Autonomie, Gemeinschaft, Initiative – Zur Bedingtheit eines bedingungslosen Grundeinkommens

Unter diesem Titel hat Sascha Liebermann einen Beitrag zum bedingungslosen Grundeinkommen im Verlag KIT Scientific Publishing veröffentlicht. Das Studienheft steht zum Herunderladen bereit.

"Als Steuerzahler sage ich da 'Gute Nacht'" – Grundeinkommen im ZDF Nachtstudio

In der Sendung vom 31. Januar, die sich mit der Agenda 2010 beschäftigte, kam das Grundeinkommen (ab Minute 49) kurz zur Sprache. Schon früher kam im Nachtstudio die Rede darauf, so in einer Sendung vom Mai 2007 mit Hans-Olaf Henkel und Götz W. Werner. Ein Mitschnitt der Passage der jüngsten Sendung, in der es Thema war, findet sich auch bei Youtube.

Zweierlei ist überraschend. Zum einen zeigen sich Hans Ulrich Jörges und Christoph Keese informiert, sie kennen die Diskussion um das bGE sowie darin vorgebrachte Argumente. Gleichwohl sind sie nicht auf der Höhe der Argumentation, wie sich an ihren Ausführungen zeigt – der Moderator, Volker Panzer, war da besser informiert. Aber festhalten können wir: als Journalist muss man sich offenbar damit beschäftigen. Ines Pohl (taz), die die Sprache auf das Grundeinkommen brachte und offenbar das bGE meinte, warf aber ebenfalls manches durcheinander – vielleicht ist das dem Gesprächsgedränge geschuldet. Sie hebt damit an, über das Grundeinkommen zu sprechen, kommt dann auf das Problem von Zuverdienst und Anrechnung von Schonvermögen zu sprechen, da müsse nachgebessert werden. Das kann sich allerdings nur auf die heutige Grundsicherung beziehen, denn mit dem bGE soll es ja weder eine Anrechnung von Zuverdienst noch von Vermögen geben.

Interessant ist, wie offen und unverstellt die Vorbehalte gegenüber dem bGE benannt werden. Christoph Keese bemüht sich sogleich, die mögliche Diskussion über das Menschenbild abzuwehren – um eine solche Frage gehe es nicht. Gleichwohl greift er sie dann auf, um festzustellen, wie es darum bestellt sei. Immer, so Keese, wenn der Staat „Geld auf die Tischkante“ lege, werde es abgeholt, und es werde mehr abgeholt, als entgegengenommen (siehe zu dieser Behauptung auch „Kostgänger des Staates“).
Wer ist der Staat, müssen wir uns fragen, wenn nicht die Bürger selbst?! Weshalb sollten sie nicht nehmen, was das Gemeinwesen bereithält, damit ihr Auskommen gesichert ist? Er unterstellte natürlich, dass damit nichts Vernünftiges angestellt werde, Belege für seine Thesen blieb er schuldig. Wer Leistungen erhält, so können wir nüchtern festhalten, macht damit ja etwas. Gibt er sie aus, zahlt er Steuern, auch heute schon, und der Staat erhält seinen Anteil. Spart er einen gewissen Teil, landen sie auf der Bank. Allerdings: wer Leistungen bezieht (ALG I und II, Sozialhilfe), dem bleibt wenig, wohl eher nichts zum Sparen. Darüber verlor Herr Keese kein Wort.
Ehrenamtliche Tätigkeit sei schön und gut – auch hier ist er offenbar über ihr Ausmaß in keiner Form informiert, dass z.B. viele Einrichtungen gar nicht bestehen könnten, wenn es die Ehrenamtlichen nicht gebe -, doch für den Staat(!) sei sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entscheidend, sonst komme kein Geld in die Kasse. Das, so können wir hier sagen, liegt nicht am fehlenden Engagement der Bürger, sondern am Finanzierungsprinzip der Sicherungssysteme. Für den Staat, für das Gemeinwesen, ist Wertschöpfung entscheidend, nicht sind es Beschäftigungsverhältnisse. Den Beschäftigungssektor kann man künstlich aufblähen, indem man das Ehrenamt in ein Beschäftigungsverhältnis umwandelt. Was hätte die Gemeinschaft dadurch nun gewonnnen? Nur eine aufgemotzte Statistik, nicht aber Werte.

Hans Ulrich Jörges, der sich als kritischer Geist versteht, sei als Steuerzahler („als Steuerzahler sage ich da ‚Gute Nacht'“) nicht bereit, ein Grundeinkommen mitzufinanzieren, das bedingungslos gewährt werde. Es holten ohnehin die Falschen das Geld ab, so Jörges. Sind die Bürger im allgemeinen denn die Falschen, denn sie sollen das bGE ja erhalten (Volker Panzer warf an dieser Stelle zurecht ein, dass er, Jörges, es doch auch erhalte)? Diesen Zusammenhang hat er nicht begriffen und pflegt statt dessen das verbreitete Klischee von einem umfangreichen Missbrauch (auch eine solche Debatte gäbe es mit einem bGE ohnehin nicht). Zugleich hält er unausgesprochen am Bedürftigkeitsprinzip fest, denn nur es kennt ‚Richtige‘ und ‚ Falsche‘.
Selbst wenn ein bGE zum Sinken von Erwerbstätigkeit führte, so ein weiterer Einwand, wäre das nicht als solches ein Schaden, solange weiterhin Werte erzeugt würden – von ihnen hängt es ab, ob ein bGE möglich ist. Darüber hinaus wäre eine Reduktion der Erwerbstätigkeit zu begrüßen, wenn man bedenkt, wie sehr Familien unter dem Erwerbsdruck leiden.

Auf die vielfältigen Chancen, die ein bGE bietet, wurde kein Gedanke verschwendet, nur Ines Pohl äußerte sich hier aufgeschlossen.

Fazit: Wenn nun schon etablierte Journalisten sich des Vorschlags erwehren müssen, sind die Grundeinkommensbefürworter auf einem guten Weg.

Sascha Liebermann

"Der totalitäre Wohlfahrtsstaat" – Oskar Negt über das Grundeinkommen in "Kulturzeit" (3Sat)

Die gestrige Sendung von Kulturzeit beschäftigte sich u.a. mit der von einem Beitrag Peter Sloterdijks (in der FAZ) angestoßenen Diskussion um den Wohlfahrtsstaat. In einem Kurzinterview mit Oskar Negt zum Thema kommt auch die Sprache auf das „Grundeinkommen“ oder vielleicht eher die „Grundsicherung“? Nein, es ging doch um das bedingungslose Grundeinkommen, was jedoch nur deutlich wurde, weil die aufmerksame Moderatorin nachhakte.

Damit hat Oskar Negt seine Position revidiert, denn in 2004 äußerte er sich in der Frankfurter Rundschau noch anders: „Würde man nun das Grundeinkommen, das gewiss nicht üppig ausfallen dürfte, mit einem Honorar für Wahlbeteiligung verbinden – wäre das nicht eine Lösung des Apathie- Problems, das so viele Politiker beklagen?“ (Frankfurter Rundschau vom 30. Juli 2004).

Also doch ein niedriges Grundeinkommen und weshalb? Diese Antwort blieb Oskar Negt damals schuldig und auch nach der gestrigen Sendung ist nicht klar, ob es nun höher ausfallen darf, denn er betonte immer, wieviel sichdamit sparen ließe.

Sascha Liebermann

„Bedingungsloses Grundeinkommen : als Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft“ – Sammelband online

Unter diesem Titel ist nun ein von Manuel Franzmann herausgegebener Sammelband online verfügbar, der auf einen Workshop an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt im Juli 2006 zurückgeht.

"Politik muss notwendige Härte haben" – so Roland Koch

Nun sieht auch Roland Koch wieder die Stunde der „Abschreckung“ gekommen. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche vom 16. Januar äußert sich der der Hessische Ministerpräsident Roland Koch mit diesen Worten:

„Koch: …Was wir Arbeitslosenhilfe nennen, gibt es in den USA nur für Menschen mit Kindern und nie länger als fünf Jahre. In Deutschland gibt es Leistungen für jeden, notfalls lebenslang. Deshalb müssen wir Instrumente einsetzen, damit niemand das Leben von Hartz IV als angenehme Variante ansieht.
Frage: Wie soll das gehen?

Koch:
Wir müssen jedem Hartz-IV-Empfänger abverlangen, dass er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung einer Beschäftigung nachgeht, auch niederwertige Arbeit, im Zweifel in einer öffentlichen Beschäftigung. Dass er eben nicht bloß zu Hause sitzt.
Frage: Das werden die Hartz-IV-Empfänger als bedrohlich empfinden.

Koch: Es kann aber kein funktionierendes Arbeitslosenhilfe-System geben, das nicht auch ein Element von Abschreckung enthält. Sonst ist das für die regulär Erwerbstätigen, die ihr verfügbares Einkommen mit den Unterstützungssätzen vergleichen, unerträglich.“

Wer angesichts der Diskussion um die Regelsätze auf eine Abkehr von den Prinzipien von Hartz IV gehofft hat, wird damit eines Besseren belehrt. Zur Erinnerung: Roland Koch hatte sich schon 2001 dafür dafür eingesetzt, die Vergabe von Transferleistungen in Deutschland in Anlehnung an die Wisconsin Works-Programme zu gestalten. Die Regierung Schröder überholte ihn.

Überschätzt werden sollten die Äußerungen auch nicht: sie entsprechen der Gesetzeslage.

Sascha Liebermann

"Grundeinkommen…dass ist moralisch und sozialpolitisch verantwortungslos!" – so Sigmar Gabriel

So äußerte sich Sigmar Gabriel, SPD-Parteivorsitzender, im Chat zur Sendung Maybrit Illner vom 14. Januar. Hier die ganze Passage:

Conni220 (Gast): Kennen Sie die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens? Warum halten Sie an der Idee Mindestlohn fest??…

Sigmar Gabriel:… Ja, die kenne ich. Und ich halte sie für total falsch. Erstens haben wir ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es heißt Harz IV (anderer Name: Sozialhilfe). Es soll das Existenzminimum absichern und wird in seiner Höhe angepasst bzw. auch vom Bundesverfassungsgericht überprüft. Also geht es zweitens um ein höheres Einkommenn, wenn über ein bedingungsloses Grundeinkommen gesprochen wird. Man kommt aber auch heute bereits mit ALG II und Wohngeld plus eine Arbeitsgelegenheit auf 700 bis 750 Euro. Es gibt normale Arbeitsverhältnisse, wo netto weniger verdient wird. Ich finde: Esistenzsicherung ja. Aber Grundeinkommen , ohne dass gearbeitet werden muss, dass ist moralisch und sozialpolitisch verantwortungslos!“

(Zitat aus dem Chatprotokoll auf der Website der Sendung)

Im Sinne der Äußerungen von Ursula von der Leyen nimmt also der Druck auf Bezieher von Arbeitslosengeld nicht ab, er hält mindestens an.

Sascha Liebermann