So stark die Formel auch klingt „Sozial ist, was Armut abschafft“, gibt es Gründe für Armut, die mit Einkommensmangel nichts zu tun haben. Es wird immer Bürger geben, die trotz aller Unterstützung schwer mit dem Alltag zu ringen haben, immerhin aber wüssten sie, dass es ein BGE regelmäßig gäbe und sie als die, die sie sind, damit anerkannt würden. Deswegen müssen nicht nur Sanktionen aufgegeben werden, das Erwerbsgebot steht der Würde im Weg.
…und berichtet in Zeit Online (Bezahlschranke) über ihre Erfahrungen mit Bewerbungsgesprächen, zu denen Bezieher von Arbeitslosengeld II durch die Sanktionsmöglichkeiten gedrängt werden. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu (siehe auch hier und hier), es gab sie auch schon zu Zeiten des Arbeitsamtes vor der „Agenda 2010“, an Bedeutung hat sie nichts verloren:
„Ich glaube, da gibt es einen konkreten Fehler im System: Wieso sollen Menschen zu Bewerbungsgesprächen gehen, wenn sie den Job eigentlich nicht wollen? Auch die Firma hat nichts davon, wenn sie jemanden anstellt, der oder die keine Lust hat, dort zu arbeiten. Es wäre viel sinnvoller, sich mit den Arbeitssuchenden zusammenzusetzen und zu fragen, was demjenigen liegt. Dazu fehlt den Arbeitsvermittlerinnen leider aber oft die Zeit – wobei der rechtliche Rahmen dazu ja möglicherweise gerade geändert wird.“
Bedingungsloses #Grundeinkommen:
Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung haben die gleiche existenz- und teilhabersichernde finanzielle Basis.
Benötigte Leistungen aufgrund einer Behinderung können von dieser demokratischen Basis aus beantragt werden. #BesserBGEhttps://t.co/wazNgrdVOb
Kernpunkt! Entweder misstraut man (als Ordo) dem Wahlvolk und den Politikern, oder nicht. Wenn man misstraut und gegen unverantwortliche „zu hohe“ Schulden eine Schuldenbremse fordert, wieso traut man dann, mit knappem Geld plötzlich verantwortungsvoll und langfristig umzugehen? https://t.co/zDWxcsPO7P
…hier geht es zum Beitrag, der meinem Eindruck nach schon früher einmal gesendet wurde. Dass auch hier wieder behauptet wird, dass finnische Grundeinkommensexperiment sei vorzeitig beendet worden, verwundert angesichts der umfangreichen Berichterstattung. Siehe unsere Beiträge zum Experiment in Finnland hier.
…und er fragt, wie man die Leute dazu „bekomme“, „intrinsisch motiviert“ zu sein. Das aber genau ist paternalistisch, wenn man jemanden dazu „bekommen“ will, etwas Bestimmtes zu tun bzw. eine bestimmte Haltung zu haben.
Dass man sich warm anziehen muss, wenn man in eine Talkshow eingeladen wird, kann niemanden überraschen, es soll dort möglich sein, Kontroversen auszufechten. Das kann lehrreich sein und deutlich werden lassen, worin die Eigenheiten einer Position bestehen. In der gestrigen Sendung war Cansin Köktürk eingeladen, die allerding auch nicht damit gespart hat, auszuteilen. Sie ist Sozialarbeiterin und Mitglied von Bündnis 90/ Die Grünen. Grund der Einladung war offenbar eine Rede, in der sie das Sondierungspapier kritisierte.
Als Sozialarbeiterin verfügt sie über Erfahrung mit „Familien mit multiplen Problemlagen“. Dass sich Lanz über die Begrifflichkeit mokiert, zeigt nur, dass er mit der Fachsprache nicht vertraut ist. Frau Köktürk berichtete aus ihrer Erfahrung, den Wirkungen von Sanktionen, den Beschwernissen, die ihre „Klienten“ haben – Lanz nannte sie „Leute“ – und machte deutlich, dass die auf sanktionsbewehrte Leistungen gestützte Sozialpolitik für ihre Klienten nicht hilfreich sei (siehe auch hier und hier). Leider verquickte sie die Berichte aus ihrer Erfahrung mit ihrer Einschätzung zum Ergebnis der Bundestagswahl und anderen Fragen, was dazu führte, von der eigentlich brisanten Frage abzukommen.
„…erstmal die Ursachen verstehen…Die Leute haben keine Sicherheit. Wenn wir den Leuten eine Sicherheit geben würden, dann würden sie sich auch viel mehr entfalten; dann würden sie den Sachen nachgehen, die sie..lieben“
Auf Hinweis eines Lesers dieses Blogs bin ich auf zwei weitere Beiträge aufmerksam geworden, in denen die Frage auftaucht, die gegenwärtig Verwirrung stiften kann, wie denn nun von Sanktionen Abschied genommen werde könne im „Bürgergeld“, zugleich aber eine moralische Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit fortbestehen solle. Norbert Walter-Borjans hat sich dazu ebenso geäußert wie Christoph Butterwegge, Walter-Borjans im Interview mit der Augsburger Allgemeinen, Butterwegge in einem Beitrag für Jacobin.
Was sagt Walter-Borjans im Interview?
„Die SPD hat intern lange unter Agenda2020 und den Hartz-IV-Reformen gelitten. Jetzt soll aus dem Arbeitslosengeld II ein Bürgergeld werden. Wird das nur ein schönerer Name oder ändert sich etwas für die Betroffenen?
Walter-Borjans: Für das neue Bürgergeld wird die Formel gelten: höher, einfacher und unterstützender. Bei der Höhe muss man die Regelsätze überprüfen, wie bedarfsgerecht sie sind. Einfacher bedeutet, dass es nicht sein darf, dass Menschen ein Anrecht haben, aber oft an bürokratischen Hürden scheitern. Vieles kann automatisierter mit weniger kompliziertem Aufwand laufen. Menschen sollen nicht als Bittsteller dastehen, um an ihr Existenzminimum zu kommen, ihnen steht wie jedem und jeder der Respekt als Bürger und Bürgerinnen zu. Unterstützend heißt, dass der Staat seine Fürsorge für diesen Bereich der Gesellschaft wirklich ernst nimmt. Wir müssen andere Wege als existenzgefährdende Sanktionen finden, damit Menschen ihre Mitwirkungspflicht erfüllen. Sie dürfen weder in eine Parallelgesellschaft geschoben werden, noch sich selber dahin abseilen können. Sie sind Teil der Allgemeinheit, haben aber auch eine Mitwirkungspflicht für diese Allgemeinheit.“