„Der Sozialstaat wird vom Kopf auf die Füße gestellt“

Siehe das Interview mit Wolfgang Strengmann-Kuhn von der Expedition Grundeinkommen. Siehe meinen Beitrag mit einem ähnlichen Tenor hier.

Sascha Liebermann

Integration bezogen worauf?

Die Antwort von BGE Eisenach macht auf ein Missverständnis aufmerksam, das in dieser Diskussion immer wieder anzutreffen ist und mit einer Verunklärung des Demokratiebegriffs einhergeht. Dass es stets die Rechtsgemeinschaft der Bürger ist, die Rechte garantieren und ihnen zur Durchsetzung (mittels Gewaltenteilung) verhelfen muss, ist unstrittig. Während aber die Bürger als Bürger die Rechtsordnung tragen, bewegen sich Erwerbstätige als Erwerbstätige nur in ihrem Geltungsbereich, sind aber weder deren Legitimationsquelle noch ihr Träger. Während den Bürgern als Individuen ein Status zukommt, der ihnen nicht genommen werden kann, kann nicht nur jeder Erwerbstätige diesen Status verlieren, er muss ihn auch verlieren können, weil Erwerbstätigkeit kein Selbstzweck ist, die Gemeinschaft der Bürger ist aber Selbstzweck. Dass schon T. H. Marshall, auf den der Begriff „industrial citizenship“ zurückgeht, hier missverständlich argumentierte, macht die Sache nicht besser, immerhin aber wird bei ihm deutlich, dass das System von Kollektivrechten in Arbeitsverhältnissen nicht von denjenigen konstituiert wird, die diese Rechte zugleich in Anspruch nehmen. Deutlich wird die Vermischung bzw. Verkürzung dieses Zusammenhangs in der Kurzfassung eines Vortrags von Bettina Kohlrausch. Dort heißt es z. B.:

„Diese Rechte leiten sich vom Status der Erwerbstätigkeit ab. Sie schaffen Strukturen, aus denen sozialer Zusammenhalt entstehen kann, und sie garantieren soziale Anerkennung. Es mag pathetisch klingen – aber Erwerbsarbeit hilft uns selbst zu sehen und anderen zu zeigen, welchen Platz wir in dieser Gesellschaft eingenommen haben.“

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Alles gesagt…

…was es zur jüngeren Diskussion zu sagen gibt. Ob nun die Bürger „infantilisiert“ auf den Staat blicken, sei dahingestellt, zumindest gestehen sie sich selbst etwas anderes nicht zu, infantilisieren sich damit wenn schon selbst. Und was wäre „anstrengungsloser Komfort“, wo es um das soziokulturelle Existenzminimum geht?

Sascha Liebermann

„Respekt zollen“?

Es reichte vollkommen aus, schlicht einmal anzuerkennen, dass dieses Bestreben als selbverständlich gelten kann und – wie etliche Studien schon berichtet haben – keineswegs ungewöhnlich ist. Nur wenn man der Auffassung ist, es sei eine besondere Leistung, den Grundsicherungsbezug verlassen zu wollen bzw. durch einen Zuverdienst ergänzen zu wollen, kann man auf den Gedanken kommen, es müsse „Respekt“ gezollt werden. Apropos: diejenigen, die keinen solchen Zuverdienst anstreben, haben dafür gute Gründe, auch das ist bekannt (siehe z. B. schon in dieser Untersuchung). Statt „Respekt [zu] zollen“ wäre schon viel gewonnen, wenn Klischees bzw. Vorurteile nicht weiter gepflegt würden.

„Zuverdienstmöglichkeiten“ –  diese Diskussion wäre mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen von gestern, aber das scheint für die ach so leistungsorientierte FDP nicht relevant zu sein.

Sascha Liebermann

„Argumentationen gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen“ – eine Empfehlung für das Sommerloch

Ein Grundeinkommen nur für jene mit niedrigen Einkommen?

Elli von Planta, eine der Initianten der aktuellen Eidgenössischen Volksinitiative zum Bedingungslosen Grundeinkommen, äußerte sich in einem Interview für die Plattform elleXX, das interessant zu lesen ist. Überraschend ist folgende Passage:

„[elleXX] Wie sieht euer Konzept aus?

[von Planta] Das Grundeinkommen soll wie eine Versicherung gegen Armut, Abhängigkeit und Angst wirken. Erhalten sollen es nur jene, die kein oder ein sehr tiefes Einkommen haben. Besonders profitieren würden Frauen, denn die Care-Arbeit würde endlich wahrgenommen und gewürdigt. 55 Prozent der geleisteten Arbeit in der Schweiz wird heute unentgeltlich erbracht. 96 Prozent dieser unbezahlten Arbeit betrifft die Haus- und Betreuungsarbeit. Unsere Gesellschaft und Wirtschaft könnten gar nicht existieren ohne diese Care-Arbeit.“

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