„We should feed them“ – Yanis Varoufakis on Basic Income…

…, aber was meint er genau?

In einem Interview, das der ehemalige griechische Wirtschaftsminster dem Economist gab (siehe auch Basic Income News), äußert er sich mehrfach zum Grundeinkommen, ohne genauer auszuführen, welche Form des Grundeinkommens er im Auge hat. Nur durch den Verweis auf Philippe van Parijs Aufsatz „Why Surfers Shoud be Fed“ scheint auf, dass er offenbar ein BGE meint. Aber wie wird es begründet?

„Today we are facing a serious danger of large masses of people who have low economic value. This is a powder keg in the foundations of society. Making sure that the great wealth-creation which capital is capable of does not light this dynamite — the basic income approach — is absolutely essential, but it is not part of the social democratic tradition. Think about it. Now, either we are going to have a basic income that regulates this new society of ours, or we are going to have very substantial social conflicts that get far worse with xenophobia and refugees and migration and so forth. But I do not think that social democracy has the analytical skills to come to terms with this.“

Diese Passage lässt noch im Unklaren, was er vor Augen hat. „Large masses of people who have low economic value“ – also solche mit wenig oder niedrigem Einkommen bzw. Kaufkraft. Dieser Mangel könnte so „substantial social conflicts“ führen. Ein Grundeinkommen könnte hier Abhilfe schaffen, sofern es sich um Konflikte aus Einkommensmangel handelt. Dazu bedarf es aber noch keines BGE, das könnte irgendeine Form eines Grundeinkommens leisten, zu denen ja durchaus auch Hartz IV gehört, es müsste der Regelsatz nur erhöht werden.

„So I think the basic income approach is capable of doing this [Wohlstand allen zugänglich zu machen, SL] as long as (and this is what I emphasise when I talk to the Corbynistas) you can explain to them where the money will come from, that it will not be simply debt, that we are going to generate a lot more income and a chunk of it is going to fund this. But we, the Left, must not be fearful. I gave a talk some time ago in the United States and said: yes, surfers in California must be fed by the rest of us. We may not like that, we may feel they are bums, but they deserve a basic income too.
[Laughs] “

Auch hier ist noch nicht klar, was er genau meint, denn der Verweis auf van Parijs ist indirekt. Die Formulierung „must be fed by the rest of us“ geht allerdings davon aus, dass die einen die anderen versorgen sollten. Legt man diese Passage weit aus, dann bezieht sie sich auf alle, die keinen Beitrag zur ökonomischen Wertschöpfung leisten. Ich habe dies schön öfter als „Kostgänger“-Argument bezeichnet (siehe verschiedene Beiträge dazu hier), weil es einer Bilanzlogik folgt, hier allerdings positiv ausgelegt. Das ist ein primär ökonomischer Blick im Sinne einer Versorgung mit Einkommen und Gütern. In einem demokratischen Gemeinwesen gibt es aber nicht die einen, die für die anderen sorgen, es gibt nur ein Gemeinwesen von Gleichen, die füreinander einstehen.

Varoufakis fährt unmittelbar nach dem vorangehenden Zitat fort:

„OK, they don’t “deserve”, but they should have a basic income, because this is the way to stabilise society. But you need politicians that are capable of going out there and saying: “You see that lazy bum over there that you hate? We should feed him. And we should make sure he has a house. Because if he does not have a house and he gets sick and so on, he is a greater burden for all of us. And if there are lots of them and technological innovation produces a lot more of them, that would be macro-economically unsustainable. Those of us who want to work—because we enjoy it and have the opportunity—have the technology to produce so much wealth that we can feed the surfers.” But who says that?“

Dass er sich hier korrigiert („OK, they don’t deserve“), ist insofern interessant, als er damit die Bilanzlogik von Geben und Nehmen aufbricht.  Aber wer ist nun „they“? Wenn es alle bekommen, bekommen es alle, da gibt es kein „we“ auf der einen und „they“ auf der anderen Seite, es gibt nur „uns“ – sofern wir von einer Demokratie sprechen. Wir benötigen auch nicht unbedingt „politicians“, die für ein BGE werben, wenn die Bürger es wollen, wird es kommen, dazu müssen sie sich artikulieren. Und dann argumentiert er wieder in der Bilanzlogik: besser ihn jetzt versorgen, als später noch mehr Last mit ihm zu haben, weil wir es nicht getan haben. Varoufakis bleibt in dem „we should feed them“ bis zum Schluß der Passage stecken, in dem die einen für die anderen sorgen.

Statt dieser Perspektive könnten wir für das BGE anders argumentieren, in dem wir herausstellen, dass es darum geht, wie wir die Autonomie in einem Gemeinwesen am besten fördern können, eine Autonomie, die ein wesentlicher Aspekt von Demokratien ist. Das ist eine Perspektive, die alle betrifft, nicht die „Versorgungsbedürftigen“.

Sascha Liebermann

„Bedingungsloses Grundeinkommen setzt falsche Anreize…

Die Initiative zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens lehnt economiesuisse vorbehaltlos ab. Für die Finanzierung eines derart umfassenden neuen Sozialwerks müsste die Schweiz jährlich einen dreistelligen Milliardenbetrag aufbringen. Die dafür nötigen Steuererhöhungen würden die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz schwer beschädigen. Ausserdem setzt ein bedingungsloses Grundeinkommen Anreize, deren negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt kaum abschätzbar sind.“

So äußert sich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse zur Volksinitiative, die am 5. Juni zur Abstimmung steht.

„Man kann nicht alles haben – Frau auch nicht…

…Work, Life, Balance? Familie und Beruf – beides ist mehr Erfüllung, als man stemmen kann. Frauen müssen sich entscheiden. Ein Kommentar“.

Auch wenn es zuerst den Eindruck erweckt, als gehe es vor allem um die Mütter, betrifft der Kommentar von Karin Truscheit zur vermeintlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ebenso die Väter. Selten wurde so klar herausgestellt, dass Elternschaft eine Entscheidung verlangt, weil beides – Familie und Beruf – nicht gleichermaßen zu haben ist. Die Autorin schreibt:

„Und das ist das zweite Unerträgliche in der Debatte: das Werten und Entwerten, das Schönreden, wenn es um die Frage geht: Wie viel Karriere kann eine Mutter überhaupt machen? Man kann, als Mutter oder Vater, ganz viele Kinder haben und trotzdem eine Fernsehshow moderieren oder ein Ministerium leiten. Vorausgesetzt allerdings, die meiste Zeit kümmern sich andere um die Kinder. Karriere und Kinder finden zur gleichen Tageszeit statt.

Auch „Job-sharing“-Modelle werden dieses Dilemma kaum lösen, solange an diesen Stellen das Mutti-Etikett klebt, da es vor allem die Frauen sind, die so Karriere machen wollen. Das größte Problem bleibt jedoch selbst bei geteilten Führungspositionen die Unteilbarkeit dessen, was Kinder und Karriere gleichermaßen fordern – viel Zeit. Als Mutter oder Vater muss man sich für das eine, das Großziehen überwiegend selbst zu übernehmen, oder das andere, die klassische Karriere, entscheiden.“

Damit ist zu der Diskussion über die „Vereinbarkeit“ von Familie und Beruf (siehe hier und hier) beinahe alles gesagt – denn „vereinbar“ im Sinne der Vorstellung, beides sei gleichermaßen zu haben, sind sie nicht. Selbst allerdings wenn auf Karriere verzichtet wird, drängt einen unsere Überhöhung von Erwerbstätigkeit, uns in eine Richtung zu entscheiden. Man rechne nur einmal hoch, was es für das Familienleben heißt, vollerwerbstätig zu sein. Bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche ist man etwa 50 Stunden (Arbeitszeit, Pause, Pendeln zum Arbeitsplatz) abwesend von zuhause. Wer also morgens zwischen 7 und 8 Uhr aus dem Haus geht, kehrt zwischen 17 und 18 Uhr zurück. Von Stau und verspätetem Nahverkehr sehen wir ab.

Faktisch heißt das, dass der erwerbstätige Elternteil vom Familienleben so gut wie nichts mitbekommt. Für die Kinder je nach Lebensalter ist die Abwesenheit eine besonders krasse Entbehrung, denn sie haben ein unendliches Bedürfnis, mit den Eltern gemeinsam Zeit zu verbringen. Das heißt nicht, dass ständig gemeinsam gespielt oder etwas unternommen werden muss. Ansprechbar sollen Eltern sein, nah sollen sie sein, beim Spielen einfach dabeisein. An der Entbehrung ändert auch die von Bindungsforschern attestierte Bindungsfähigkeit von Kinden zu Personen außerhalb der Familie nichts. Denn diese Personen sind nicht die Eltern, von denen die Kinder sich später einmal ablösen müssen, um erwachsen zu werden. Darüber hinaus konstituieren sich die Beziehungen zu Erziehern gänzlich anders. Erzieher erbringen eine Dienstleistung, sie haben eine Dienstzeit und Feierabend, sind in ihrer Aufgabenwahrnehmung austauschbar. Sie kümmern sich um Kinder, die eine Einrichtung besuchen, ganz gleich, welche das sind. Sicher, auch ihnen wachsen die Kinder ans Herz, mit denen sie täglich Zeit verbringen, es ist letztlich aber eine Dienstleistungsbeziehung. Für die Kinder hingegen ist diese Austauschbarkeit, die zum Berufsleben dazugehört, nicht selbstverständlich, sie ist durchaus krisenhaft, denn Kinder gehen immer davon aus, dass andere ihretwegen da sind.

Wenn Eltern vollerwerbstätig sind, entbehren Kinder jemanden, der für ihr Leben zentral ist. Das ist eine Folge der Vollerwerbstätigkeit, sie ist nicht zu mildern. Der Verlust an gemeinsamer Zeit ist einer an gemeinsamer Erfahrung, sie lässt sich eben nicht organisieren (siehe hier), wie manche meinen, die die Quality Time preisen. Da Eltern in ihre Elternsein zuerst einmal hineinfinden müssen, auch das braucht Zeit, erschwert lange Abwesenheit diesen Erfahrungsprozess, der auch für Eltern krisenhaft ist, zum einen wegen den vollständig neuen Situation, der umfassenden Fremdbestimmung durch die Bedürfnisse der Kinder, zum anderen weil das Elternwerden eigene Kindheitserinnerungen verlebendigt, nicht nur angenehme, auch unangehme. Die Kinder verändern sich schnell in den ersten Jahren – und wieder braucht es Zeit, um diese Erfahrung zu machen.

Vollerwerbstätigkeit staucht die gemeinsame Zeit zusammen. Schon das gemeinsame Frühstück wird schnell hektisch (Kinder im Kitaalter spielen morgens gerne ausdauernd), das Mittagessen fällt aus und zum Abendessen ist man gerade wieder zurück. Wenn auch Teilzeittätigkeit (sofern sie von der Einkommensseite her ausreicht) mehr Zeit miteinander verschafft, erhöhrt sie den Koordinationsaufwand, es bedarf mehr Abstimmung, wodurch die gewonnene Zeit stärker organisiert werden muss. Dieser Befund besagt nicht, was jemand tun sollte, er besagt nur, was er in Kauf nehmen muss, wenn er sich für beides Familie und Beruf entscheidet. Das macht den Kommentar von Karin Truscheit so wertvoll. Sie macht klar, dass man sich entscheiden muss. Wer anderes behauptet, ist fern der Realität. Sicher kann man Kinder haben und sie durch andere versorgen lassen, um der Karriere nachzugehen. Das muss jeder selbst wissen, sollte aber nicht kleinreden, was das bedeutet.

Gleichwohl sind wir nicht so frei, diese Entscheidungen zu treffen, wie der Kommentar nahelegt, denn die Stellung von Erwerbstätigkeit ist normativ überhöht. Erwerbstätig zu sein gilt als besonders wertvoll. Wer erwerbstätig ist, macht alles richtig, auf jeden Fall leistet er etwas Sinnvolles, trägt zum Gemeinwohl bei. Das gilt für die Entscheidung, für Kinder zuhause zu bleiben, heute nicht mehr, denn die Überhöhung von Erwerbstätigkeit sorgt zugleich für eine normative Abwertung des Engagements in der Familie. Das zeigt sich in aller Deutlichkeit daran, wodurch in unseren Systemen sozialer Sicherung Ansprüche auf Einkommensleistungen erworben werden: vorrangig durch Erwerbstätigkeit. Das zeigt sich ebenso deutlich in der Bildungsrhetorik, die in Frühförderung nach wie vor das Nonplusultra erkennt.

Wenn es also um eine Entscheidung geht, die getroffen werden muss, ob und wann in welcher Lebensphase einem Beruf oder Familie wichtiger sind, dann stellt sich die Frage, wie es möglich ist, sich ihr so freigelassen wie möglich stellen zu können? Gegenwärtig stellt sich diese Entscheidung stets vor dem Hintergrund der normativen Geltung von Erwerbstätigkeit. Hier nun kommt das Bedingungslose Grundeinkommen ins Spiel, denn es zieht keine bestimmte Lebensführung einer anderen vor. Erwerbstätigkeit würde nicht mehr auf dem Sockel stehen, nicht mehr als der höchste Zweck gelten, zu dem sie heute gemacht wird. Weder nimmt ein BGE die Zumutung von einem, Entscheidungen treffen zu müssen, noch enthebt es einen der Folgen solcher Entscheidungen, die jeder aushalten muss. Es befreit jedoch von der normativen Hinleitung der Lebensführung in eine bestimmte Richtung. Nicht mehr Erwerbsätigkeit über alles würde gelten, sondern Selbstbestimmung in Gemeinschaft, denn das BGE ist eine gemeinschaftliche Angelegenheit, es ist nicht individualistisch und dennoch Individualität fördernd. Es ist nicht kollektivistisch und dennoch Vergemeinschaftung fördernd.

Sascha Liebermann

JUSO Schwyz unterstützt Eidgenössische Volksinitiative „Für ein bedingungloses Grundeinkommen“

Die „JungsozialistInnen Kanton Schwyz“ spricht sich für die Annahme der Volksiniative aus: Aus der Meldung:

„Entgegen der JUSO Schweiz und dem Grossteil der SP-Bundeshausfraktion unterstützen wir das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Dies vor allem aus zwei Gründen: Erstens bedeutet es eine Machtumverteilung von oben nach unten, indem die arbeitende Bevölkerung besser abgesichert wird und dadurch extrem schlechte Arbeitsbedingungen nicht mehr widerstandslos akzeptiert werden müssen. Zweitens hilft es, der Arbeit wieder mehr Sinn zu geben, weil sie durch ein BGE gezwungenermassen aufgewertet werden muss.“

„Mit der Idee des Grundeinkommens könnten Menschen wieder kreativ und handwerklich arbeiten“…

…so Britta Steilmann, die einige Jahre das Familienunternehmen Steilmann-Verwaltungs-GmbH & Co. KG führte, in einem Interview im Tagesspiegel. Hier die entsprechende Passage:

„Steilmann: […] Wir lernen und entwickeln uns durch das Tun. Mit der Idee des Grundeinkommens könnten Menschen wieder kreativ und handwerklich arbeiten.

Tagesspiegel: Was hat das Grundeinkommen, also die Idee, dass jeder Mensch Geld bekommt auch ohne Arbeit, damit zu tun?

Steilmann: Ich bin fest davon überzeugt, dass die handwerkliche Arbeit Menschen Freude macht und gut tut. Für viele industrielle Visionen müssen wir allerdings unser System ändern. Wir besteuern Arbeit, die immer mehr schwindet. Das ist falsch, und wir halten an falschen gesellschaftlichen Ideen fest, die in ganz anderen Zeiten geboren wurden. Und versuchen verzweifelt, das was nicht funktioniert effizienter zu machen. Das ist schon verrückt.“