Zahlreiche Artikel zum Bedingungslosen Grundeinkommen in den Medien – eine Auswahl

Angesichts der sich in den Medien überschlagenden Berichterstattung über die Volksabstimmung in der Schweiz finden Sie hier eine Auswahl weiterer Beiträge der letzten Tage:

 

 

„Albtraum Schauspieler“…und das Bedingungslose Grundeinkommen

…“Es gibt kaum einen Berufsstand, in dem Traum und Wirklichkeit weiter auseinanderklaffen als bei Schauspielern. Selbst bekannte Akteure leben oft von der Hand in den Mund“. Ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung.

Wir haben in den vergangenen Jahren wiederholt auf die Lage der Film- und Fernsehschaupieler hingewiesen, weil in kaum einem Beruf die Diskrepanz zwischen Bekanntheitsgrad und beruflicher Sicherheit so groß ist. Der Bundesverband deutscher Film- und Fernsehschaupspieler, der in dem Beitrag genannt wird, insbesondere Michael Brandner und Michael Fitz, hat Sympathien für ein Bedingungsloses Grundeinkommen.

„Vergesst das bedingungslose Grundeinkommen“…

…so ist der Beitrag von Rainer Hank in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung übertitelt (siehe auch die zahlreichen Kommentare dazu). Ähnlich, eher warnend, Nikolaus Piper in der Süddeutschen Zeitung: „Das bedingungslose Grundeinkommen ist verführerisch und gefährlich“. Rainer Hank hatte vor einigen Jahren einmal mit Götz W. Werner im Radio diskutiert, im SWR 2 Forum „Lob der Knappheit“ (Audiomitschnitt), das war aufschlussreich. Und sein Beitrag nun? Eher eine Verzweiflungstat.

„Ein Ladenhüter kommt wieder ins Schaufenster: das bedingungslose Grundeinkommen…“

So beginnt der Beitrag. Lässt das noch eine differenzierte Argumentation erwarten? Kaum, wie die folgende Passage deutlich macht:

„Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens (hier der Kürze wegen „Begru“ genannt) hat eine seit Jahren wachsende Gemeinde; ihr Prophet ist der dm-Gründer Götz Werner. Dessen Argumente sind verführerisch: Wir leben heute, nach all unseren wirtschaftlichen Erfolgen, in paradiesischen Zeiten. Deshalb können wir die Menschheit vom Fluch der Arbeit befreien. Jeder kann tun, was er will, so wie es Karl Marx verheißen hat. Morgens jagen, mittags fischen, abends Viehzucht treiben. Dem ein oder andern würden vermutlich noch ein paar andere Verrichtungen des genussvollen Zeitvertreibs einfallen.“

Abgesehen davon, dass Götz W. Werner durchaus Argumente für das BGE vorbringt, werden die zahlreichen Befürworter weder als Bürger, noch als Laien oder Wissenschaftler, national wie international, zur Kenntnis genommen. Hank hat sich einen bestimmten Gegner ausgesucht, um sich an ihm auslassen zu können. Damit soll das BGE abgestempelt werden, nur Einfältige, die sich verführen lassen, können an ihm etwas finden.

Doch, wer betrachtet Arbeit denn als Fluch oder besser: als Leid? Nicht die BGE-Befürworter per se, auch Werner nicht. In den Wirtschaftswissenschaften hingegen ist die Theorie des Arbeitsleids fester Bestandteil des Theoriekanons, weswegen der Lohn als Entschädigung und als „Anreiz“ gilt, um sie trotz des Arbeitsleids zu verrichten. Deswegen sehen diejenigen, die in dieser Modellvorstellung denken, das größte Problem des BGEs darin, dass es die Bereitschaft, das Leid auf sich zu nehmen, senke. Folglich kann es nur Schaden anrichten. Wer diesem Modell anhängt, kann nicht anders. Sind die Sektenanhänger nicht vielleicht eher dort zu finden?

Und weiter:

„Ach so, die Finanzierung der Wohltat? Damit gibt sich die Begru-Sekte weniger intensiv ab als mit den utopischen Träumen. Angesichts eines Bruttosozialprodukts von 2500 Milliarden Euro werden 1000 Euro für jeden doch noch drin sein, meint Götz Werner lakonisch. Liberale, die von der Begru-Idee gelegentlich auch betrunken werden (dann „Bürgergeld“ genannt), schwärmen von einer aufkommensneutralen Finanzierung: Kehren wir doch einfach alle Sozialleistungen zusammen, dann wird am Ende das Geld schon da sein.“

War das schon die Auseinandersetzung mit der Finanzierungsfrage? Na denn. Gar nicht erst ignorieren.

Kommt noch etwas?

„Die neue Debatte über das Begru indessen ist eine Ausgeburt der Angst, nicht der Befreiung. Wenn künftig Computer Auto fahren, Roboter die Alten füttern und die Bankberatung von Algorithmen gemacht wird, bleibt am Ende für die Menschen außer ein bisschen Haareschneiden nichts mehr zu tun. Mit Horrorszenarien der Massenarbeitslosigkeit überbieten sich auch seriöse Forscher. Jeder zweite Job könnte durch Automatisierung und Digitalisierung vernichtet werden, drohen zwei mittlerweile weltberühmt gewordene Oxford-Ökonomen. Das würde die Ungleichheit dramatisch weiten und soziale Kriege zur Folge haben, heißt es. In solchen Szenarien dient das Begru dann als Beruhigungspille für das Heer der Wegrationalisierten.“

Bei aller Polemik trifft Hank einen wunden Punkt der jüngsten Begeisterung für das BGE aus dem Geiste der Digitalisierung. Die Szenarien davon, wie weit die Automatisierung reichen wird, sind eben Szenarien. Es reicht allerdings auch nicht, sie einfach abzutun, denn ein Gegenargument liefert Hank nicht. Ein Blick auf die Entwicklung des Arbeitsvolumens in Deutschland (siehe die Überlegungen von Manuel Franzmann sowie den Beitrag von Gerhard Schildt (2010): „Die Abnahme der Arbeitszeit – ein säkularer Trend“, in:  Franzmann, Manuel (Hrsg.) Bedingungsloses Grundeinkommen als Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft. Weilerswist: Velbrück Wissenschaf, S. 127-166, URL: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2010/7436/) muss einem mindestens zu denken geben.

Dabei ist die Verknüpfung von BGE und Digitialisierung, wie von Anbeginn diejenige mit dem „Ende der Arbeit“, irreführend und missverständlich. Wenn Hank die Befürwortung als eine bezeichnet, die aus der Angst um den Verlust der Einkommensplätze erwächst, trifft er die Befürworter, die diese Verknüpfung machen. Das BGE degeneriert zur Reparaturleistung (siehe hier und hier), denn, sollte dieser Trend einmal sich umkehren, dann würde das BGE, konsequent gedacht, wieder überflüssig. Will man eine von der Arbeitsmarktentwicklung eigenständige Herleitung bilden, muss sie anders ansetzen, und zwar auf einfache Weise: an den Grundfesten der Demokratie, der Stellung der Staatsbürger im Gemeinwesen und den Grundrechten.

Weiter geht’s:

„Übergeht man einmal alle Blauäugigkeit der Schlaraffenlandfinanzierung, so bleibt ein kardinaler Denkfehler. Die Menschen wollen arbeiten; sie wollen nicht von der Arbeit befreit werden. Denn Arbeit ist an Sinn- und Glückserfahrung gebunden; in der Entäußerung finden Menschen zu sich selbst. Mag sein, dass dies nur „gesellschaftlich antrainiert“ wurde, wie die Begru-Freunde behaupten. Aber dann dauert dieses Training immerhin schon seit jenen Tagen, als wir aus dem Paradies geflogen sind. “

Das BGE spricht kein Erwerbsverbot aus, damit platzt der Einwandballon. Will Hank etwa behaupten, Arbeit sollte nicht erledigt, sollte sie etwa nachhaltig gesichert werden, damit sie bleibt? Das würde gegen Automatisierung sprechen. Dann würde Erwerbsarbeit zu einer Beschäftigungsmaßnahme, die genau deswegen ihres Inhalts beraubt würde (siehe auch hier). Wenn bezahlte Arbeit an „Sinn- und Glückserfahrung“ gebunden ist, wie Hank schreibt, dann wäre doch die Frage zu beantworten, woraus Sinn und Glück sich ergeben? Wollen Menschen arbeiten, wenn sie darin einen Sinn erkennen oder wollen sie es immer, ganz gleich, um welche Arbeit es sich handelt? Dazu sagt Hank nichts. Dass der Stellenwert von Erwerbsarbeit nicht zu verstehen ist, ohne die kollektive normative Bewertung, liegt auf der Hand. Sie ist historisch jung und keineswegs eine Sache, die seit der Vertreibung aus dem Paradies gilt. Die „Entäußerung“ wiederum, als Voraussetzung dafür, Erfahrungen machen zu können, ist nicht auf Erwerbsarbeit beschränkt, das wäre also auch kein Einwand gegen das BGE, wenngleich ein wichtiger Punkt, um deutlich zu machen, weshalb Menschen in der Regel nach Erfahrungsmöglichkeiten suchen.

Wie geht es weiter?

„Mehr noch: Menschen brauchen bezahlte Arbeit. Denn was nichts kostet, ist bekanntlich auch nichts wert. Im Preis, der für die Arbeit gezahlt wird – in den Löhnen, Gehältern und Gewinnen der Unternehmer – spiegelt sich die Wertschätzung, die andere für die Arbeit aufbringen.“

Wenn es so wäre, wie die ersten Sätze behaupten, weshalb engagieren sich Menschen bei der Freiwilligen Feuerwehr, Pflegen Verwandte und Freunde oder kümmern sich um die Familie? Gilt die Hank’sche Theorie der Wertschätzung hier nicht? Die Verengung, die er vornimmt, würde aber erklären, weshalb diese nicht-bezahlten Tätigkeiten gemacht werden, in ihrer kollektiven Wertigkeit aber stets hinter Erwerbsarbeit zurückstehen, obwohl sie ebenso unerlässlich sind.

„Intrinsische Motivation und extrinsische Anerkennung sind komplementär. Die Welt nach dem Sündenfall ist eine Welt der Knappheit – kein Drama, sondern ein Segen: denn an der Knappheit erkennen wir die Hierarchie der sich wandelnden Bedürfnisse. Es ist die Knappheit, nicht das Begru, die uns kreativ und produktiv werden lässt.“

Dass Knappheit so gedeutet wird, wie Hank meint, setzt eine Kultur voraus, die eine bedürnisgemäße und gerechte Güterverteilung für wünschenswert erachtet. Wir haben es also schon mit spezifischen Gerechtigkeitsvorstellung zu tun, die dieser Deutung zugrundeliegen. Und wie verhält es sich mit weitreichenden Kulturleistungen wie Wissenschaft und Kunst? Sind sie entstanden, um Knappheit zu bewältigen? Woran bilden sich Solidarität und Zusammenhalt? Ein Lehrbuchmodell wird hier auf den Tisch geworfen, das nichts erklärt.

Dass die Unterscheidung von intrinsisch und extrinsisch misslich und missverständlich ist, sei hier nur angemerkt. Dass intrinsische Motivierung auf Dauer nicht ohne Anerkennung sich erhalten kann, da ist etwas dran. Wer für sein Handeln, gar für sich als Person, was noch bedeutsamer ist, nie Wertschätzung erfährt, den wird das zermürben. Bildungsprozesse können daran scheitern. Doch diese Anerkennung muss nicht in Bezahlung sich ausdrücken, Bezahlung kann ihren Wert ebenso zerstören. Ehrenamtliche wollen ja gerade kein Geld für ihr Engagement, Eltern brauchen frei verfübare Zeit, wenn sie sich den Kindern und sich einander widmen wollen – da nützt alles Geld nichts, wenn sie diese Zeit nicht haben bzw. sie sich nicht nehmen. Und die politische Vergemeinschaftung von Staatsbürgern: wer bezahlt die denn? Und dennoch ist Loyalität zum Gemeinwesen weitgehend selbstverständlich.

Sascha Liebermann

„Begrabt es endlich“ – die Süddeutsche Zeitung ist genervt….

…, dass ein Ende der Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht absehbar ist. Dabei ist doch so klar, dass es nicht funktionieren kann, wie der Artikel von Thorsten Denkler zu zeigen meint. Oder wollt er nur einmal so richtig provozieren?

Nach kurzer Einleitung geht es gleich zur Sache (Im Originalartikel sind etliche Verweise enthalten, die ich hier nicht übernommen habe):

„Okay, es ist nicht nett, jetzt sofort mit dem dicksten Hammer zu kommen. Aber es geht nicht anders. Selbst hartgesottene Befürworter eines BGE gehen für Deutschland von immensen Kosten aus: bis zu 1,5 Billion Euro pro Jahr. Je nach Höhe des BGE. Das Problem ist nämlich, dass das BGE nicht nur die bekommen sollen, die es nötig haben. Sondern alle. Also auch der Fabrikant, der Zahnarzt mit seiner Villa am Stadtrand, der Vorstandsboss von Siemens.“

Die Genervtheit bricht sich Bahn, gleich zu Beginn. Wo liegt denn nun das Problem? Selbst der Höchstbetrag ist rein theoretisch gesprochen noch keines, die Frage ist, was ein Gemeinwesen haben will, was es für wünschenswert und für vernünftig hält? Entsprechend würde das Verhältnis zwischen Volkseinkommen und BGE sich anders darstellen als in der Zuspitzung. Wenn ein Gemeinwesen sich dazu entscheiden sollte, einen so großen Teil des Volkseinkommens über ein BGE zu verteilen und nur einen geringen Teil für Löhne/ Gehälter vorzusehen, muss das Gemeinwesen eben für die Konsequenzen gerade stehen, ganz gleich wie sie ausfallen. Wie in etlichen Ausführungen dazu schon dargelegt, soll das BGE in die Einkommensverhältnisse hineinwachsen und nicht einfach oben drauf gesetzt werden.

„Nur so zum Vergleich: Alle Ausgaben des Bundes zusammengerechnet belaufen sich auf gerade einmal 300 Milliarden Euro. Selbst wenn Bund, Länder und Gemeinden ihre jährlichen Ausgaben auf einen Haufen werfen, kommen nur 790 Milliarden Euro zusammen.
Andere Zahlen, noch deutlicher: 2013 betrug das gesamte Volkseinkommen in Deutschland 2,128 Billionen Euro. Würde das Grundeinkommen, wie von vielen BGE-Freunden ernsthaft gefordert, 1500 Euro pro Person und Monat betragen, würde mehr als die Hälfte des Volkseinkommens vom BGE aufgefressen, eben 1,5 Billionen Euro.“

Fordern lässt sich Vieles. Es bleibt dabei, dass das Gemeinwesen als Ganzes darüber zu befinden hat. Selbstverständlich muss es auch finanzierbar sein, wer würde das bestreiten wollen. Warum also die Aufregung? Sie scheint eher daher zu rühren, dass das BGE dem Autor so etwas von zuwider ist („aufgefressen werden“), dass ein Nachdenken über positive Auswirkungen schon von daher nicht sein darf.

„Die BGE-Befürworter kommen jetzt gerne mit dem Argument um die Ecke, dass der Staat ja schon jetzt Sozialausgaben von gut 800 Milliarden Euro trage. Die würden einfach in BGE umgewandelt. Der Rest ließe sich leicht über Steuererhöhungen eintreiben.
Lassen wir uns für einen Moment darauf ein: 1500 Euro im Monat kosten zusammen gut 1,5 Billionen Euro, wir sagten es bereits. Abzüglich 800 Milliarden Euro Sozialkosten müssten noch 700 Milliarden Euro über Steuererhöhungen finanziert werden. Schon das ist eine stolze Summe.“

Ein Befürchtungsszenario zum Verschrecken, so ist das wohl gedacht, deswegen werden immer nur auf die 1,5 Billionen Euro Bezug genommen. Das Gemeinwesen wird über die Einführung als solche, über die Höhe und über die Besteuerungswege, mittels derer die Mittel herangeschafft werden, befinden müssen. Wenn es für ein solch hohes BGE keine Mehrheit geben wird, dann wird es ein solch hohes BGE nicht geben. Ganz einfach.

Ich überspringe den nächsten Absatz und gehe gleich zum Schlusspassus:

„Die Steuer- und Abgabenlast liegt heute schon im Schnitt bei 50 Prozent. Ohne Verbrauchssteuern. Sie würde sich mit BGE vermutlich auf 80 bis 90 Prozent erhöhen. Klar, machbar ist das. Aber wer will dann noch arbeiten gehen?
Gut, den einen oder anderen wird es sicher geben, der sich nicht mit dem BGE zufrieden gibt, der mehr will, der richtig reich sein will. Oder der seinem Leben in der Erwerbsarbeit einen Sinn geben will. Aber warum noch arbeiten, wenn eine vierköpfige Familie vom Staat 4000 Euro oder mehr netto geschenkt bekommt? Da muss der Job schon verdammt viel Spaß machen, um nicht sofort zu kündigen.“

Die Sorgen oder Befürchtungen des Autors könnte er mit seinem Schlusssatz aufheben. Wer etwas wirklich gerne macht, was die beste Basis dafür ist, etwas gut zu machen, den interessiert das Einkommen nicht, sofern es mindestens dazu ausreicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken, die er decken will. Abgesehen davon geht es beim BGE um etwas, dass das Gemeinwesen als Gemeinschaft von Bürgern an seine Angehörigen ausschüttet und an diejenigen, die einen Aufenthaltsstatus in seinem Territorium inne haben. Es ist als eine Leistung der Gemeinschaft an seine Angehörigen und hebt nicht die Frage auf, wie der Einzelnen zum Wohlergehen derselben beitragen kann und will.

Sascha Liebermann