„Jahrzehnte arbeiten, aber Rente auf Hartz-IV-Niveau“

„Erschreckende Studie: Wer als Durchschnittsverdiener 30 Jahre lang in die Rentenkasse einzahlt, könnte am Ende nicht mehr bekommen als die Grundsicherung. Noch härter trifft es Geringverdiener“, so liest sich der Anfang des entsprechenden Artikels auf Welt online. Wir haben kürzlich schon einmal auf diese Entwicklung hingewiesen, siehe hier.

 

 

CSU-Abgeordneter Stephan Stracke über „faule Grippel“

Stephan Stracke (MdB, CSU) spricht über den Zusammenhang von Arbeitsbereitschaft, soziale Hilfesysteme und „Eigenverantwortung“, um dann darauf zu sprechen zu kommen, das all die Hilfe nichs nütze, wenn jemand ein „fauler Grippel“ sei (Äußerung ab Minute 40). Nach einer Kritik durch Katja Kipping (MdB, Die Linke) erklärt er, was er damit sagen wollte (siehe hier). Auch mit Hilfe des Grimmschen Wörterbuchs konnten wir die Bedeutung von „fauler Grippel“ nicht aufklären. Da bleibt vorerst nur die Darstellung des Abgeordneten, die ist eindeutig. Er spricht etwas aus, was im Zentrum der gegenwärtigen Sozialpolitik steht: „Faule“ zu bekämpfen. Nicht zufällig fällt das Attribut „faul“ immer wieder in diesem Zusammenhang. Das ist eine Erfahrung, die man auch in öffentlichen Veranstaltungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen machen kann. Faul ist, so scheint es, wer nicht erwerbstätig ist und anderes für ebenso wichtig oder wichtiger hält.

Lesen Sie auch den Kommentar dazu von Meike Büttner: „Treten’s zurugg, Stracke!

„Per Dekret ins Paradies“

Kurz vor Einreichung der „Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ bringen sich Kritiker wieder in Stellung. Der Untertitel dieses Beitrags in der Neuen Zürcher Zeitung spricht Bände:

„Nach der 1:12-Initiative und der Mindestlohninitiative wird das Volk auch bald über die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen abstimmen. Auch diese Vorlage kann das Paradies auf Erden nicht bringen.“

Immer wieder kommt es vor – gerade kürzlich habe ich die Erfahrung im Rahmen einer Hochschulveranstaltung wieder gemacht -, dass Kritiker oder Skeptiker diese Bemerkung meinen machen zu müssen, so als würden ernsthafte Befürworter das Paradies auf Erden versprechen (dabei wird geflissentlich übersehen, dass das biblische Paradies ein Zustand war, in dem Adam und Eva ohne Bewusstsein lebten, die Vertreibung von dort also eine Befreiung war). Dabei gehört es zu einer der stehenden Wendungen in der Grundeinkommensdiskussion, dass sich mit einem BGE die Zumutung der Freiheit noch verstärkt und nicht abschwächt (siehe hier). Mehr Freiräume zu haben, also freier entscheiden zu können, wohin man mit dem eigenen Leben will, reißt die maßgebliche Krücke weg, die diese Entscheidungen heute erleichtert: Erwerbstätigkeit. Denn sich für sie zu entscheiden sichert einem zumindest Anerkennung dafür zu, etwas für das Gemeinwesen zu tun. Mit einem BGE würde diese Zusicherung abgeräumt und es bliebe der Einzelne, der ganz mit sich ausmachen müsste, wo und wie er wirken will. Er müsste alleine darüber befinden, welche Möglichkeiten, die sich ihm bieten, denn für ihn in Frage kommen, während heute diese Möglichkeiten stets eingeengt sind auf den Vorrang von Erwerbstätigkeit. Welch geradezu totalitäre Formen dieser Vorrang annehmen kann, zeigt dieser Ausspruch der Bundeskanzlerin in einer Veranstaltung zur Bundestagswahl 2009: Wir werden uns keinen jungen Menschen […] leisten können, der nicht seine Chancen wahrnimmt„.

Wundern kann man sich auch darüber, wenn – so in diesem Beitrag und in der schon erwähnten Hochschulveranstaltung – davon gesprochen wird, in Deutschland müssse ja niemand verhungern, es gebe doch Hartz IV. Sollte man demjenigen, der dies ausspricht, ein Hartz-IV-Praktikum empfehlen? Hat er sich damit befasst, welche Beschränkungen und Eingriffe in das Leben damit einhergehen, wenn man unter Aufsicht des Jobcenters steht? Hat er sich jemals gefragt, wie diese Politik des Drohens sich auf unser Zusammenleben auswirkt? Vielleicht müssen solche Äußerungen als Anzeichen dafür gelesen werden, wie wenig Gedanken sich offenbar viele machen, was die von uns allen zu verantwortende aktivierende Sozialpolitik mit uns und mit den Grundfesten unseres Gemeinwesens anstellt. Wie sehr die Grundlage einer freiheitlichen Demokratie, die wir ja tatsächlich schon haben und in der die Stellung der Bürger eindeutig ist: sie bilden den Souverän, dieser Sozialpolitik entgegensteht? Wie sollen wir die Herausforderungen der Gegenwart freimütig bewältigen, wenn der Geist der Sozialpolitik, der der Geist der Zeit ist, uns gerade die Mündigkeit, die Initiative abspricht, die wir dafür brauchen? Ignorieren, Erdulden, Wegschauen, sich nicht betroffen fühlen – auch das ist eine Antwort. Doch, sie führt nicht weiter.

Sascha Liebermann

„Jede zweite Rente 2012 war niedriger als Hartz IV“

„…fast jede zweite Rente [kam] auf weniger als 700 Euro, wie die „Bild“-Zeitung (Dienstag) berichtet. 48,21 Prozent der Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrentner erhielten demnach 2012 weniger als die Summe, die Senioren im Schnitt als Grundsicherung im Alter inklusive Miete und Heizung zusteht…“

Diese Meldung der FAZ macht deutlich, welche große Veränderung ein Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutete, zumal in ausreichender Höhe. Wie komplex das gesamte Leistungsgefüge nach dem Sozialgesetzbuch ist, zeigt der Blick in eine Broschüre der Arbeitsagentur. Dass aber auch der Durchschnittsrenter vom BGE profitieren würde, darauf haben wir in diesem Beitrag hingewiesen: „Standardrentner, Durchschnittsrenter, Rentenanwartschaften und Bedingungsloses Grundeinkommen“