Wie ein Grundeinkommen wider Willen verhindern? – Zu einer Aktion von „attac Bonn“


Schon vor einiger Zeit (2009) stellte Attac Bonn einen symbolischen 1000 Euro-Schein her, um für den Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens zu werben.

Auf der Rückseite des Scheins findet sich folgender Text:

„Das bedingungslose Grundeinkommen ist Teil einer Strategie umfassender öffentlicher Daseinsvorsorge. Es umfasst drei Elemente:
1. eine Geldzahlung, die individuell, ohne Arbeitszwang oder sonstige Bedingungen in existenzsichernder Höhe an alle gezahlt werden soll, die hier leben,
2. den Erhalt und Ausbau der bestehenden sozialen Sicherungssysteme hin zu einer solidarischen Bürgerversicherung unter Heranziehung aller Einkommen und einer hälftigen Beteiligung der Arbeitgeber, die perspektivisch auch das Grundeinkommen auszahlen soll,
3. für die Benutzerinnen und Benutzer kostenlose öffentliche Infrastruktur, die nicht nur Bildung, öffentliche Betreuungs- und Hilfsangebote, Nahverkehr betrifft, sondern tendenziell auch Mobilität allgemein und Wohnen.
Es ist ein globales Projekt der Umverteilung, mit seiner Einführung muss im Süden begonnen werden. Es zeigt seine emanzipatorische Wirkung darin, dass es Armut beseitigt, das materielle Überleben der Menschen vom Zwang zur Lohnarbeit entkoppelt und die Abhängigkeit von Frauen vom „Familienernährer“ aufhebt, so dass alle, Frauen und Männer, die Freiheit haben „nein“ zu jeder Zumutung zu sagen, der sie sich nicht freiwillig stellen wollen.“

Manches könnte zu den einzelnen Punkten gesagt werden, an denen auch Differenzen in der Grundeinkommensdiskussion sichtbar werden. Viel weitreichender ist aber das Demokratieverständis, das in den Ausführungen im letzten Absatz hervortritt. Selbstbestimmung wird über die Köpfe derer hinweg verstanden, deren Selbstbestimmung gerade Zweck eines BGE sein sollte. „Ein globales Projekt der Umverteilung“ ins Auge zu fassen setzt auch eine globale Legitimierung dieses Projekts voraus. Wessen Projekt aber ist es, um das es hier gehen soll?

Wo es keine globale Rechtsgemeinschaft und keinen globalen, demokratisch legitimierten Souverän gibt, kann es auch kein demokratisch legitimiertes globales Projekt geben. Niemand kann also niemandem ein Mandat dafür erteilen, ein solches Projekt durchzuführen. Mit gutem Grund sind selbst die Mandate der UN begrenzt. Alle existierenden supra- wie transnationalen Institutionen (UNO, IWF usw.) sind in ihrer Legitimierung von den Nationalstaaten als souveränen politischen Gemeinschaften abhängig – wie gerade die Erfahrungen der jüngsten Gegenwart vor Augen geführt haben (Libyen, Syrien usw.). Manche mögen das beklagen, weil sie sich eine Weltgemeinschaft herbeiwünschen. Daran ist nichts zu kritisieren, herbeiwünschen kann man sie, es mag sie auch eines Tages geben, wenngleich ich das für unwahrscheinlich halte. Solange es sie aber nicht gibt, unterläuft eine solche Strategie der globalen Einführung die bestehenden demokratisch legitimierten Gemeinwesen. Sie vollzieht, worüber wir uns zurecht beklagen, wenn es um die Europäische Union geht: über die Bürger allzuleicht hinwegzusehen. Wer darüber hinweggeht, dass es nach wie vor keine legitime Instanz der Interessenvertretung jenseits von Nationalstaaten gibt, stärkt nicht den Souverän, er schwächt ihn. Was progressiv klingt, weil global gedacht, unterminiert die Souveränität politischer Gemeinschaften.

Attac unterstellt ein Wir, das als verfasstes Gemeinwesen nicht existiert, und weil es nicht existiert, wirft das ein bezeichnendes Licht: Attac spricht offenbar für die anderen, vereinahmt diese und erlegt ihnen ein politisches Ziel auf. Von Souveränität kann keine Rede sein, demokratisch geht es hier schon gar nicht zu, und die Interessen von Bürgern anderer Länder werden schlicht ignoriert. Ob ein BGE gewollt ist, können wir nicht wissen, solange die Bürger sich nicht dafür ausgesprochen haben. Schon gar nicht ist es unsere Angelegenheit, in einem anderen Land etwas durchzusetzen. Was hier als progressiv und emanzpatorisch daherkommt, ist – gemessen an den Prinzipien der Demokratie – undemokratisch und bevormundend.

Es scheint kein Zufall zu sein, dass in dem Text weder von Bürgern als Staatsbürgern noch von einem Gemeinwesen die Rede ist. Demokratische Legitimierung und Volkssouveränität scheinen den Verfassern nichts zu bedeuten, das ist erschreckend. Wäre es anders, hätte ein derart bevormundender Text nicht geschrieben werden können. Ähnlich wie Forderungen danach, vor der Einführung eines BGE müsse zuerst das „System“ geändert oder etwa Menschen zum Umgang mit Freiheit befähigt werden, ist die Forderung, zuerst im Süden zu beginnen, eine gute Strategie, das BGE zu verhindern, zumindest aber den Weg dorthin zu erschweren. Man tut gut daran, sich genau anzuschauen, was Befürworter eines BGE wollen. Selbst aus einem auf die Stärkung der Bürger und der Demokratie zielenden Vorschlag (wie wir ihn vertreten), kann so ein Instrument der Entmündigung werden.

Sascha Liebermann

Siehe auch „Grundeinkommen – national, global, egal?“ (Gespräche über morgen) und „Vielfältige Möglichkeiten, eigenartige Hindernisse“

Findet die Grundeinkommensdiskussion nur noch in einer verschworenen Gemeinde statt?

Das wurde ich kürzlich anlässlich eines Podiumsgesprächs am Leuphana College der Leuphana Universität Lüneburg gefragt. Nicht nur lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob das so ist. Die Frage enthält auch eine implizite Kritik daran, dass die Grundeinkommensdiskussion im eigenen Saft schmoren könnte. Vor einiger Zeit, anlässlich der Anhörung zur Petition von Susanne Wiest sowie offen geäußerter Kritik an „Unternimm das jetzt“ und dem „Netzwerk Grundeinkommen“ (siehe auch hier) fragten andere schon, ob die Grundeinkommensbewegung zerstritten sei.

Dass überhaupt solche Fragen in der Presse gestellt werden, ist doch ein Zeichen für die aufmerksame Beobachtung der Debatte. Aufs und Abs hat es seit dem Beginn immer gegeben, einen Eindruck davon vermittelt die Berichterstattung über die letzten sieben Jahre (Chronik des Archiv Grundeinkommen). In manchen Jahren konnte man ob der Fülle der Beiträge in Zeitungen und Radio den Eindruck gewinnen, eine Einführung des BGE stünde kurz bevor. Darauf folgten wieder Phasen, in denen kaum etwas – zumindest in den Medien – geschah. Gleichwohl fanden weiterhin öffentliche Veranstaltungen statt, entstanden Filme („Bedingungslos glücklich“, März 2012), die zur besten Sendezeit auf 3SAT ausgestrahlt wurden. Die Debatte hat sich allmählich ausgebreitet, in der Schweiz steht eine eidgenössische Volksinitiative kurz vor dem Start (am 21. April), sie wird – je nachdem, wieviel Aufmerksamkeit sie medial erhält – auch auf die deutsche Diskussion ausstrahlen. Darüber hinaus findet dieses Jahr der zweijährliche Kongress des Basic Income Earth Network in München statt. Auch er wird vermutlich für eine größere Aufmerksamkeit in den Medien sorgen (auch wenn das Gebaren des Netzwerk Grundeinkommen wieder einmal die Kritik bestätigt, dass es kein Netzwerk ist, sondern Politik betreibt. Bislang sind keine Aktivisten aus der deutschen Diskussion – Claus Offe ausgenommen – zum Kongress persönlich eingeladen, das Netzwerk hält das Versenden des Call for Papers für eine Einladung). Doch, selbst wenn dies für ein kurzes Feuerwerk in den Medien sorgen sollte, für eine stetige Verbreitung sind andere Aktivitäten notwendig.

Es ist noch gar nicht abzusehen, was das Interesse der Piratenpartei am Grundeinkommen für das weitere Fortkommen bedeutet (siehe auch „Das Pirateneinkommen“). Zumindest bescherte es einige mediale Aufmerksamkeit, zahlreiche Fernsehgespräche zum Thema fanden statt und die neue Situation trat ein, dass der Ausdruck „Bedingungsloses Grundeinkommen“ durch alle Nachrichtensendungen geisterte.

Alles bestens also? Das sollte damit nicht gesagt sein, denn noch immer ist vielen die Idee unbekannt oder fremd. Das muss wiederum kein Anlass zur Sorge sein, denn historisch war das stets der Fall. Bis  Ideen, die mit Grundüberzeugungen des Bestehenden brachen, sich etabliert hatten, dauerte es meist lange und noch länger, bis sie mit Leben gefüllt waren. Man bedenke nur, wie lange der Weg war, bis die republikanische Demokratie als unumstößliche Errungenschaft galt und wie mühsam es war, die Hülle oder Form mit Leben zu füllen. Die nordafrikanischen Staaten stehen gerade vor dieser Herausforderung mit allen Schwierigkeiten, Sorgen und Nöten – und ungewissem Ausgang, wie damals in Europa.

Besteht also die Gefahr, im eigenen Saft zu schmoren? Durchaus, wenn die Überzeugten nur noch mit Überzeugten reden und diese sich gegenseitig auf die Schulter klopfen. Ein Gefahr ist Hochmut bei denen, die glauben, auf der richtigen Seite zu stehen und sich über die Borniertheit der anderen auszulassen. Jeder fasse sich an die eigene Nase und frage sich, wie lange er oder sie selbst gebraucht hat, um auf das Grundeinkommen zu stoßen und es für einen gangbaren Weg zu halten. Nach wie vor kommt es auf gute, scharfsinnige und nachvollziehbare Argumente an. Häufig ist es hilfreich, an konkreten Problemen aufzuzeigen, was ein BGE ändern könnte, im konkreten Fall: in Griechenland. Wäre es, hätte es ein Grundeinkommen gegeben, überhaupt so weit gekommen? Die Frage ist berechtigt. Auch in Deutschland unterscheiden sich allerdings die Problemlagen, die am drängendsten sind. Regionen, aus denen, nur der Einkommensnot wegen, Menschen abwandern müssen, weil sie keine Perspektive sehen (siehe „Strukturschwache Regionen“). Dass gerade in diesen Gegenden auch Parteien die Chance des BGE noch nicht sehen, ist wirklich erstaunlich.

Der Idee zur Verbreitung zu verhelfen, beginnt häufig im kleinen Kreis: mit Freunden, Familie und Bekannten (weitere Vorschläge finden sich hier). Wer Veranstaltungen organisiert, sollte darauf achten, dass der Veranstaltungsort nicht nur ein Milieu von Gleichgesinnten anspricht, es sei denn, genau dort soll eine Diskussion in Gang gesetzt werden. Der größte Feind der Verbreitung sind Feindbilder und der damit einhergehende Hochmut. Sie aufzugeben, ist eine wichtige Voraussetzung, um andere erreichen zu können als die, die eh schon auf derselben Seite stehen. Es gibt viel zu tun!

Sascha Liebermann

„Osten nicht länger subventionieren“ – Grundeinkommen und strukturschwache Regionen

…das meldete die FAZ am 26. Februar und am 27. legten sie mit einem Beitrag nach. Es geht um Gutachten verschiedener Forschungsinstitute. Die Debatte darüber wirft wieder einmal den Blick darauf, wie strukturschwachen Regionen geholfen werden könnte, ihnen gemäße Entscheidungen zu treffen. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wäre hier ein guter Weg, siehe unsere Beiträge dazu hier und hier.

Infotische zum Grundeinkommen bei Anny Hartmann

Die Kabarettistin Anny Hartmann hat sich in Ihren Auftritten schon wiederholt mit dem Vorschlag eines Bedingunglosen Grundeinkommens befasst. Ihre Veranstaltungen sind ideal, um auch auf diesem Wege für das Grundeinkommen zu werben, indem Infotische angeboten werden. Infomaterial kann bei uns und auch anderen Initiativen bestellt werden. Die Termine von Anny Hartmann finden Sie hier. Bitte vorher immer Kontakt mit Frau Hartmann aufnehmen, damit sie die Lage vor Ort klären kann.

„Unterwegs zum Grundeinkommen“ – zwei Filmemacher horchen auf

Zwei Filmemacher sind auf überraschende Weise auf den Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens aufmerksam geworden und fragen sich, ob es etwas mit ihren Vorstellungen von Kulturschaffen gemeinsam hat. An einer Stelle ihrer Überlegungen heißt es: „Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens kämpft mit Zumutungen einer abstrakten Utopie. Es fehlen die positiven, unmittelbar verständlichen Vorbilder und gelebten Beispiele.“ Nun, gelebte Beispiele kann man insofern nicht erwarten, als es noch kein BGE gibt. Sehr wohl aber lässt sich in heutigen Aktivitäten und ihren Voraussetzungen erkennen, wie ein BGE stärkend und fördernd wirken könnte. Wir haben selbst schon häufiger Überlegungen angestellt, wie sich ein BGE konkret auswirken könnte. Über die Suchfunktion im Blog sind leicht Beispiele zu finden. Eines, das hier besonders nahe liegt, ist die Auswirkung auf Wissenschaft und Kunst.

Eidgenössische Volksinitiative „Für ein bedindungsloses Grundeinkommen“ startet am 21. April

Aus der Mail:
„Die Volksinitiative startet am 21. April 2012 
«Einer für alle – alle für einen» – klingt das nicht etwa nach Grundeinkommen? Seit jeher steht dieser Wahlspruch in lateinischer Sprache im Zenit der altehrwürdigen Bundeshauskuppel in Bern: Unus pro omnibus – omnes pro uno. Wenn man den Spruch aktualisiert und auch die Bürgerinnen meint, dann symbolisiert er die gegenseitige Verantwortung der Menschen füreinander in einer Gesellschaft mit Fremdversorgung. Es scheint, als sei das Grundeinkommen im Geiste längst vorausgenommen worden.
«Einer für alle – alle für einen» – klingt das nicht etwa nach Grundeinkommen? Seit jeher steht dieser Wahlspruch in lateinischer Sprache im Zenit der altehrwürdigen Bundeshauskuppel in Bern: Unus pro omnibus – omnes pro uno. Wenn man den Spruch aktualisiert und auch die Bürgerinnen meint, dann symbolisiert er die gegenseitige Verantwortung der Menschen füreinander. Es scheint, als sei das Grundeinkommen im Geiste längst vorausgenommen worden.
Am 21. April wird’s konkret: Mit einem grossen Fest in Zürich startet die eidgenössische Volksinitiative zum bedingungslosen Grundeinkommen. Folgenden Grundsatz möchte das Volksbegehren in der Verfassung verankern:…“

Zur Website

Zukunftsdialog – Grundeinkommensvorschlag von Susanne Wiest auf Platz 11

Vor kurzem haben wir auf die Initiative von Bundeskanzler Angela Merkel hingewiesen, die einen Zukunftsdialog inititiert hat. Zahlreiche Vorschläge sind schon gemacht worden, der Vorschlag von Susanne Wiest zum Bedingungslsen Grundeinkommen liegt auf Platz 11. Bis 15. April kann abgestimmt werden.

„Zukunftsdialog“ – auf der Website der Bundeskanzlerin

„…

Wie sieht Deutschland in fünf bis zehn Jahren aus? Wie wollen wir gegen Ende des Jahrzehnts leben? Diese Frage diskutiert die Bundeskanzlerin seit Frühjahr 2011 mit über 120 Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis unter der Überschrift „Menschlich und erfolgreich. Dialog über Deutschlands Zukunft“.

Drei große Fragestellungen stehen dabei im Mittelpunkt:
1. Wie wollen wir zusammenleben?
2. Wovon wollen wir leben?
3. Wie wollen wir lernen?
…“

Auf der Website von Bundeskanzler Angela Merkel ist ein Zukunftsdialog inititiert worden. Zahlreiche Vorschläge sind schon gemacht worden, etliche auch zum Grundeinkommen. Durch Abstimmung kann man die Vorschläge bewerten.

„Gewerkschafterdialog Grundeinkommen“ – eine Initiative von Gewerkschaftern für Gewerkschafter

Die Plattform Gewerkschafterdialog Grundeinkommen will dazu beitragen, den Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens in die gewerkschaftliche Diskussion zu bringen. Auf der Eingangsseite wird dargelegt, um welches Grundeinkommen es gehen soll, und angedeutet (ohne benannt zu werden), mit welchen Vorschlägen man nichts zu tun haben will. Da Arbeitszeitverkürzung und Mindestlöhne (als Schutz vor einem Missbrauch des BGEs durch Unternehmen) als großes Ziel genannt werden, sei hier auf Kommentare von uns dazu hingewiesen:

Mindest- und Kombilohn
Mindestlohn und repressionsfreie Grundsicherung
Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung und Lohndumping
Leih- und Zeitarbeit