„Radikal gerecht? Eine Kritik an Thomas Straubhaar“…

…von Ronald Blaschke, der sich schon seit vielen Jahren für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt und dabei eine bestimmte Position vertritt (siehe hier und hier). Das Papier gibt einen Einblick in Zeiten als Straubhaar noch Hartz IV (weitere Kommentare siehe hier) verteidigte und zum zehnjährigen Jubiläum die „Erfolge“ feierte. Ronald Blaschke hat auch einen hilfreichen Überblick über historische Vorläufer zum BGE verfasst, der manches korrigiert, was in vielen Abhandlungen dazu geschrieben wird.

Zur Historie eines Bedingungslosen Grundeinkommens – häufige Missverständnisse

In der öffentlichen wie akademischen Diskussion über das Bedingungslose Grundeinkommen werden immer wieder historische Verbindungslinien gesucht und hergestellt, die in die Irre führen. Das mag manchmal daran liegen, dass aus Beiträgen zitiert wird, in denen vermeintliche Vorläufer vorkommen, diese Darstellungen selbst aber nicht mehr mit den Quellen abgeglichen werden. Man vertraut eben auf andere, das ist eine manchmal hilfreiche Abkürzungsstrategie. Manchmal scheinen die Missdeutungen lediglich darauf zurückzugehen, dass zur sehr darauf geachtet wird, was „hinten ‚raus kommt“, also ein Mindesteinkommen, nicht aber wie dieses Mindesteinkommen bereitgestellt wird, ohne also die Bereitstellungspraxis zu betrachten (Bedarfsprüfung, Arbeitspflicht usw.). Ein solcher Fall ist z. B. Thomas Morus Utopia, wie Ronald Blaschke sehr deutlich gemacht hat. Blaschke hat sich mit weiteren Autoren befasst, wie z. B. Lady Rhys-Williams, um sie angesichts der Frage, wie sie denn nun zum BGE oder einer Vorform standen, einzuordnen (siehe hier und hier ab S. 9). Gut nachvollziehbar nutzt Blaschke dazu Originalquellen. Dass er dabei selbst manchmal eigenwillige Deutungslinien verfolgt, ist die Freiheit eines jeden Autors. Für die BGE-Diskussion ist die Darstellung hilfreich, damit nicht falsche Freunde zitiert werden.

Siehe z. B. auch:
„Speenhamland ≠ Bedingungsloses Grundeinkommen“
„Wie etwas loswerden, das man nicht haben will? Jürgen Borchert über das Bedingungslose Grundeinkommen“
„Milton Friedman, F. A. von Hayek, Negative Einkommensteuer und Bedingungsloses Grundeinkommen“ (und hier)

Sascha Liebermann

„Grundeinkommensexperimente in den Niederlanden?“

Kürzlich hatten wir auf einen Beitrag über die Experimente verwiesen, die in den Niederlanden bevorstehen sollen. Oft werden sie mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen in Verbindung gebracht, obwohl sie damit gar nichts gemein haben. Wir hatten vor längerer Zeit schon darüber berichtet. Angesichts der aktuellen Meldungen weist nun Ronald Blaschke auf der Website des Netzwerk Grundeinkommen ebenfalls darauf hin. Es geht dabei nicht um ein BGE, sondern um die Zuverdienstregelungen für Sozialhilfebezieher, diese sollen verändert werden. Blaschke zitiert den Präsidenten der Vereniging Basisinkomen: „‚Grundsätzlich hat das Experiment nichts mit einem Grundeinkommen zu tun“, so Alexander de Roo, Präsident der Vereniging Basisinkomen in den Niederlanden. Es handelt sich lediglich um die Möglichkeit des anrechnungsfreien Dazuverdienens für Sozialhilfebeziehende, nicht um ein Grundeinkommen für alle Bürgerinnen und Bürger. Nichtsdestotrotz sind die Parteien in Bewegung – schließlich erstellen sie gerade ihre Wahlprogramme für die Nationalwahl im März. „Wir hoffen, dass danach Grundeinkommensexperimente möglich werden“, erklärt de Roo weiter.“

„Chaos Podcast“ – eine Diskussionrunde mit Befürwortern und Kritikern des Bedingungslosen Grundeinkommens

Eingeladen hatte dazu der Spiegelfechter, genauer dort: Joerg Wellbrock, der neben Jens Berger, Gründer des Spiegelfechters und heute hauptamtlich Redakteur der Nachdenkseiten, für die Website verantwortlich ist. Als Befürworter waren Daniel Häni (grundeinkommen.ch), Ronald Blaschke (Netzwerk Grundeinkommen und Mitglied der Partei Die Linke) und Jörg Gastmann (Bandbreitenmodell) eingeladen – als Kritiker Jens Berger und Roberto De Lapuente (ad sinistram). Letztere hatten in den vergangenen Jahren wiederholt das BGE kritisiert, siehe meine Kommentare zu Jens Berger hier (Originalbeitrag, auf den ich mich beziehe, ist beim Spiegelfechter nicht mehr zugänglich), hier und hier, zu Roberto De Lapuente hier. Da es, den Kommentaren zufolge, auch um die Aufhebung der Sanktionen im Sozialgesetzbuch, also eine repressionsfreie Grundsicherung, gegangen sein soll, dazu verschiedene Kommentare von mir hier. Den Podcast kann ich nicht kommentieren, da ich noch keine Gelegenheit hatte, ihn mir anzuhören. Unter dem Blogpost bei Spiegelfechter gibt es einige Kommentare, an denen womöglich abgelesen werden kann, wie die Diskussion verlaufen ist. Manch hämische Bemerkung lässt darauf schließen, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung von den Kritikern doch nicht so ernsthaft gewollt gewesen sein könnte. Aber, machen Sie sich selbst ein Bild.

Sascha Liebermann

Podiumsdiskussion zum Bedingungslosen Grundeinkommen vom 1. März online

Link zur Piratenpartei NRW
Zur Diskussion über Jugendarbeitslosigkeit an der EuWiKon 2013 mit Sascha Liebermann

Frühere Kommentare von Sascha Liebermann, die manche in der Diskussion angesprochene Frage betreffen:

Zur Behauptung „Da würden Frauen sich eher von ihren Männern trennen“
Zur Frage Grundeinkommen und Nachhaltigkeit: „Erwerbsarbeit, Konsum und das Bedingungslose Grundeinkommen – ein vernachlässigter Zusammenhang“
Zur Frage „Bedingungsloses Grundeinkommen und direkte Demokratie“
Zu Digitalisierung und Bedingungsloses Grundeinkommen
Zu „Feldexperimente zum Grundeinkommen – Nutzen oder Schaden?“
Zu „Die Rolle der Gewerkschaften in einer Grundeinkommensgesellschaft“
Zur Frage ob Grundeinkommen ein Menschenrecht ist oder sein soll

„Das Speenhamland-System – eine Art garantiertes Grundeinkommen?“…

…so fragt Ronald Blaschke in einem Beitrag beim Netzwerk Grundeinkommen und bezieht sich dabei auf eine anhaltende Diskussion darüber, ob „Speenhamland“ nicht exemplarisch für ein Bedingungsloses Grundeinkommen und auch sein Scheitern stehe. Vor etwa eineinhalb Jahren schrieb ich dazu folgendes:

„…Die Speenhamland-Gesetzgebung im England des frühen 19. Jahrhunderts wird häufig als Beleg dafür bemüht, wohin es führen könne, wenn die Armen durch ein Mindesteinkommen unterstützt werden. Doch, war das durch die Gesetzgebung gegeben? Wer mit solchem Aplomb auftritt, wie Borchert es in seinem Buch tut, sollte den Forschungsstand zur Kenntnis genommen haben. Selbst ein schneller Blick bei Wikipedia (deutsch, englisch) hätte ihn zur Vorsicht mahnen müssen. Für seine Einschätzung verweist Borchert auf die Ausführungen Karl Polanyis in „The Great Transformation“ (1944). Dieser kritisierte zwar die bisherige Rezeption „Speenhamlands“, verließ sich aber gleichermaßen wie andere auf die historischen Quellen. Die herausragende dazu war ein Bericht der „Royal Commission“ über die Folgen von Speenhamland aus dem Jahre 1834, also kurz nachdem die Gesetzgebung aufgehoben wurde. Ein Artikel von Fred Block und Margret Somers, „In the Shadow of Speenhamland“ (2003), der online zugänglich und leicht auffindbar ist, hat sich mit der Rezeption der Speenhamland-Gesetzgebung und ihrer Ergebnisse in der dazu verfügbaren Literatur befasst. Sie legen in ihrem Beitrag ausführlich dar, wie schlecht die Datenlage zu Speenhamland ist, wie lückenhaft die Dokumentation, wie sehr die spezifische Situation Folge der Industrialisierung und einer wirtschaftlichen Problemlage im Süden Englands ist. Weiterhin gab es keine einheitliche Gesetzgebung, die von Speenhamland als Ganzem reden ließe und deswegen auch keine einheitliche Umsetzung. Darüber hinaus zeigen sie, wie sehr der Bericht der „Royal Commission“, auf den sich bezogen wird, mit feststehenden Theoremen arbeitete und lediglich auf Befragungen einzelner Personen in den jeweiligen Gemeinden (parishes) beruhte. Um ein BGE im heute diskutierten Sinne ging es gar nicht, allenfalls wäre der Begriff Kombilohn treffend. Zuletzt ist es ein Anachronismus, die Situation zur Zeit Großbritannies im frühen 19. Jahrhundert mit der heutigen in Deutschland zu vergleichen, eine Feudalstruktur mit einer demokratischen…“ (Zum Originalbeitrag, siehe auch hier)

Sascha Liebermann

Ein anderer Blick auf historische „Vorläufer“ eines Grundeinkommens

Das Netzwerk Grundeinkommen hat bisher zwei Beiträge von Ronald Blaschke veröffentlicht, in denen er sich häufig als Vorläufer eine Argumenation für ein Grundeinkommen eingstufte Autoren näher anschaut. Bislang hat er sich mit Thomas Morus und Juan Luis Vives befasst. In den Beiträgen finden sich auch Literaturhinweise.

„Grundeinkommen. Von der Idee zu einer europäischen politischen Bewegung“ – Buch erschienen

Einer weiteres Buch zum Grundeinkommen ist nun erschienen herausgegeben von Ronald Blaschke, Adeline Otto und Norbert Schepers, Grundeinkommen. Von der Idee zu einer europäischen politischen Bewegung. Hamburg: VSA-Verlag/ Rosa-Luxemburg-Stiftung. Der Band steht zum Herunterladen bereit.

Weiteres Buch zum Grundeinkommen bei VSA im September

Im VSA Verlag erscheint im September ein Buch zum Grundeinkommen, das von Ronald Blaschke, Adeline Otto und Norbert Schepers herausgegeben wird:

Grundeinkommen. Von der Idee zu einer europäischen politischen Bewegung
Mit einem Vorwort von Katja Kipping
In Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Das Buch wird kostenfrei zum Herunterladen bereitgestellt.

„Grundeinkommen. Geschichte – Modelle – Debatten“ – sorgfältige Lektüre geboten

Vor einigen Monaten hatten wir auf eine Neuerscheinung zum Grundeinkommen hingewiesen, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert wurde. Das Buch Grundeinkommen. Geschichte – Modelle – Debatten, herausgegeben von Ronald Blaschke, Adeline Otto und Norbert Schepers, steht als Volltext online. Der Band will einen Überblick sowohl über die Vorläufer des heute diskutierten bedigungslosen Grundeinkommens geben als auch über die deutsche Debatte. Ein anspruchsvolles Vorhaben angesichts der zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema. Dass hierfür selektiv vorgegangen werden muss, versteht sich von selbst, einen Anspruch auf vollständige Berücksichtigung zu erheben, wäre vermessen, und der Band erhebt ihn auch nicht.

Wie geht der Band, hier die Beiträge von Ronald Blaschke, vor? Verschiedene Vorschläge werden nach Kategorien sortiert und eingeordnet. Diese Kategorien wiederum leuchten manches Mal ein, so z.B. dass ein zu niedriges bGE nicht erlaubt, auf Erwerbstätigkeit zu verzichten. Andere Kategorisierungen jedoch entspringen der Werthaltung des Autors, nicht aber dem bedingungslosen Grundeinkommen als solchem. Wenn z.B. Vorschläge eines bGE, die auf Mindestlöhne und Arbeitszeitverkürzung verzichten, als neoliberal eingestuft werden (in Anlehnung an Thomas Löding, siehe S. 232), dann unterliegt dieser Einordnung eine bestimmte politische Bewertung (siehe meine Kritik „Schlagworte, Polemik, Kampfbegriffe“). Irreführend ist auch die willkürliche Rezeption von Argumenten. Zwar ist es missverständlich, wenn Götz W. Werner immer wieder einmal davon spricht, das bGE wirke lohnsubstitutiv, oder gar davon, dass Unternehmen die Löhne um diesen Betrag kürzen könnten. Zugleich jedoch macht er meist deutlich, welche Folgen ein bGE für Unternehmen hätte. Sie sähen sich verhandlungsstarken Bewerbern und Mitarbeitern gegenüber, denn Löhne müssten ausgehandelt werden (so z.B. in Einkommen für alle, S. 100 f.).

Verwunderlich sind solche sinnentstellenden Zitate und Einordnungen. Sollen bestimmte Befürworter in eine entsprechende Ecke gestellt werden? Den Eindruck kann man gewinnen. Von einem Band, der damit wirbt, einen Überblick über Modelle und Debatten zu geben, darf man erwarten, dass er analytisch klar kritisiert und auf widersprüchliche Äußerungen von bGE-Befürwortern aufmerksam macht. Tendenziöse Darstellungen hingegen, in denen unliebsame Äußerungen nicht zitiert werden, weil sie der Einordnung widersprächen, sprechen für sich.

Sascha Liebermann