„Arbeite mit, regiere mit“…

Peter Neumann rezensiert auf Zeit Online das neue Buch von Axel Honneth und schreibt am Ende:

„Ein Unbehagen bei der Lektüre bleibt dennoch. Von dem Staatsrechtler und ehemaligen Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde ist das berühmte Diktum überliefert, dem zufolge der moderne, freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann. Auch ihm möchte Honneth nun ausdrücklich widersprechen, wenn er sagt, dass der Staat durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen durchaus darauf einwirken kann, ihm zuwiderlaufende Verhaltensmuster in der Gesellschaft zu unterbinden. Etwa indem er zu „staatlichen Dienstverpflichtungen“ greift, die eine „zeitlich befristete Einschränkung“ unserer liberalen Freiheiten zulassen, beispielsweise wenn es um gemeinwohlorientierte Tätigkeiten in der Kindererziehung, der Alten- und Krankenpflege geht. Ob aber so ein starker Staat, den Honneth sich wünscht, noch viel mit der Souveränität seiner arbeitenden Subjekte zu tun hat, möchte man am Ende eines langen Arbeitstags dann doch gerne wissen.“

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„Politiken der Arbeit“

Die Zeitschrift Merkur hat einen Beitrag Axel Honneths mit diesem Titel veröffentlicht, dabei handelt es sich um einen Auszug aus seinem neuen Buch „Der arbeitende Souverän“. Da der Beitrag sich hinter einer Bezahlschranke befindet, kann hier nur soviel dazu gesagt werden, dass Honneth – wie schon in anderen Ausführungen – die entscheidende und für alles bestimmende Form sozialer Kooperation in der Erwerbsteilnahme (Arbeitsteilung) erblickt. Ein BGE führe folglich dazu, diese Kooperationserfahrung nicht zu machen bzw. gar den Zusammenhalt im Gemeinwesen zu gefährden, weil ja niemand mehr am Erwerbsleben teilnehmen müsse (eine Pflicht sieht er nicht vor). Welche Solidarerfahrungen in familialen Beziehungen, im bürgerschaftlichen Engagement und als Bürger eines Gemeinwesens gemacht werden, entgeht Honneth vollkommen, ohne zu erklären, weshalb er sie nicht einbezieht. Die sogenannte unbezahlte Arbeit fehlt völlig in dem Beitrag. An etlichen Stellen hat man den Eindruck, dass der Bürger als vereinzeltes, geradezu atomisiertes Wesen verstanden wird, das jeweils erst eine Kooperationserfahrung machen müsse und es dazu der Erwerbstätigkeit bedürfe, obwohl die entscheidenden Erfahrungen, die überhaupt jemanden erst befähigen, später an erwerbsbezogenen Kooperationen teilzunehmen, gerade nicht in Erwerbsverhältnissen gemacht werden. Die Bedeutung der Sozialisation hierfür taucht in dem Beitrag überhaupt nicht auf, vielleicht ist das im Buch an anderer Stell der Fall. Ingesamt überrascht doch die Einseitigkeit und reduktionistische Betrachtung politischer Vergemeinschaftung, in der es ja nicht bloß um einen Rechtsstatus geht, sondern um ein Lebensgefüge sozialer Praxis, eine Gemeinschaftsbildung eben.

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„Das Ziel:…“

Siehe zu dieser Frage auch diese Beiträge hier.

„Die Messung von Einkommensarmut“…

…ein Beitrag von Johannes Steffen auf der Website des Portal Sozialpolitik, der deutlich macht, wie voraussetzungsvoll solch vermeintlich einfache Messgrößen wie das Armutsrisiko sind. Zur Bestimmung solcher Größen müssen Standards formuliert werden, deren Festlegung eine praktische Entscheidung erfordert. Deutlich wird das z. B. in dieser Passage:

„60 Prozent des so bestimmten durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens bilden nach gängiger Konvention die Armutsgefährdungs- oder Armutsrisikoschwelle; Konvention deshalb, weil die 60-Prozent-Marke auf einer plausiblen Setzung und nicht auf einer wissenschaftlichen Herleitung beruht. Setzt man die Zahl der Personen mit einem Nettoäquivalenzeinkommen von unter 60 Prozent des Medians rechnerisch ins Verhältnis zur Grundgesamtheit, so erhält man die Armutsgefährdungs- oder Armutsrisikoquote. Deren Veränderung im Zeitverlauf gibt Auskunft über die Entwicklung des Armutsrisikos. Sinnvoll ist ein solcher Vergleich natürlich nur, wenn Methodik und Datenquelle über die Zeit unverändert bleiben.“

Sascha Liebermann

„…dass der Mensch und seine Entscheidung im Mittelpunkt stehen…“…

…eine treffende Charakterisierung. Dazu gehört auch eine solche Äußerung, die von Unternehmern sonst kaum zu vernehmen ist:

„Ich muss wirklich sagen, dass ich dieses Gerede von der Schaffung neuer Arbeitsplätze langsam nicht mehr hören kann. Warum wird dem so wenig widersprochen? Die Wirtschaft hat nicht die Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen. Im Gegenteil. Die Aufgabe der Wirtschaft ist es, die Menschen von der Arbeit zu befreien. Und das ist uns in den letzten 50 Jahren ja auch grandios gelungen.“

In: Stuttgarter Zeitung (2005): Die Wirtschaft befreit die Menschen von der Arbeit, 150, 2. Juli 2005, S. 13, http://www.archiv-grundeinkommen.de/werner/StZ-Interview-Goetz-Werner.pdf

Siehe dazu auch hier, hier und hier sowie unseren Nachruf zu seinem Tod vor etwas mehr als einem Jahr.

Sascha Liebermann

Das Sozialgericht und die „Anreize“

Es ist doch überraschend, wie simpel und krude hier offenbar das Gericht argumentiert. Das entspricht der undifferenzierten Rede von „Anreizen“, die sich in den vergangenen Jahrzehnten ausgebreitet hat und die mittlerweile zur Alltagssprache gehört. Würden die Beweggründe für Entscheidungen etwas differenzierter betrachtet, wäre klar, dass man mit diesem Begriff dem realen Leben nicht beikommt.

Siehe auch die Behauptungen rund um die sogenannte Armutsfalle.

Sascha Liebermann

Zielungenauigkeit bedürftigkeitsgeprüfter Leisungen – und die Erwerbsnorm?

Es ist immer ehrenwert, darauf hinzuweisen wie zielungenau der erwerbszentrierte Sozialstaat ist, was aber wäre die Alternative? BGE Eisenach benennt die einzige, die hieraus einen Ausweg bietet (bei allen Lockerungen die auch in der Erwerbszentrierung denkbar wären, aber nicht aus dem Dilemma hinausführten).

Siehe frühere Beiträge von unserer Seite zur Zielungenauigkeit hier, zur verdeckten Armut hier.