„Care-Arbeit“ – wie abgrenzen?

Monika Bütler, Professorin an der HSG St. Gallen, gab der Neuen Zürcher Zeitung ein Interview anlässlich der bevorstehenden Volksabstimmung über eine Reform der AHV (Alten- und Hinterbliebenenversicherung der Schweiz) am 25. September. In wenigen Passagen geht es darin auch um „Care-Arbeit“, diese seien hier kommentiert:

„[NZZ] Könnte man die unbezahlte Arbeit – Kinderbetreuung, Altenpflege, Nachbarschaftshilfe – mit Geld abgelten?

[MB] Alle reden von Care-Arbeit, doch niemand definiert, was das genau ist. Wenn ich für meine Familie koche, ist das schon Care? Ich finde nicht. Ein zweiter Punkt: Welche Care-Arbeit fällt in den privaten Bereich, welche Tätigkeit geht den Staat etwas an? Drittens: Wie soll Care abgegolten werden? Alles ist auch eine Wertefrage.“

Bütler stellt drei Fragen. Die erste ist für sie schnell beantwortet, das Kochen für die Familie zähle nicht dazu, ohne zu erläutern, worin der Unterschied besteht. In der Diskussion um unbezahlte Arbeit wird dieser Unterschied gemeinhin durch das Drittpersonenkriterium definiert, was allerdings methodische Probleme aufwirft. Unmittelbar anschließend stellt sie eine weitere, aber anders gelagerte Frage, und zwar nach der Zuständigkeit. Die dritte zielt auf die Abgeltung. Wie aber löst sie diese Fragen, die auch Wertfragen sind, auf? Was wird nun aus der privaten Sorgetätigkeit?

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Langfristige Entwicklung der Vermögensverteilung

Nachholbedarf

Vermutlich wird der ehemalige Gewerkschaftsvorsitzende auf der Linie eines Ver.di-WiPo-Papieres argumentieren, exemplarisch hierfür Ralf Krämer. Und der Unternehmer Falk Röbbelen? Er könnte Argumente vorbringen wie einst Götz W. Werner (siehe auch hier), dass es die Aufgabe der Wirtschaft sei, „die Menschen von der Arbeit zu befreien“. Er könnte aber auch aus dem BGE eine Sparvariante machen, wie es immer wieder einmal bei Thomas Straubhaar anklingt.

Sascha Liebermann

Nachvollziehbarer Vorschlag von Bartsch, an „Bedürftigkeit“ orientiert…

…, nicht aber zuerst am Bedarf, der davon zu unterscheiden ist. Insofern ist der Hinweis von Susanne Wiest ganz treffend, Bedarfe können auch anders gedeckt werden, zumindest der Grundbedarf, und zwar durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Bedarfe, die darüber hinaus gehen, benötigten weiterhin eine Prüfung. Hier meinen manche, dann gäbe es doch keinen Unterschied zwischen der heutigen Lösung und dem BGE. Dabei wird verkannt, dass ein Sozialstaat mit BGE die Bedarfsprüfung auf ein anderes normatives Fundament stellt. Im Zentrum stünde stets die Wahrung oder Unterstützung von Autonomie, nicht, wie heute, die Erwerbsteilnahme bzw. Prüfung auf Nicht-Teilnahme. Während im Falle eines BGEs die Bedürftigkeitsprüfung also dazu dient, die Autonomie angemessen zu unterstützen, steht im heutigen System die Erwerbsteilnahme als Ziel im Zentrum, deswegen muss Erwerbsunfähigkeit auch erst festgestellt werden. Aus dieser Orientierung an Erwerbsteilnahme als Gebot, als Norm, folgt die strukturelle Stigmatisierung der Leistungsbezieher in dem Sinne, dass sie dem Gebot nicht entsprechen. Eine weitere Folge ist die Degradierung aller Leistungen „außerhalb“ des Erwerbssystems, denn diese muss man sich dann erst leisten können. Ein BGE würde also mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denkt man an die letzten Jahre zurück, hätte es sowohl in der Pandemie sofort seine Wirkung entfaltet im Sinne einer verlässlichen Basiseinkommenssicherung als auch angesichts drastisch steigender Energiepreise im kommenden Winter. Ein BGE sichert zwar auch in Krisen ab, reicht jedoch weit darüber hinaus.

Sascha Liebermann

„Aber hatte nicht das Bundesverfassungsgericht …? Hat es nicht“…

Wegen der aktuellen Diskussion um ein „Bürgergeld“ sei hier an die Kommentierung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 durch Stefan Sell erinnert, der die ganze Widersprüchlichkeit deutlich macht. Sie führt dazu, dass verschiedene Dinge aus diesem Urteil abgeleitet werden können, auch der vollständige Leistungsentzug, ebenso aber, dass das Grundgesetz keine Sanktionen verlangt, der Gesetzgeber sie aber einführen kann.

Sascha Liebermann

„Caring Societies“ – ganz ohne Grundeinkommen, das Wort scheint nicht einmal im gesamten Buch vorzukommen…

…, ist das einfach nur abseits dessen, was im Band thematisiert wird oder wird es einfach nicht als Möglichkeit gesehen, „Care“ auf eine andere Grundlage zu stellen?

Sascha Liebermann