Der offizielle Abstimmungsflyer wurde im Rahmen einer Aktion am Zürcher Hauptbahnhof verteilt, berichtete 20Minuten. Daniel Graf, der für die Kampagne mitverantwortlich ist, sagte dazu: „‚Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass sich viele Schweizerinnen und Schweizer gar nicht vorstellen können, einfach so Geld zu bekommen‘ […]. Deshalb habe man die 10er-Note als Symbol für den Abstimmungskampf genommen und mit entsprechenden Klebern versehen. […] Dass die Flyer-Kosten von über 10 Franken relativ teuer sind, dessen ist sich auch Graf bewusst. ‚Die Aktion wird über Spenden gedeckt und lohnt sich: Die Note mit dem Grundeinkommen-Kleber geht von Hand zu Hand und wird zum Gesprächsthema.‘ Den Vorwurf, Stimmen zu kaufen, verneint Graf. ‚Statt teure Flyer zu drucken und die Schweiz mit Plakaten zu zukleistern, setzen wir lieber bedingungslos Flyer als Banknoten in Umlauf.'“
Kategorie: Eidgenössische Volksinitiative
„Grundeinkommen – Himmel auf Erden?“ – SRF Sternstunde Kultur
Schweiz: Bundesamt für Sozialversicherung – erste Informationen zur Abstimmung am 5. Juni
Das Schweizer Bundesamt für Sozialversicherungen stellt erste Informationen zur Volksabstimmung am 5. Juni über die Eidgenössische Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ bereit.
Update: „Bundesrat gibt zu: Das Bedingungslose Grundeinkommen kostet 25, nicht 153 Milliarden Franken“.
Volksabstimmung in der Schweiz – Veranstaltungen in Deutschland
Die Volksabstimmung in der Schweiz am 5. Juni über die Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ ist ein guter Anlass, um auch in Deutschland darüber zu sprechen, wie BGE und direkte Demokratie miteinander zusammenhängen könnten. Es kann beides ohne einander geben und dennoch gibt es eine Verwandtschaft zwischen BGE und direkter Demokratie.
Veranstaltungen am Tag der Volksabstimmung:
- Stuttgart, Forum3, 19 Uhr: „Der Bürger entscheidet“
- Alfter, Alanus Hochschule, 14-19 Uhr: „Die Schweiz stimmt ab – Bedingungsloses Grundeinkommen und direkte Demokratie“ (Kontakt: andreas.zaeh@alanus.edu, weitere Informationen folgen) (Kurztext zum Thema)
Die Hinweise werden laufen aktualisiert.
„Auf dem Weg zum Grundeinkommen – Filmtagebuch bis zur Abstimmung von Pola Rapatt“
Schweizer Bauernverband spricht sich gegen Volksinitiative zum Bedingungslosen Grundeinkommen aus
Der Schweizer Bauernverband spricht sich gegen die Eidgenössische Volksiniative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ aus. In der Pressemitteilung ist davon die Rede, dass die Ablehnung aus finanziellen Gründen erfolge. Dabei könnte die Landwirtschaft durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen anders über ihre Zukunft nachdenken. Bedenkt man den Umfang der „Direktzahlungen“(siehe auch hier), die heute in die Landwirtschaft fließen, um eine Trennung von „Preis- und Einkommenspolitik“ zu ermöglichen, wäre dasselbe, allerdings ohne Zweckbindung, durch ein BGE möglich. Statt zweck- bzw. aufgabengebundener Direktzahlungen würde ein BGE Freiraum davon verschaffen, bestimmten Zwecken dienen zu müssen, um die Zahlungen zu erhalten. Außerdem würden kleine Betriebe vom BGE unverhältnismäßig stark profitieren und so Lebensmitteldiversität im Nahbereich gefördert, z. B. hätten es kleine „unrentable“ Käsereien einfacher, ein Auskommen zu erzielen.
Siehe auch „Grundeinkommen und Landwirtschaft“ sowie unseren Kommenter „Strukturschwache Regionen und das bedingungsloses Grundeinkommen“.
„Die Schweiz hat einen liberalen Arbeitsmarkt…“ – braucht sie deswegen kein Grundeinkommen?
Dass die Schweiz deswegen kein Bedingungsloses Grundeinkommen brauche, diese Auffassung hat jüngst in einem Interview Thomas Straubhaar in der Neuen Zürcher Zeitung geäußert. Damit verkürzt er das BGE auf ein Instrument zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes. Was hat er genau in dem Interview, in dem es auch um andere Fragen ging, über das BGE gesagt?
„NZZ: Im Juni stimmt die Schweiz über ein bedingungsloses Grundeinkommen ab. Sie sind als Schweizer stimmberechtigt und haben Sympathien für die Idee. Werden Sie ein «Ja» einlegen?“
Straubhaar: Nein! Ich bin zu wenig risikofreudig, um einem solchen Systemwechsel bei so viel offen bleibenden Kernpunkten zuzustimmen. Zwei wesentliche Fragen sind nämlich ausgeklammert. So wird nichts über die Finanzierung gesagt und nichts über die konkrete Höhe des Grundeinkommens.“
Weshalb ist das ein Hindernis? Es würde doch gerade eine Diskussion darüber nötig machen, wie hoch es ausfallen sollte und wie es zu gestalten sei? In einem anderen Interview hatte er gerade diese Offenheit für hilfreich erklärt, dass die Initiative eine Diskussion über die Zukunft der Sicherungssysteme befördere. Darüber hinaus äußerte er dort auch, wie nah die Schweiz an einem Grundeinkommen sei aufgrund ihrer Sicherungssysteme, die eine höhere Umverteilung vollziehen als in Deutschland.
„Wie müsste das Grundeinkommen denn ausgestaltet sein?
Ich bin ein Anhänger eines niedrigen Grundeinkommens, das nur die Existenz absichert. Dies würde Effizienzgewinne erlauben, indem man Doppelspurigkeiten die Bürokratie der Sozialwerke abbaut. Die Befürworter in der Schweiz wollen jedoch ein hohes Grundeinkommen, was hohe Steuern mit sich bringen würde. Das wird die Arbeitsmotivation senken.“
Hierfür darf ich auf einen jüngeren Kommentar zum „Arbeitsanreiz“ verweisen. Die Schlussfolgerung träfe nur zu, wenn Einkommenserzielung und Steuerbelastung (ob dies zutrifft, sei dahingestellt) direkte Wirkungen auf die Leistungsbereitschaft hätten. Straubhaar setzt hier ein ganz bestimmtes Modell zur Erklärung von Handeln an, dessen empirische Basis mehr als fragwürdig ist.
„Aber passt ein bedingungsloses Grundeinkommen überhaupt zu einer liberalen Gesellschaft?
Absolut. Es geht um die Unterstützung der Schwächeren. Urliberal ist, wenn man Transfers nicht an Bedingungen knüpft, wenn der Staat gerade nicht ein bestimmtes Verhalten vorschreibt. Deshalb hat auch der liberale Ökonom Milton Friedman die negative Einkommenssteuer – und nichts anderes ist das bedingungslose Grundeinkommen – propagiert.“
Der Hinweis auf Friedman, der in der Tat kein Verhalten vorschreiben wollte, ist treffend. In der meist hierfür zitierten Passage aus „Capitalism and Freedom“ sagt er genau das, was Straubhaar wiedergibt. Der Vergleich von Negativer Einkommensteuer und BGE, zumal in der Friedmanschen Version, trifft jedoch nicht zu, wie in dem genannten Buch ebenfalls deutlich wird (siehe auch den verlinkten Kommentar zur NES).
„Aber Sie selbst haben einmal geschrieben, dass in der Sozialen Marktwirtschaft die Menschen eigenverantwortlich und selbstbestimmt handeln. Wo bleibt die Eigenverantwortung, wenn jeder automatisch Geld vom Staat erhält?
Es wird ja nur das Existenzminimum abgedeckt, in Deutschland zum Beispiel 7500 € pro Erwachsenen und Jahr. Das Existenzminimum ist durch die Sozialhilfe schon heute für jeden garantiert. Alles darüber hinaus bleibt der Eigenverantwortung überlassen. Wer mehr will, muss selbst aktiv werden.“
So sähe das BGE von Thomas Straubhaar aus, das wäre für eine alleinstehende Person in der Tat wenig, ohne Erwerbsarbeit würde das nicht ausreichen. Für einen Haushalt hingegen wäre es mehr als heute, sofern er nur vom BGE leben wollte, allerdings nur bei drei bis vier Personen. Sofern bedarfsgeprüfte Leistungen fortbestehen, könnte aber auch ein solches BGE schon dazu führen, dass eine entscheidende Barriere für den Wandel genommen wird: die Bedingungslosigkeit. Selbst bei einem solchen Betrag könnte das erhebliche Veränderungen nach sich ziehen. Denn verglichen mit der gegenwärtigen Situation wäre auch das eine erhebliche Verbesserung.
Straubhaar versäumt es – vielleicht sieht er es auch nicht -, dass die „soziale Marktwirtschaft“ nicht im luftleeren Raum existiert, sondern nur dort, wo ein Gemeinwesen ihre Funktionsvoraussetzungen schafft und schützt. Den Begriff der „Eigenverantwortung“ auf die Einkommenserzielung zu verkürzen, ist eine typisch verengte Sichtweise auf den Zusammenhang von Autonomie und Verantwortung. „Eigenverantwortung“ – die immer zugleich Verantwortung für andere ist, insofern ist es ein ungeeigneter Begriff – im politischen Sinne als Souverän tragen die Bürger jeden Tag selbstverständlich, ob die Bedingungen dafür ihrer Stellung im Gemeinwesen angemessen sind, wird kaum gefragt. Ein BGE würde aber diese Bedingungen genau verbessern, den Sozialstaat den Voraussetzungen der Demokratie gemäß gestalten.
„Selbst bei einem Grundeinkommen gibt es Leute, die darüber hinaus finanzielle Unterstützung benötigen, wie Behinderte oder alte Menschen.
Ich gebe zu: Die Ergänzungsleistungen sind beim Grundeinkommen eine offene Flanke. Mir gehen die Argumente aus, wenn jemand eine schwere Behinderung hat. Da reicht das Grundeinkommen nicht. Dabei wäre die Eleganz gerade, dass ich keine Bedürfnisprüfung mehr machen muss. Man sollte aber auch sagen: Gemessen an der Gesamtbevölkerung ist das ein kleiner Prozentsatz, bei dem sich dieses Problem stellt.“
Straubhaar räumt hier ein, dass es weitere Leistungen oberhalb des BGE geben müsse, sonst, so würde ich sagen, verkehrt es sich in sein Gegenteil. Der Charme ist nicht die Reduzierung von Verwaltungskosten, wie er vor Augen zu haben scheint, sondern die Ermöglichung von mehr Selbstbestimmung. Ein BGE, das vom Bürger seinen Ausgang nimmt, vom Status der Person, und nicht von einer Leistungsverpflichtung, verändert auch den Charakter bedarfsgeprüfter Leistungen. Sie dienen dann nicht mehr dem Ausgleich von Erwerbsunfähigkeit oder -einschränkung, sondern zur Ermöglichung von Selbstbestimmung.
Was Straubhaar hier vollkommen übersieht, das sind Zwei-Personen-Haushalte wie im Fall eines alleinerziehenden Elternteils und eines Kindes. Sie wären mit diesem Grundeinkommen nicht gut versorgt, da es kaum ausreichen würde.
„Braucht es bei einem bedingungslosen Grundeinkommen noch eine Sicherung durch den Mindestlohn oder den Kündigungsschutz?
Nein, diesen Schutz braucht es nicht mehr. Das ist auch ein Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz. Die Schweiz hat keinen Kündigungsschutz und keinen Mindestlohn, sondern einen vergleichsweise liberalen Arbeitsmarkt. Deshalb setze ich mich für das Grundeinkommen in der Schweiz auch nicht ein.“
Einen gewissen Kündigungsschutz gibt es allerdings auch in der Schweiz. Worin er den Unterschied sieht, wird nicht deutlich, vermutlich ist der Kündigungsschutz in Deutschland umfangreicher und strikter. Dass ein BGE in ausreichender Höhe die Frage aufwirft, ob heutige Kündigungsschutzregelungen noch den neuen Verhältnissen angemessen, wo sie zu verändern, aufzugeben oder beizubehalten wären, diese Diskussion wäre dann eröffnet. Letztlich ist das keine theoretische, sondern eine praktisch zu beantwortende Frage, was gewollt ist. Straubhaars Einschätzung des Mindestlohns halte ich für treffend (siehe meine früheren Kommentare hier und hier). Deutlich wird, was in Straubhaars Äußerungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen über die Jahre oft entweder ausdrücklich oder zwischen den Zeilen zu erkennen gaben. Dass es ihm vor allem um Flexibilität für und am Arbeitsmarkt geht. Existenzsicherung, ja, aber Vorsicht, die Anreize dürfen nicht untergraben werden, weshalb er es gleich auf der Höhe des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer belassen will. Weder setzt er das BGE ins Verhältnis zu den Grundfesten der Demokratie, noch sieht er die Stellung, die die Bürger darin schon innehaben. Er verbindet damit also etwas ganz Anderes mit dem BGE als die Stärkung des demokratischen Gemeinwesens durch die Stärkung seiner Bürger. Auch geht es ihm nicht darum, die für ein Gemeinwesen gleichermaßen unerlässlichen Tätigkeiten – Familie, Freiwilligendienst und Erwerbstätigkeit – zu egalisieren, also sie in ihrer Bedeutung gleichermaßen anzuerkennen. Dazu müsste der Vorrang von Erwerbstätigkeit aufgehoben werden. Das geht nur mit einem BGE.
Sascha Liebermann
„Bedingungsloses Grundeinkommen: Ein Gespenst geht durch Europa“
Ein Interview in SWR 2 vom 11. Februar zur Volksabstimmung in der Schweiz mit dem Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Universität Hamburg, drehte sich um das Bedingungslose Grundeinkommen. Die Bemerkung des Moderators zu Beginn des Gesprächs, wie denn das „Bergvolk“ dazu komme, darüber abzustimmen, ist an Hochnäsigkeit kaum zu überbieten. Straubhaar übergeht das höflich und verweist sogleich auf die direkte Demokratie, die in der Schweiz fest verankert sei. Er sieht die Chancen für eine Zustimmung zur Volksiniatitive schlecht, da nicht spezifiziert sei, wie das BGE aussehen solle. Zugleich aber eröffne die Volksinitiative die Chance, über die Zukunft der Sicherungssysteme zu diskutieren. Es sei ein Irrglaube, dass Arbeit nur ein Muss sei, „das ungerne geleistet“ werde.
„Bedingungsloses Grundeinkommen: Ein Gespenst geht durch Europa“ weiterlesen
„Politisch verrupft, aber unbeirrt am Werben“…
…ein Beitrag in der Tages Woche zur Eidgenössischen Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ und die bevorstehende Abstimmung.
Volksabstimmung in der Schweiz – auch in Deutschland ein Tag zum Feiern
Am 5. Juni wird in der Schweiz über die Eidgenössische Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ (siehe auch hier) abgestimmt, wie die Schweizer Bundesverwaltung Ende Januar mitgeteilt hat.
Wir möchten nochmals darauf hinweisen, dass dieser Tag auch für die Grundeinkommensdiskussion in Deutschland ein wichtiger Tag ist, denn letztlich geht es um die Frage, wieviele Bürger der Schweiz sich für die Initiative aussprechen – und zwar wirklich aussprechen per Entscheidung, nicht in einer unverbindlichen Meinungsumfrage es für eine gute Sache halten.
Nun ist das nicht „unsere“ Abstimmung, es geht nicht um unsere Demokratie in Deutschland. Doch das Bedingungslose Grundeinkommen und direkte Demokratie sind geistesverwandt. Die Abstimmung kann also Anlass sein, darüber zu informieren, was direkte Demokratie möglich macht, wie sie zum BGE steht und vor allem: wie wir als Bürger dazu stehen. Da die Abstimmung via Internet verfolgt werden kann, es laufende Berichte über Ergebnisse geben wird und am Abend eine Diskussionsrunde stattfinden soll, eignet sich dieser Tag, um in geselliger Weise zu informieren. Darüber hinaus können Filme gezeigt werden, damit sich Interessierte informieren können.
Was Volksabstimmungen auch bewegen können, siehe hier.