundeinkommen wissenschaftlich und setzt darauf, durch das Projekt belastbare Einsichten zu den etwaigen Auswirkungen zu erhalten. Jürgen Wegges Beiträge waren insofern interessant – besonders zu Beginn -, weil er darlegte, dass der Motivationsbegriff in der Psychologie bzw. Arbeitspsychologie äußerst komplex sei und keineswegs auf einen „Anreiz“, nämlich Einkommen, reduziert werden dürfe. Damit hob er einen der Standardeinwände aus den Angeln, der dem BGE entgegengehalten wird.

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„Aktuelle Mikrosimulationsstudien zur Einführung eines partiellen bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland – eine kritische Analyse​“…

…dieses Arbeitspapier von Alexander Spermann wurde am 3. März dieses Jahres in der Reihe der FRIBIS-paper (Freiburg Institut for Basic Income Studies) veröffentlicht und befasst sich mit dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, das im vergangenen September veröffentlicht wurde. Spermann identifiziert einige Kritikpunkte, die sich auf Gesamteinschätzung des Gutachtens beziehen.

Siehe unsere Kurzeinschätzung hier, die Pressemitteilung mit Link zur Broschüre des Netzwerks Grundeinkommen zum Gutachten hier.

Sascha Liebermann

Zum Begriff der Armut, absolut und relativ

Siehe unsere Beiträge dazu z. B. hier.

„Der Sozialstaat wird vom Kopf auf die Füße gestellt“

Siehe das Interview mit Wolfgang Strengmann-Kuhn von der Expedition Grundeinkommen. Siehe meinen Beitrag mit einem ähnlichen Tenor hier.

Sascha Liebermann

Integration bezogen worauf?

Die Antwort von BGE Eisenach macht auf ein Missverständnis aufmerksam, das in dieser Diskussion immer wieder anzutreffen ist und mit einer Verunklärung des Demokratiebegriffs einhergeht. Dass es stets die Rechtsgemeinschaft der Bürger ist, die Rechte garantieren und ihnen zur Durchsetzung (mittels Gewaltenteilung) verhelfen muss, ist unstrittig. Während aber die Bürger als Bürger die Rechtsordnung tragen, bewegen sich Erwerbstätige als Erwerbstätige nur in ihrem Geltungsbereich, sind aber weder deren Legitimationsquelle noch ihr Träger. Während den Bürgern als Individuen ein Status zukommt, der ihnen nicht genommen werden kann, kann nicht nur jeder Erwerbstätige diesen Status verlieren, er muss ihn auch verlieren können, weil Erwerbstätigkeit kein Selbstzweck ist, die Gemeinschaft der Bürger ist aber Selbstzweck. Dass schon T. H. Marshall, auf den der Begriff „industrial citizenship“ zurückgeht, hier missverständlich argumentierte, macht die Sache nicht besser, immerhin aber wird bei ihm deutlich, dass das System von Kollektivrechten in Arbeitsverhältnissen nicht von denjenigen konstituiert wird, die diese Rechte zugleich in Anspruch nehmen. Deutlich wird die Vermischung bzw. Verkürzung dieses Zusammenhangs in der Kurzfassung eines Vortrags von Bettina Kohlrausch. Dort heißt es z. B.:

„Diese Rechte leiten sich vom Status der Erwerbstätigkeit ab. Sie schaffen Strukturen, aus denen sozialer Zusammenhalt entstehen kann, und sie garantieren soziale Anerkennung. Es mag pathetisch klingen – aber Erwerbsarbeit hilft uns selbst zu sehen und anderen zu zeigen, welchen Platz wir in dieser Gesellschaft eingenommen haben.“

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