BIEN’s 30th Anniversary Reunion – Videos available

Das Basic Income Earth Network feierte in diesem Jahr sein dreißigjähriges Bestehen Nun sind Videoaufzeichnungen einiger Veranstaltungen über die Website der Basic Income News online verfügbar gemacht worden. Auch gibt es aus diesem Anlaß ein E-Mail-Interview mit Philippe van Parijs von Kate McFarland.

„Basic Income Experiment 2017-2018“ – die finnische Sozialversicherungsanstalt Kela informiert…

…“The amount of the basic income remains the same throughout the experiment, and it is not reduced by any other income the participant may have. Participants who find work during the experiment continue to be paid a basic income. An amount equal to the basic income is deducted from certain social security benefits paid to participants.“

Hier geht es zur Website von Kela

Siehe „Free Cash in Finnland. Must Be Jobless“ (New York Times) und „Warum Finnland ein bedingungsloses Grundeinkommen einführt“ (bento)

Siehe Sascha Liebermanns Kommentare zu Feldexperimenten

„Our automated future“ – wieder eher ein Bedrohungs-Szenario…

…im Beitrag von Elizabeth Kolbert, im New Yorker, angesichts etwaiger Folgen der Digitalsierung. An einer Stelle heißt es:

„Ford worries that we are headed toward an era of “techno-feudalism.” He imagines a plutocracy shut away “in gated communities or in elite cities, perhaps guarded by autonomous military robots and drones.” Under the old feudalism, the peasants were exploited; under the new arrangement, they’ll merely be superfluous. The best we can hope for, he suggests, is a collective form of semi-retirement. He recommends a guaranteed basic income for all, to be paid for with new taxes, levelled, at least in part, on the new gazillionaires.“

Ob die Digitalsierung nun diese Folgen haben wird, sei dahingestellt, es wird sich zeigen. Doch weder ist Technologienutzung ein Selbstläufer, noch muss sie eine Bedrohung sein. Ihre Nutzung lässt sich gestalten, man sollte die Klugheit der Praxis nicht unterschätzten, und über genaue diese Nutzung ließe sich viel gelassener nachdenken, wenn diese Bedrohung nicht in der massiven Substituierung menschlicher Arbeitskraft erkannt wird. Wo Menschen sind, gibt es Aufgaben und Probleme zu bewältigen, darüber müssen wir uns keine Sorgen machen. Und wenn Technologienutzung sinnvoll ist, dann könnte sie eine Befreiung darstellen, eine Befreiung zu Aufgaben, die Automaten nicht übernehmen können. Auf der Basis eines Bedingungslosen Grundeinkommens könnte darüber, wie wir leben wollen, gelassener diskutiert werden – mit und ohne Digitalisierung.

Siehe auch „Digitization makes Basic Income necessary? Why a supposedly strong argument is a weak one“ und „Digitalisierung – wo bleibt der Mensch?“.

Sascha Liebermann

„Der Mensch schafft sich ab“ – eine Überschätzung der Digitalisierung

Die Diskussion um etwaige Folgen der Digitalisierung hält an, da niemand genau weiß, was auf uns zukommt, jedoch technologische Möglichkeiten Veränderungen in einem Ausmaß bergen könnten, das verunsichert. Alexander Hagelüken widmet in der Süddeutschen Zeitung dieser Thematik einen längeren Beitrag mit einem irreführenden Titel. Er schließt seine Betrachtungen mit folgendem Abschnitt:
 
„Es gibt eine bessere Idee als ein Grundeinkommen
Als Antwort auf diese absehbare Spaltung der Gesellschaft findet vermehrt ein Grundeinkommen Anhänger. Doch es ist nur eine zweitbeste Idee, da ein Grundeinkommen Almosen ist, das sich jederzeit widerrufen lässt. Wer den Wohlstand des Maschinenzeitalters wirklich gerechter verteilen will, sollte die Arbeitnehmer an den Gewinnen der Unternehmen beteiligen. Als Aktionäre mit breit gestreuten Anlagen, nach einem Konzept, das noch formuliert werden muss, vielleicht in Form staatlich kontrollierter Fonds, die Profis managen.

Kein Zweifel: Der digitale Kapitalismus könnte eine Schlagseite bekommen, die unsere Gesellschaften bis zur Unkenntlichkeit verändert. Arbeiteraktionäre wären eine erzkapitalistische Antwort mit sozialem Impetus, die ein solches Drama verhindern könnte. Sie bedeuten eine Verteilung der Macht, keine Almosen. Kein Wunder, dass die Silicon-Valley-Millionäre, die ihre Macht nicht schmälern wollen, lieber das Grundeinkommen favorisieren.“

Wie kommt der Autor darauf, dass ein Grundeinkommen „ein Almosen“ sei? Ist jede Form der Finanzierung öffentlicher Aufgaben dann ein „Almosen“? Almosen sind freiwillige Hilfeleistungen aus Mildtätigkeit, so das verbreitete Verständnis, in religiösen Zusammenhängen allerdings gelten sie durchaus als Pflicht – eine Pflicht ohne Rechtscharakter allerdings. Wenn darin das entscheidende Kriterium besteht, wäre ein Grundeinkommen gerade kein Almosen, da es Rechtscharakter erhalten soll. Und weshalb soll es problematisch sein, dass ein Grundeinkommen sich widerrufen lässt? Jede Leistung innerhalb eines Gefüges sozialer Sicherung lässt sich widerrufen in dem Sinne, dass sich Gesetze ändern lassen. Das gilt grundsätzlich ebenso für Eigentümsansprüche an Unternehmen in Gestalt von Aktien. Für diese Form soll dann, so seine Überlegung, der Staat die Kontrolle übernehmen. Warum dann nicht für ein Grundeinkommen?

Schlussfolgerungen, die keine sind, kann man da nur festhalten. Ein Grundeinkommen, ein bedingungsloses, wäre eben etwas, das durch ein Gemeinwesen garantiert werden muss, in der Tat als Rechtsanspruch.

Sascha Liebermann

„Welche Kinderarmut soll es denn sein?“ – Stefan Sell zur aktuellen Berichterstattung

Sein Beitrag findet sich in seinem Blog Aktuelle Sozialpolitik. Hier der Anfang:

„Natürlich sind solche Zahlen und dann auch noch Kinder betreffend unangenehm: Insgesamt ist die Zahl der unter 15-Jährigen, die auf Hartz IV angewiesen sind, im vergangenen Jahr gestiegen. Etwa jedes siebte Kind in Deutschland ist von Hartz-IV-Leistungen abhängig, konnte man am 1. Juni 2016 in diesem Beitrag lesen: Ein Teil der armen Kinder im Blitzlicht der Medienberichterstattung, erneut die Abwertung von Geldleistungen und jenseits der Sonntagsreden sogar weitere Kürzungen ganz unten ante portas. 2015 waren im Schnitt 1,54 Millionen unter 15-Jährige betroffen. Das waren gut 30.000 Kinder und Jugendliche mehr als im Vorjahr. In Bremen und Berlin ist mit 31,5 Prozent fast jedes dritte Kind unter 15 Jahren von Hartz-IV-Leistungen abhängig (Ende 2015). Prozentual am wenigsten Betroffene gibt es in Bayern mit 6,5 Prozent.
Man muss berücksichtigen, dass hier nur ein Teil der Kinder aufgeführt wird, die in einkommensarmen Verhältnissen leben (müssen), denn die Gruppe der Hartz IV-Empfänger ist nur eine Teilgruppe der von Einkommensarmut „gefährdeten“ Menschen, wie das die Statistiker nennen….“.

„…die allermeisten, nein – manche Menschen würden sich ziemlich entspannt zurücklehnen…“…

…meinte der Unternehmer Jochen Schweizer in dieser Sendung bei Maischberger vom 23. November über das Bedingungslose Grundeinkommen (ab Minute 54’35). Seine Äußerung ist interessant, denn, was er zuerst vollmundig behauptet („die meisten“), nimmt er dann wieder zurück („manche“). Damit widerspricht er sich unmittelbar selbst (ganz ähnlich wie Christian Lindner, FDP). Dieser konkreten Äußerung voraus geht folgende:

„Ich habe die Befürchtung, dass bei einer Grundsicherung den Menschen die Motivation genommen wird, aus eigener Kraft, aus eigener Initiative etwas zu leisten, denn in dem Augenblick, wo ich nicht mehr arbeiten muss […] was ist denn dann mein Antrieb?…“.

Das sagt Jochen Schweizer, obwohl er zugleich in der Folge von der Eigeninitiative spricht, die gefördert werden solle, vom Sinn, den Arbeit machen müsse. Fördern lässt sich nur etwas, das schon vorhanden ist. Eigeninitiative kann man nicht erzeugen, sonst ist es keine Eigen-, dann ist es Fremdinitiative. Nimmt man Schweizer beim Wort, dann würden politische Entscheidungen nicht danach gefällt, was die Mehrheit zu tragen bereit wäre, sondern danach, was eine verschwindende Minderheit („manche) womöglich tun wird – das ist eine Politik von der Ausnahme her, ohne sich zu fragen, ob es nicht gute Gründe für diese Ausnahme gibt.

Sascha Liebermann

Die Grünen Spitzenkandidaten – wie stehen sie zum Bedingungslosen Grundeinkommen?

Antworten darauf finden sich auf der Website von Bündnis 90/ Die Grünen, auf der die Spitzenkandidaten Fragen der Mitglieder beantworten. Eine der Fragen, Nummer 14, lautet:

„Wie steht ihr zum bedingungslosen Grundeinkommen? Wie können wir Steuergelder gerechter verteilen?“

Hier die Antworten:

Katrin [Göring-Eckardt]:

Auch hier will auf meine Antwort zur gleichlautenden BAG Frage verweisen: Armut in Deutschland hat viele Gesichter. So vielfältig die Ursachen für Armut, so unterschiedlich die Antworten. Ein Student auf dem Weg ins Berufsleben hat andere Unterstützung nötig, als die alleinerziehende Mutter mit drei Kindern und Halbtagsjob. Darauf gibt es zwei mögliche Antworten: Das bedingungslose Grundeinkommen und die bedarfsorientierte Grundsicherung. Für mich muss der Staat immer die Schwächsten zuerst in den Blick nehmen und die Angebote müssen sich am konkreten Bedarf orientieren. Und: finanzielle Unterstützung ist nur ein – wenn auch sehr wichtiger – Aspekt der sozialen Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen. Auch wenn wir also das Ziel teilen – alle Menschen sollten sich frei nach ihren Möglichkeiten entfalten können und nicht in Armut und Ausgrenzung leben müssen – so stehe ich für eine bedarfsorientierte Grundsicherung. Zudem gelten für mich die Parteitagsbeschlüsse aus Nürnberg von 2007, wo sich die Partei gegen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ausgesprochen hat.“

Göring-Eckardt spielt hier das BGE und bedarfsorientierte Leistungen gegeneinander aus, um ihren Favoriten, die bedarfsorientierten Leistungen als Gewinner hervorgehen zu lassen. Sie widersprechen sich aber gar nicht, sie ergänzen sich. Je höher ein BGE wäre – in Haushalten kumuliert es – desto weitreichender wäre es. Alleinerziehende, so das Beispiel hier, stünden eben viel besser da, wenn mit einem BGE es auch weiter bedarfsorientierte Leistungen geben würde. Sie erhielten allerdings einen ganz anderen Charakter. Während heute der Erwerbstätige im Zentrum der Sicherungssysteme steht, wäre es beim BGE der Bürger bzw. anderweitig Bezugsberechtigte. Damit rückte die Person ins Zentrum, was auch Folgen für die bedarfsgeprüften Leistungen hätte. Sie verlören die stigmatisierende Kraft, die sie heute nur deswegen haben, weil Bedarfsprüfung immer relativ zu Erwerbsversagen oder Scheitern an der Erwerbsverpflichtung zu verstehen ist. Dieser Zusammenhang scheint Göring-Eckardt fremd.

Robert [Habeck]:

Ich halte das skandinavische Sozialstaatsmodell, also Zusammenhalt durch Teilhabe, für das erfolgreichste, wie in Frage 13. beispielhaft beschrieben. Ein Grundeinkommen passt dazu. Ich glaube, eine Gesellschaft traut sich eher dann Neues, wenn die Menschen keine Angst haben müssen. Ich nehme aber auch die Argumente der Gegenseite ernst, die sagen, dass die individuelle Förderung/ Hilfe nicht ersetzt werden darf, dass ein BGE entweder zu niedrig oder zu hoch sein kann. Dennoch möchte ich gern erste Schritte seiner Umsetzung sehen. Am einfachsten ist der Einstieg in Lebensphasen, in denen man dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, Rente, Familiengründung, Bildung. Und ich sehe mit Freude, dass wir uns als Grüne genau dahin jetzt bewegen.“

„Zusammenhalt durch Teilhabe“ oder Zusammenhalt durch Anerkennung der Anderen als Gleiche um ihrer selbst und um des Gemeinwesens selbst willen? Letzteres ist für eine Demokratie entscheidend, das macht ihre Solidarität aus, daraus leitet sich ein BGE gerade ab, nicht umgekehrt. Habeck geht immerhin recht weit. Weshalb er die Gefahr, ein BGE könne zu hoch oder zu niedrig ausfallen, eigens anführt, so als gelte das nicht für die heutigen Leistungen gleichermaßen?!

Anton [Hofreiter]:

„Ich teile die Idee, dass jede und jeder am Wohlstand in unserer Gesellschaft teilhaben sollte. Ich finde zudem, dass eine schnüfflerische und kleinteilige Sozialstaatsbürokratie genau denen die größten Steine in den Weg legt, die auf unseren Sozialstaat am meisten angewiesen sind. Diese Ideen haben mit der Reform der Grundsicherung, der Abschaffung der Hartz IV-Sanktionen, der Garantierente und der Kindergrundsicherung ja auch Einzug in grüne Programmatik gefunden. Ich bin froh über diese Beschlüsse, die für eine Grüne Vorstellung vom Sozialstaat stehen.

Ich teile allerdings nicht die riesigen Hoffnungen vieler an das Grundeinkommen. Es ist sympathisch, aber nicht realistisch, zu glauben, mit einem einzigen Instrument so vielfältige Herausforderungen wie überkomplexer Sozialstaat, Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität, Finanzierungsfragen und vieles mehr quasi handstreichartig zu erledigen.“

Zur Problematik einer Kindergrundsicherung, Kinder werden gegen Eltern ausgespielt, siehe hier. Die Kindergrundsicherung ist kein Weg zum BGE, denn für Kinder die Existenzsicherung von Erwerbsverpflichtung unabhängig zu gestalten, damit haben wir kein Problem – für Erwachsene hingegen schon. Die Abschaffung von Sanktionen in eine Sozialstaat, der Erwerbstätigkeit im Zentrum hat, ist in meinen Augen naiv, siehe hier. Wer sagt denn, dass das BGE das einzige Instrument sein müsse? Das ist frei erfunden.

Cem [Özdemir]:

„Für die einen ist das bedingungslose Grundeinkommen der Weg zu einem Sozialstaat ohne behördliche Gängelung. Für andere ist es der Weg zu einem schlanken Staat, der außer dieser einen Leistung jede Bürgerin und jeden Bürger sich selbst überlässt. Für mich ist das bedingungslose Grundeinkommen einfach nicht die richtige Art der Verteilungspolitik.

Statt staatliche Leistungen bloß mit der Gießkanne zu verteilen, würde ich vor allem denen ein Angebot machen, die es wirklich brauchen. Ich denke an Langzeitarbeitslose, Alleinerziehenden, Menschen mit Behinderung, erwerbsgeminderten Rentner*innen oder anderen Menschen, die es aus verschiedenen Gründen in unserer Gesellschaft schwerer haben. Wenn wir diesen Grundsatz befolgen, dann wird das Steuergeld aus meiner Sicht besser verteilt als mit einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle.“

Ganz wie bei Göring-Eckardt sieht Özdemir nicht, dass gerade dieser Sozialstaat, den er bevorzugt, zu Stigmatisierungen führt. Dass er all die, denen er hier helfen will, zuerst einmal mit dem Rücken an die Wand drängt, um sie dann auf den richtigen Weg zu leiten – das ist die Folge der Erwerbszentrierung. So bleibt all das Helfenwollen in pädagogisierender Bevormundung stecken, statt zuallerst einmal die Freiräume zu verschaffen, die dann Dinge jenseits der heutigen Helfervorstellung möglich werden lassen. Was dann noch nötig ist, werden wir sehen. Doch im Vorhinein schon auszuschließen, dass die Bürger zu viel mehr fähig sind, wenn sie die Möglichkeit haben, als es heute der Fall ist im die Erwerbsorientierung wie eine Monstranz vor sich hertragenden Sozialstaatsgetriebe, das bleibt von dieser Warte aus verschlossen. Eben doch ein Reden von oben herab.

Sascha Liebermann