Schweizer Bauernverband spricht sich gegen Volksinitiative zum Bedingungslosen Grundeinkommen aus

Der Schweizer Bauernverband spricht sich gegen die Eidgenössische Volksiniative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ aus. In der Pressemitteilung ist davon die Rede, dass die Ablehnung aus finanziellen Gründen erfolge. Dabei könnte die Landwirtschaft durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen anders über ihre Zukunft nachdenken. Bedenkt man den Umfang der „Direktzahlungen“(siehe auch hier), die heute in die Landwirtschaft fließen, um eine Trennung von „Preis- und Einkommenspolitik“ zu ermöglichen, wäre dasselbe, allerdings ohne Zweckbindung, durch ein BGE möglich. Statt zweck- bzw. aufgabengebundener Direktzahlungen würde ein BGE Freiraum davon verschaffen, bestimmten Zwecken dienen zu müssen, um die Zahlungen zu erhalten. Außerdem würden kleine Betriebe vom BGE unverhältnismäßig stark profitieren und so Lebensmitteldiversität im Nahbereich gefördert, z. B. hätten es kleine „unrentable“ Käsereien einfacher, ein Auskommen zu erzielen.

Siehe auch „Grundeinkommen und Landwirtschaft“  sowie unseren Kommenter „Strukturschwache Regionen und das bedingungsloses Grundeinkommen“.

„Muss ja irgendwie gehen. Wanderarbeit in Deutschland“

Ein in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgedruckter Beitrag macht einmal mehr deutlich, welche Alternativen ein Bedingungsloses Grundeinkommen auch für strukturschwache Regionen böte. Statt tage- oder wochenlanger Abwesenheit von Familie und Freunden, wie es im Artikel beschrieben wird, schüfe ein BGE die Möglichkeit, am Wohnort zu bleiben und dort etwas auf die Beine zu stellen.

„Vierzig Stunden in der Kita“ – wie wollen wir leben?

Der Artikel war in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgedruckt. Nimmt man ihn so, wie er ist, und geht davon aus, dass alles, was berichtet wird, stimmt, dann kann er einen sprachlos machen. Eine Kita in Schwerin bietet 24-Stunden-Betreuung an. Sie richtet sich an Eltern, die beide berufstätig sind und besondere Arbeitsbedingungen haben. An einer Stelle im Artikel heißt es: „Die Bundesagentur für Arbeit spricht mit Blick auf die unflexiblen Öffnungszeiten der Kindertagesstätten von einem ‚grundlegenden Problem‘. „Stellen Sie sich mal vor, eine Verkäuferin bei Karstadt eröffnet ihrem Arbeitgeber, sie könne nur von Montag bis Freitag zwischen 8 und 15 Uhr arbeiten“, sagt eine Sprecherin. „Dann kriegt sie zu hören: Unsere Stoßzeiten sind aber am Samstag und nach Feierabend.“ Der Bäckereifachverkäuferin, die um 5 Uhr morgens ihre Backlinge geliefert bekomme, gehe es nicht anders.“

Wie hier die Problemlage geschildert wird, lässt allzu deutlich werden, wie sehr es um Prioritäten geht. Damit sind sowohl individuelle wie auch gemeinschaftliche gemeint. Wollen wir als Gemeinwesen Arbeitszeiten über das Wohl der Familie stellen? Dann ist der Ausbau zur 24-Stunden-Betreuung konsequent. Abseits solch extremer Entwicklungen nehmen Betreuungszeiten in Einrichtungen ohnehin zu, weil Eltern früh erwerbstätig sein wollen – teils aus Sorge, teils aus Not, teils, weil sie gebraucht werden möchten. Letzteres klingt gerade dann absurd, wenn kleine Kinder ihre Eltern zuhause um so mehr brauchen. Während diese Eltern als Erwerbstätige ersetzbar, austauschbar sind, sind sie es zuhause nicht. Mitarbeiter eines Unternehmens wird jemand, weil er eine Aufgabe erfüllt, nicht aber, weil er geliebt wird. Was die Bedeutung des Einzelnen im Berufsleben betrifft, machen sich viele Illusionen. Zugleich ist es allerdings die normativ herausragende Stellung, die Erwerbstätigkeit heute zukommt, die viele so früh womöglich wieder in das Erwerbsleben zurückstreben lässt. Anerkennung findet eben vor allem das Engagement im Erwerbsleben, nicht aber in der Familie. Trotz alle dem aber kann der Einzelne aus seiner Verantwortung für Alternativen nicht entlassen werden. Manches Mal sind nur kleine Veränderungen nötig, um die Familiensituation zu verbessern. Manchmal reicht Verzicht oder auch Einschränkung, um mehr Zeit für die Familie zu gewinnen – sofern es gewollt ist.

An einer anderen Stelle heißt es: „Die meisten Krankenschwestern bekommen nur einen Job, wenn sie bereit sind, Schicht zu arbeiten. Eine normale Kita geht da nicht.“ Das Hin- und Hergerissensein mancher Eltern, die im Artikel zitiert werden, ist allzu deutlich, z.B. hier: „Was die Arbeit angeht, bezeichnet Heins die Kita als „die Lösung all meiner Probleme“. Die Einrichtung ermögliche es ihr, bis zu vier Tage am Stück Seminare zu geben. Persönlich aber setze ihr die Situation zu: „Manchmal liege ich weinend im Hotelzimmer und denke an meinen Sohn.“

Die Frage, was ihr wichtiger ist, muss die Dame selbst beantworten. Wenn ihr die Situation aber zusetzt, wäre es an der Zeit, sie zu ändern. Es ist immer leicht zu sagen, das geht doch nicht, bei genauerer Betrachtung aber zeigt sich durchaus, dass das Nicht-Gehen auch mit einem Nicht-Wollen verbunden sein kann. Das ist legitim, sollte dann aber offen eingestanden werden.

Eine weitere Passage sei zitiert: „Eine andere Erzieherin sieht das kritischer: „Wir sind nur familienergänzend, kein Familienersatz. Das vergessen die Eltern und ihre Arbeitgeber manchmal.“

Auch wenn diese Aussage der Sache nach zutrifft, durch die umfangreichen Betreuungszeiten hingegen wird niemand ernsthaft behaupten wollen, dass auf dieser Basis noch ein Familienleben möglich ist. Um eine Beziehung zu den eigenen Kindern zu erlangen und zu erhalten, braucht es Zeit, ungeplante Zeit mit offenem Ausgang. Wie soll dies möglich sein, selbst wenn eine Betreuung werktags ’nur‘ von 8 bis 16 Uhr dauert?

Zur Veranschaulichung der Degradierung von Familie, die zum Alltag gehört, sei auf diese Zeichnung noch einmal hingewiesen:

 Sascha Liebermann


Frühere Kommentare von Sascha Liebermann zu verwandten Themen: Familie – hier, hier und hier. Ein Einspruch gegen diese Situation in der FAZ im alten Jahr, siehe „Markt und Familie“. Gerade zur schwierigen Arbeitsmarktlage in manchen Regionen sei auch dieser Beitrag
„Strukturschwache Regionen und das Bedingungslose Grundeinkommen“ in Erinnerung gerufen.

„Osten nicht länger subventionieren“ – Grundeinkommen und strukturschwache Regionen

…das meldete die FAZ am 26. Februar und am 27. legten sie mit einem Beitrag nach. Es geht um Gutachten verschiedener Forschungsinstitute. Die Debatte darüber wirft wieder einmal den Blick darauf, wie strukturschwachen Regionen geholfen werden könnte, ihnen gemäße Entscheidungen zu treffen. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wäre hier ein guter Weg, siehe unsere Beiträge dazu hier und hier.

Wie eine Region, die ums Überleben kämpft, mit einem Grundeinkommen dastünde

Dazu hat Christian Müller (Agentur [zum] Grundeinkommen) einen kurzen und prägnanten Beitrag verfasst, der sich mit den Sorgen strukturschwacher Regionen befasst. Erschienen ist er im Kulturmagazin JULI. Auch wir haben dazu schon geschrieben, den Beitrag finden Sie hier: „Strukturschwache Regionen und Bedingungsloses Grundeinkommen„.

Strukturschwache Regionen und das bedingungslose Grundeinkommen

Strukturschwache Regionen werden heute solche Gebiete in Deutschland genannt, die aufgrund ihrer geringen wirtschaftlichen Leistungskraft und folglich geringem Steueraufkommen auf eine besondere Förderung aus öffentlichen Mitteln angewiesen sind. Diese Förderung kann z.B. über den Länderfinanzausgleich erfolgen, sie kann aber genauso über zweckgebundene Mittel gestaltet werden (z.B. für bestimmte Branchen wie die Landwirtschaft) und über zusätzliche Abgaben („Solidaritätsbeitrag“). Der Freistaat Bayern wurde mit solchen Mitteln gefördert, das Ruhrgebiet wird es heute noch. Vor allem sind es die östlichen Bundesländer, aber auch einige Regionen in den westlichen, die besonders gefördert werden (siehe Karte). Allerdings erfolgt die Förderung meist zweckgebunden, sie soll also dazu dienen, bestimmte Ziele zu erreichen. Das heißt noch lange nicht, daß eine solche Förderung ihr Ziel auch erreicht, ob nicht gar Ziele angestrebt werden, die mit den Gegebenheiten einer Region gar nicht vereinbar, gar illusorisch sind. Wo es langfristig an Wirtschaftskraft fehlt, wo Menschen kein Einkommen erzielen können, wandern sie ab. Das haben in den vergangenen Jahren viele getan, viele junge dazu, mehr Frauen als Männer. In den betroffenen Regionen führt dies zu einer Verschärfung der Lage, Arbeitslosigkeit hat noch zugenommen und durch die Abwanderung gehen auch Menschen verloren, die einen langfristigen Aufbau gestalten könnten.

Wie würde ein bedingungsloses Grundeinkommen die Lage dieser Regionen verändern?

Aus wirtschaftlichen Gründen, um ein Einkommen zur Lebensunterhaltung zu erzielen, müßte niemand mehr abwandern. Mit einem Grundeinkommen, solange es hoch genug wäre, würden sich ganz andere Möglichkeiten eröffnen. Regionen, die heute dafür gefördert werden, agrarwirtschaftliche Nutzflächen stillzulegen oder bestimmte Nutzpflanzen anzubauen, wären auf zweckgebundene Subventionen nicht mehr angewiesen. Kulturlandschaftliche Pflege wäre möglich, ohne daß dazu eine Förderung erfolgen müßte. Jegliche unternehmerische Initiative wäre viel einfacher zu bewerkstelligen als heute, denn auf Basis des Grundeinkommens sind Löhne von der von der Funktion der Existenzsicherung befreit. Selbst dort, wo geringere Löhne als heute zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgehandelt würden, könnte das Einkommen in der Summe höher sein. Was hier gälte, würde gleichermaßen für jeden Bereich gelten, in dem Güter und Dienstleistungen in einer solchen Region hergestellt würden, aber ganz genaus in solchen, die keine Güter in diesem Sinne erzeugen, sondern Selbstzweck sind wie Kunst und Wissenschaft, Kultur im allgemeinen. Zweckgebundene Förderung, wie sie heute stattfindet, wäre zwar auch zukünftig möglich, doch würde sie nicht mehr darüber bestimmen, wo sich die Menschen, wenn sie eine solche Förderung erhalten wollten, zu engagieren hätten. Das Grundeinkommen gäbe die Freiheit, auch wenn die öffentliche Förderung andere Zwecke für wichtig erachtet als der Einzelne, sich dennoch dort zu engagieren, wo er es für wichtig und richtig hält.

Sascha Liebermann

Gerechtigkeit von "oben" oder Entmündigung durch Fürsorge

…diese Überschrift könnte man den Äußerungen von Andrea Nahles, Mitglied im SPD-Bundesvorstand, einst Kritikerin der Agenda-Politik des ehemaligen Bundeskanzlers Schröder, geben. In einem Gespräch mit Katja Kipping über den Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens hat sie sich zur gegenwärtigen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in aufschlußreicher Weise geäußert.

Schon der Auftakt ist bemerkenswert: Dieses Grundeinkommen wird es so niemals geben. Man kann ein Sozialsystem nicht gegen das Gerechtigkeitsempfinden der Mehrheit der Bevölkerung organisieren.

Zwar ist Frau Nahles hier in einer Hinsicht zuzustimmen: daß es nur die Sozialpolitik gibt, die wir wollen und uns gefallen lassen und eine bessere nicht ohne unser Engagement kommen wird. Doch geht sie dort zu weit, wo sie uns Bürgern dekretiert, was wir für gerecht zu halten haben. Denn der Ist-Zustand sagt nichts darüber, ob es nicht eine Mehrheit für das Grundeinkommen geben kann, wenn einmal eine breite öffentliche Diskussion in Gang gekommen ist. Sie ist ja schon auf dem besten Wege, denn im Unterschied zur bürgervergessenen Politik der etablierten Parteien findet die Diskussion zum Grundeinkommen dort statt, wo die Bürger sich auf gleicher Augenhöhe begegnen und ein Gemeinwesen über Neuerungen streiten muß: in der Öffentlichkeit. Betrachtet man, wo die Diskussion ungefähr vor drei Jahren begonnen hat und wo sie heute steht, wie die Parteien auf sie reagieren, dann spricht alles für einen Umschwung.

Weiter heißt es: Wer Leistungen von der Gemeinschaft erhält, muss auch eine Gegenleistung bringen. Sonst geht die Ausgewogenheit von Geben und Nehmen verloren.

Dies mag Frau Nahles Deutung von Gerechtigkeit sein, ist sie aber gerecht, bringt sie uns weiter, löst sie eines unserer Probleme? Vielmehr hat uns doch gerade diese Vorstellung in die Sackgasse von Hartz IV, von Aktivierung, Anreizen und Gängelung geführt. Wie ein Reflex auf verloren gegangene Gewißheiten wirkt das ängstliche Festhalten an der Maxime des Gebens und Nehmens, die für Frau Nahles klar definiert ist: Wer empfängt, muß sich alle Gängelungen – hier als „Fördern“ kosmetisch verpackt – gefallen lassen. Als würde nicht schon heute gegeben, ohne daß genommen würde, und zwar durch das vielfältige Engagement in allen für unsere Gemeinschaft wichtigen Bereichen, doch diese gelten uns nicht viel. Statt dessen soll es wohl Arbeitsdienste, Elternbeaufsichtigungsbehörden und einen Bürger-TÜV geben.

Der Kerngedanke von Hartz IV war und ist richtig. Kein Mensch darf auf alle Zeiten in die Sozialhilfe abgeschoben werden, sondern jedem muss man die Chance auf einen Arbeitsplatz eröffnen.

Diese Reaktion soll wohl ein Vorwurf an die Adresse der Grundeinkommensbefürworter sein. Sicher hängt es von der Höhe ab, welche Freiheit wir uns ermöglichen, doch Andrea Nahles zieht Fürsorge und Beaufsichtigung der Freiheit vor, sie kann die Freiheit, die ein Grundeinkommen eröffnet, gar nicht denken, würde sie sonst die Chance auf einen Arbeitsplatz nicht höher bewerten als die Freiheit, sich entscheiden zu können.

Das ist kein Grund, 40 Millionen Menschen staatliche Leistungen zu geben, obwohl sie die gar nicht brauchen. Wer denkt an diejenigen, die im Schweiße ihres Angesichts für wenig Geld arbeiten und trotzdem Steuern zahlen?

Dieser Einwand gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen wird ja auch von Grundeinkommensbefürwortern selbst erhoben, die bestimmen wollen, wer es braucht und wer nicht (siehe auch den Bericht zum Kongress „Wege aus der Armut“), wer bedürftig ist und wer nicht. Der Gedanke des bGE ist aber ein ganz anderer, es will mit der Bedürftigkeitsprüfung brechen, die immer eine Beaufsichtigung und Definition notwendig macht, damit auch Sanktionen erfordert. Wer also die Bedürftigkeitsprüfung überwinden will, muß für ein bGE plädieren, denn als Bürgereinkommen stellt es alle gleich, egal, über welche weiteren Einkommen sie verfügen. Nur, wenn alle es erhalten, ist mit der Idee, die das bGE trägt, ernst gemacht, nur dann anerkennen wir uns Bürger als Bürger ausdrücklich als Grundlage unseres Gemeinwesens.

Deshalb halte ich daran fest, dass jeder im Hier und Jetzt das Recht auf einen Arbeitsplatz behält.

Wer dies fordert, ist vom Arbeitsdienst nicht weit entfernt, auch wenn dieser Arbeitsdienst heute „Fördern und Fordern“ genannt wird. Andrea Nahles will das Tauschprinzip des Marktes, Gegenleistung nur für Vorleistung, zum allgemeinen Prinzip erheben, demzufolge alles bilanziert und aufgerechnet wird, aus dem Gemeinwesen wird ein Tauschbetrieb. All die Befürchtungen darüber, Bürger könnten durch ein Grundeinkommen „abgeschoben“ werden, sollen ganz offensichtlich nur verdecken, wie sehr ihr Blick auf Erwerbsarbeit als einzige wertzuschätzende Leistung festgelegt ist.

Mit Ihrem Grundeinkommen würden wir vielen Menschen den quasi offiziellen Status legitimierter Arbeitslosigkeit verleihen. Die Mehrheit der Menschen will aber arbeiten und etwas für andere tun, etwas produzieren, das Nutzen und Anerkennung bringt

Wenn die „Menschen“ nun ohnehin arbeiten wollen, dann bräuchten wir sie ja nicht weiter in den Arbeitsmarkt zu drängen und könnten darauf vertrauen, daß Erwerbsarbeit ein Ort des Engagements sein würde, zu dem ohnehin viele streben. Doch diesen Widerspruch bemerkt Frau Nahles gar nicht, also vertraut sie doch nicht wirklich in dieses Wollen der Bürger, könnte sie sonst ein bedingungsloses Grundeinkommen begrüßen.

Wer würde denn in Ihrer schönen Welt den Müll entsorgen? Das ist einer der härtesten Jobs, den wir in diesem Land haben…Mein Vater ist Maurer. Das macht er sehr gerne. Er produziert etwas, das er vorzeigen kann. Er fährt mit mir durch die Stadt und sagt, das habe ich gemacht, dort habe ich gearbeitet. Das ist befriedigend für ihn. Arbeit ist Sinn. Den gibt es auch außerhalb der Erwerbsarbeit, ja. Aber für viele Menschen ist Arbeit, auch harte Arbeit, sehr zentral im Leben.

Der Klassiker unter den Einwänden darf nicht fehlen, seine Überhöhung allerdings spricht Bände, sollten wir deshalb etwas „harte“ Arbeiten aufrechterhalten, wenn wir Maschinen einsetzen könnten? Nur, wer Arbeit als Mühsal und Last versteht, wie Frau Nahles, verehrt die körperliche Arbeit: Je anstrengender desto wertvoller ist sie. Würden wir heute noch so denken, gäbe es wohl keine Schulen, keine Universitäten, keine Wissenschaft, es gäbe keine Kunst und keine Tätigkeiten – denn die Leistungen, die dort erbracht werden, sind ni
cht so leicht, wenn überhaupt, sichtbar zu machen. Auch wenn die Müllentsorgung wichtig ist, wer würde das bestreiten, ist sie dennoch nicht wichtiger und „härter“ als andere Tätigkeiten. Dies anzuerkennen, davon ist Frau Nahles weit entfernt.

Ich gehe von den Leuten bei mir im Dorf in der Eifel aus. Die Menschen dort wollen und brauchen einen bezahlten Job, der sie ernährt.

Mit diesem Beispiel ließe sich auf wunderbare Weise aufzeigen, was ein bedingungsloses Grundeinkommen für strukturschwache Gebiete und Regionen leisten könnte. Statt dort künstlich Arbeitsmärkte durch zweckgebundene Subventionen zu schaffen oder durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Einkommensplätze bereitzustellen, würde das bedingungslose Grundeinkommen den Bürgern ein Einkommen zur Verfügung stellen und ihnen erlauben, in ihrer Heimat zu bleiben und sich zu engagieren, wo immer sie es für wichtig und richtig erachten. Sie müßten nicht wegen des Einkommenserwerbs ihre Heimat verlassen.

Statt Bürgerarbeit, wie sie neuerdings als Errungenschaft gefeiert wird, würde ein bedingungsloses Grundeinkommen Freiheit ermöglichen, auch Freiheit dazu, sich für die Müllentsorgung zu engagieren.

Sascha Liebermann