Von Hartz IV zum Bürgergeld und zurück

Nachdem die SPD damals in großen Tönen angekündigt hatte, „Hartz IV“ abzuschaffen bzw. hinter sich lassen zu wollen und ein „Bürgergeld“ einzuführen, das in der Ampel-Regierung als Gesetz verabschiedet wurde, folgt dieser sprachkosmetischen Verschleierung nun die amtierende Bundesregierung und macht es der Ampel nach, indem sie mit demselbem Pomp vermeintlich alles umkrempeln will: aus dem „Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende“ wird nun die vollkommen neue und grundlegend andere „Grundsicherung für Arbeitsuchende“. Der damaligen „Abschaffung“ von Hartz IV, die lediglich eine milde Lockerung der Sanktionen beinhaltete, folgt nun die Rückkehr zu Hartz IV mit großen Ankündigungen. Wieder ist die SPD an den hochfliegenden Zielen beteiligt und hat nichts daraus gelernt, die Bürger für dumm zu verkaufen.

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„Hat die Arbeitsgesellschaft eine Zukunft?“…

…ein Interview mit dem kürzlich verstorbenen Soziologen Claus Offe, das im Jahr 2023 für Jacobin geführt wurde, in dem er auf die „doppelte Machtbeziehung in Arbeitsverhältnissen“ hinweist und welche Folgen es hat, wenn Erwerbstätigkeit als normativ herausragende Quelle von Einkommen verstanden wird.  Am Ende des Interviews sagt Offe:

„Je reicher die Volkswirtschaften sind, desto geringer ist ihr weiteres Wachstum. Das heißt, die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums durch Arbeitsverträge und Arbeitslöhne ist ein Modell, das nicht mehr ausreicht. Deshalb muss es andere Modelle geben, nämlich Grundeinkommen, Transfer, nationale Dividenden, also die Verteilung gesamter volkswirtschaftlicher Leistungen und Erträge an Bürgerinnen und Bürger – und nicht nur an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

Hier könnte man ihm entgegenhalten, dass ein BGE sein Recht nicht daraus bezieht, ein nicht mehr funktionierendes Verteilungssystem zu reparieren, sondern daraus, die Verteilungsfrage grundsätzlich anders zu beantworten. In anderen Beiträgen hat er das durchaus thematisiert, z. B. hier „Familienleistung jenseits der Marktarbeit – das bedingungslose Grundeinkommen“ und hier „Armut, Arbeitsmarkt, Autonomie“. Wie wenige hat er herausgehoben, dass es bedeutet, ein BGE von den „citizen rights“ herzuleiten, es gehe dabei um ein Bürgerrecht und keine fiskalische Technik der Steuervereinfachung.

Sascha Liebermann

Methodische Einwände zu Pilotprojekten…

….auf die Rückfrage von Joy Ponader habe ich in diesem Thread eine Kurzantwort gegeben. Eine längere finden Sie hier.

Abgesehen davon besteht die Gefahr des Szientismus, also der Vorstellung, nur weil es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, sei das schon eine Antwort darauf, ob ein BGE praktisch gewollt werden müsste.

Sascha Liebermann

„Die wahre Armutsfalle“…

…eine Rezension des Buches von Ronald Gebauer, Hanna Petschauer und Georg Vobruba „Wer sitzt in der Armutsfalle“ (2001) von Agnes Streissler aus dem Jahr 2003, die einen Überblick über die Ergebnisse gibt. Auf diese Studie von Gebauer und Kollegen haben wir immer wieder verwiesen (siehe hier und hier mit weiteren Quellenverweisen), weil sie ein Theorem auf seinen Realitätsgehalt prüft, das noch immer Debatten um Sozialhilfe bzw. Bürgergeld prägt. Selbst in der BGE-Diskussion wird auf das dem Lohnabstandsgebot unterliegende Theorem der Armutsfalle Bezug genommen, und zwar dann, wenn darauf hingewiesen wird, wie das BGE den Lohnabstand sicherstellte. Damit wird aber unterstellt, dass dieser Lohnabstand der entscheidende Grund dafür sei, ob es sich lohne, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Grund für diese verkürzende Betrachtung der Motivierung von Handeln ist die Behauptung, Anreize seien entscheidend, vor allem einer: der Nutzen des Lohns bzw. der Zusatzgewinn durch höheres Einkommen. Genau diese Behauptung bürstet die Studie gegen den Strich.

Sascha Liebermann