…so Isabel Erdem in junge Welt. Hingewiesen wird in dem Beitrag auf die Widersprüche in der Urteilsbegründung mit Bezugnahme auf die entsprechenden Passagen des Urteils. Siehe auch diesen Beitrag von uns zu einem Gespräch mit Wolfgang Neskovic, weitere Beiträge hier.
Kategorie: Sanktionen
Video der Bundestagsdebatte zu Hartz IV-Reformen am 14. November
„Bundesagentur kassiert Sanktionsbescheide für alle“…
…melden Spiegel Online und Welt Online.
„Es bleibt ein Hauch von Obrigkeitsstaat“ – auch hier eine Verklärung des „alten“ Sozialstaats…
…im Beitrag von Stephan Hebel in der Frankfurter Rundschau über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Doch geht das Urteil nicht ganz so weit, wie Stephan Hebel es auslegt, Vollsanktionen bleiben möglich, der Gesetzgeber muss dazu nur bestimmte Bedingungen einhalten. Irritierend ist auch in diesem Beitrag die Verklärung des Sozialstaats vor Hartz IV, so als habe es zuvor keine Sanktionsinstrumente gegeben (siehe hier, darin den Verweis auf Roland Rosenow). Dabei besteht zwischen der Erwerbszentrierung des Sozialstaats, die mit einer Erwerbsverpflichtung einhergeht, und Sanktionsinstrumenten ein notwendiger Zusammenhang. Erst wenn wir uns von der Erwerbsverpflichtung verabschieden würden, wie es Robert Habeck in seinem Vorschlag einer Garantiesicherung entwirft, wäre der Weg für eine andere Form von Mindesteinkommen geebnet, eine Art Vorstufe zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen.
Wenn „wir“ uns davon verabschieden? Ja, es hängt nicht von „der Politik“ oder „den Politikern“ ab, wie lange daran festgehalten wird, sondern davon, was die Bürger zu tragen bereit sind. Solange sie Sanktionen im Grunde für richtig und vernünftig halten, so lange wird es sie geben.
Sascha Liebermann
Nochmal Glück gehabt, Sanktionen können fortbestehen…
…so ließe sich ein Beitrag von Henrike Roßbach in der Süddeutschen Zeitung verstehen, die – wie manch andere – offenbar erleichtert ist, dass Sanktionen doch noch verfassungsgemäß sind. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil allerdings von einer Kann- und nicht von einer Soll-Bestimmung gesprochen. Der Gesetzgeber „kann“ solche Instrumente einsetzen, muss aber nicht. Manche Passage in der Urteilsbegründung ließe sich auch gegen diese „Kann“-Bestimmung auslegen:
„Art. 1 Abs. 1 GG schützt die Würde des Menschen, wie er sich in seiner Individualität selbst begreift und seiner selbst bewusst ist (BVerfGE 49, 286 <298>). Das schließt Mitwirkungspflichten aus, die auf eine staatliche Bevormundung oder Versuche der „Besserung“ gerichtet sind (vgl. BVerfGE 128, 282 <308>; zur histori- schen Entwicklung oben Rn. 5, 7).“ (Urteil, Randnummer 127)
Nochmal Glück gehabt, Sanktionen können fortbestehen… weiterlesen
„Politikerin, die half, Hartz-IV-Sanktionen durchzusetzen, bezeichnet deren Abschaffung als ein Gebot des Respekts und der Menschenwürde“…
…schreibt Der Postillon.
Das Grundgesetz und Sanktionen – Peter Tauber deutet nur in eine Richtung, die andere wäre naheliegender: gar keine Sanktionen
Peter Tauber weist auf einen wichtigen Punkt hin, der allerdings zugleich die Widersprüchlichkeit des Urteils des Bundesverfassgungsgerichts deutlich macht. Die Menschenwürde ist eben doch verfügbar unter bestimmten Voraussetzungen. Tauber unterschlägt allerdings, dass das Grundgesetz laut Urteil keineswegs Sanktionen fordert oder nahelegt, lediglich verbietet es sie nicht. Der Gesetzgeber kann solche Instrumente also vorsehen, er muss aber nicht. Insofern ist Taubers Position zum Urteil nur eine Auslegung, die andere wäre, Sanktionen vollständig aufzugeben, das wäre in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz. Dann müsste allerdings das Erwerbsgebot aufgegeben werden, solange das nicht geschieht, ist die Forderung nach einer Abschaffung von Sanktionen illusionär. Ein „Garantiesicherung“, wie Robert Habeck sie vorgeschlagen hat, könnte eine Vorstufe zum Bedingungslosen Grundeinkommen sein. Es wäre allerdings einfacher, sich den Zwischenschritt zu sparen.
Siehe auch den Kommentar von Stefan Sell zur medialen Berichterstattung.
Sascha Liebermann
„Was wie ein Erfolg aussieht, ist am Ende eine Niederlage“…
…schreibt Halina Wawzyniak, ehemalige MdB für Die Linke, in ihrem Blog anlässlich des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen im Arbeitslosengeld II. Man könnte, was sie als Niederlage sieht, auch schlicht eine Bestätigung der verbreiteten Haltung nennen, dass das Existenzminimum eben nicht vorbehaltlos bereitgestellt werden muss, sofern jemand erwerbsfähig ist. Auch wenn das Grundgesetz keine Erwerbsobliegenheit kennt, so kann der Gesetzgeber dennoch eine solche vorsehen, muss aber bestimmte Bedingungen dafür einhalten. Damit wird deutlich, das ist auch in Wawzyniaks Beitrag in aller Klarheit ausgesprochen, wie wichtig es ist, auf den Zusammenhang zwischen Sanktionen und Erwerbsgebot hinzuweisen, sie gehören zusammen. Wer Sanktionen aufheben, das Erwerbsgebot aber nicht antasten will – siehe hier – wirft Nebelkerzen. Es kann keine Aufhebung der Sanktionen ohne Aufhebung des Erwerbsgebots geben. Robert Habeck hat diesen Zusammenhang in seinem Vorschlag einer Garantiesicherung gesehen.
Sascha Liebermann
„Acht Gedanken zum Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts“…
…ein Beitrag von Alexander Thiele auf Verfassungsblog. Eine andere Einschätzung zum Urteil finden Sie im selben Blog hier.
„Insbesondere die Menschenwürde ist ohne Rücksicht auf Eigenschaften…“
Ein Satz zum Einrahmen: "Insbesondere die Menschenwürde ist ohne Rücksicht auf Eigenschaften & sozialen Status wie auch ohne Rücksicht auf Leistung garantiert; sie muss nicht erarbeitet werden, sondern steht jedem Menschen aus sich heraus zu." #Bundesverfassungsgericht #HartzIV https://t.co/Tpejg1tEvo
— Katja Kipping (@katjakipping) November 5, 2019