„Gleiches Geld für alle?“ – Grundeinkommen bei Aktion Mensch

„Kann das Bedingungslose Grundeinkommen der Schlüssel zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe für Menschen mit Behinderung sein? Das wird schon lange kontrovers diskutiert. Unsere Autoren legen das Für und Wider dar.“ Mit dieser Einleitung wird eine Diskussion über Pro und Contra des Bedingungslosen Grundeinkommens auf der Website der Aktion Mensch eröffnet. Der Pro-Beitrag stammt von Martina Steinheuer, die sich schon vor vielen Jahren sich zur dieser wichtigen Frage geäußert hat.

Weitere Mitstreiter für ein Bedingungsloses Grundeinkommen im Kölner Treff?

In der Sendung Kölner Treff des WDR-Fernsehens war Michael Bohmeyer zu Gast und wurde zu seiner Aktion mein-grundeinkommen befragt. In der Runde stieß das Grundeinkommen auf wohlwollende Unterstützung, vielleicht sind damit weitere Mitstreiter dazu gekommen, die an prominenter Stelle dafür werben werden. – Kürzlich hatte ich ein Interview von Michael Bohmeyer kommentiert, in dem er sich in meinen Augen auf missverständliche Weise von der „klassischen Grundeinkommenscommunity“ abgegrenzte. Er erwähnte darin auch „Kritik“ an seiner Aktion, die er, so konnte man das verstehen, für nicht angemessen hielt, obwohl er sowohl in dem Interview als auch in der Sendung des WDR den Lotteriecharakter seiner Aktion deutlich machte. In einer Lotterie steht nicht die Würde des Menschen im Zentrum, sondern die dem Zufallsprinzip folgende Bestimmung von Gewinnern und Verlierern. Es wäre nicht gewagt zu behaupten, dass dies genau das Gegenteil davon ist, was ein BGE erreichen will.

Sascha Liebermann

„Bezahlung ist nicht alles“…

…so ist ein Interview in der Badischen Zeitung mit Michael Bohmeyer übertitelt. Zwei Passagen seien hier kommentiert, weil sie bemerkenswert sind.

In der ersten heißt es:

„BZ: Innerhalb weniger Monate haben mehr als 17 500 Leute gespendet. Warum geht Ihre Aktion so durch die Decke?

Bohmeyer: Jeder, der sich anmeldet, kann mitmachen. Man muss also nicht spenden, um an der Verlosung teilzunehmen. Und ich spreche nicht nur die klassische Grundeinkommenscommunity an: Unser Durchschnitts-User ist 29 Jahre alt…“

Wer ist die „klassische Grundeinkommenscommunity?“ Die Diskussion ist seit ihrem erneuten Beginn in 2004 sehr heterogen, sowohl was die verschiedensten Milieus als auch die Altersgruppen betrifft. Darüber mag die mediale Berichterstattung hinwegtäuschen, die sich auf wenige Aktive beschränkt oder dazu tendiert, die Idee bestimmten Parteilagern oder Personen zuzuordnen. Wovon grenzt sich Bohmeyer ab?

„…Von der Community gab’s eher Kritik: Das sei kein echtes Grundeinkommen, nicht hoch genug, nicht für alle und zeitlich begrenzt. Meine Kampagne ist nicht explizit politisch, ich möchte nur, dass die Leute etwas ausprobieren können.“

Worin bestand diese Kritik denn? Bohmeyer hat zu Beginn seiner Aktion ausdrücklich gesagt (siehe hier), dass es sich nicht um ein echtes BGE handele und einige Kommentare auf der Website hielten das damals ebenso fest wie auch solche von außerhalb der „community“. Diese „Kritik“ hat ganz sachliche Gründe. Ein einjähriges, nach dem Zufallsprinzip vergebenes Stipendium, das eine Spendergruppe finanziert, ist etwas anderes, als eine dauerhafte Gewährung über die Lebensspanne durch ein Gemeinwesen. Bohmeyers Aktion ist nahe an einer Lotterie, in die viele einzahlen und wenige den Zuschlag erhalten. Folglich sind auch die Schlussfolgerungen, die aus den Erfahrungen mit einem einjährigen Stipendium gezogen werden können nicht mit denen gleichzusetzen, die aus einer dauerhaften Gewährung erwachsen (siehe hier).

Gegen Ende heißt es:

„Wir wollen erst einmal 100 Grundeinkommen finanzieren. Toll wäre, wenn irgendwann jeder in Deutschland jemand kennt, der jemand kennt, der schon einmal unser Grundeinkommen bekommen hat, und sagt: Mensch, das hat ja geklappt, dabei war der doch immer so ein fauler Hund. Wir nennen das Freie Radikale: Leute, die ein Jahr freigesetzt sind vom normalen System. Das hat so eine Kraft – die möchte ich entfalten. Ich glaube, dass Veränderung nur über Geschichten stattfinden kann.“

Diese Überlegung hat Charme, sie setzt auf Erfahrung statt auf Argumente. Es kann vermutlich nicht davon ausgegangen werden, dass eine breite Mehrheit vor allem über Argumente erreicht wird, weil nicht jeder sich so intensiv damit befasst, wie es dafür notwendig wäre. Allerdings ist die Macht des Arguments wiederum nicht zu unterschätzen, denn nur Argumente führen zu einer Klärung, die allgemeinen Charakter hat. Wer sich einmal intensiver mit dem BGE befasst hat, kennt die Folgen: es führt kein Schritt in die Zeit zurück, bevor man sich damit befasst hatte, man kann es allenfalls verleugnen.

Erfahrungen hingegen sind immer persönliche, sie bleiben mit der Person verbunden, die sie gemacht hat, sie werden nur für sie zur Evidenz. Das kann dazu führen, dass sie am Einzelfall hängen bleiben ganz im Sinne davon, dass ich jemanden kenne, der…, ohne von dort auf die Allgemeinheit zu schließen. Diese Allgemeinheit ist aber notwendig, um das BGE als Regel und nicht als Ausnahme zu verstehen. Ob die Aktion von Michael Bohmeyer zur Verbreitung des BGE führt oder in der Lotterielogik stecken bleibt, ist schwer zu sagen. Es hat sich um diese Aktion offenbar eine eigene Community gebildet. Was daraus werden kann, entscheidet sich daran, ob das BGE in die Welt hinausgetragen wird, über die mein-grundeinkommens-community hinaus.

Sascha Liebermann

Günter Wallraff im Widerspruch

Der stern berichtet über die jüngste Sendung des Rechercheteams um Günter Wallraff auf RTL. Das System Jobcenter soll dort aufgedeckt worden sein. Hier ein Auszug:

„Absurd. Ein anders Wort gibt es für diese Szene nicht. Durch ein Dorf in Süddeutschland führen einige Langzeitarbeitslose Lamas an der Leine. Ja, genau, die spuckenden Lastentiere aus Südamerika sollen in einer Maßnahme, wie es bei der Bundesagentur für Arbeit heißt, zu einem Job verhelfen. Die Arbeitssuchenden sollen nicht Lama˗Führer werden. Die Tiere haben eigentlich keinen nachvollziehbaren Nutzen bei der Jobsuche. Es ist absurd ˗ ein Wort, welches das Journalistenteam während der ganzen Recherche begleiten wird…“.

Wie steht denn Günter Wallraff zu Alternativen, wie steht er dazu, auf solche Einrichtungen wie Jobcenter mit Beaufsichtigungs- und Rechtsdurchsetzungsfunktion zu verzichten? Wenn er das alles für falsch hielte, müsste er dann nicht für ein Bedingungsloses Grundeinkommen plädieren, um gerade aus der Arbeitslosenanimierungs-, verwaltungs- und sanktionsmaschinerie herauszukommen? Er müsste, doch er tut es nicht, er lehnt es ab (siehe hier) – wie andere auch, die die gegenwärtige Sozialpolitik zwar heftig kritisieren, aber nichts von einer wirklichen Befreiung davon wissen wollen. Solange Einkommenssicherungsleistungen wie Arbeitslosengeld und Sozialhilfe nur als Notfallleistungen betrachtet werden, für die Ansprüche erworben oder Arbeitsbereitschaft gezeigt werden muss, solange wird dieser Unsinn fortbestehen, denn er geht auf den Vorrang von Erwerbstätigkeit vor jeglichem anderen Engagement zurück. Es ist heutzutage schon beinahe ein Heimspiel, die Sanktionspraxis der Jobcenter zu kritisieren, solche Artikel gibt es zuhauf, ernst wird es erst, wenn über Alternativen gesprochen wird.

Sascha Liebermann